Heimatgeschichte

Mit Karin Thimsen durch Hoyers „jüngere“ Vergangenheit

Mit Karin Thimsen durch Hoyers „jüngere“ Vergangenheit

Mit Karin Thimsen durch Hoyers „jüngere“ Vergangenheit

Hoyer/Højer
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Karin Thimsen zog ihre Zuhörerschaft im Alten Bürgermeisteramt mit einem ebenso interessanten wie humorvoll vorgetragenen Vortrag auf Einladung des örtlichen lokalhistorischen Vereins in den Bann. Foto: Volker Heesch

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Die gebürtige Setherin berichtete vor Mitgliedern des lokalhistorischen Verein Hoyer über ihr Leben in einem ihr ans Herz gewachsenen Ort mit vielen interessanten deutschen und dänischen Mitmenschen. Eine Rückschau auf 61 Jahre im Zentrum des Marschenortes.

Gleich zu Beginn ihres Vortrags während der Generalversammlung des lokalhistorischen Vereins in Hoyer „Højeregnens lokalhistoriske Forening“ im örtlichen Mitbürgerhaus präsentierte sich die bekannte Hoyeranerin Karin Thimsen als sattelfest, nicht nur auf dem Pferderücken, sondern auch in der Geschichte ihrer Heimat.

Enkelin des deutschen Bürgermeisters in Tondern

„Vor 101 Jahren hat mein Großvater in Tondern (Tønder) König Christian X. bei seinem ersten Besuch in der Wiedaustadt nach Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark mit einer Ansprache begrüßt“, so Karin Thimsen vor ihrem teilweise erstaunten Publikum. In Verbindung mit ihren Erläuterungen, dass sie in Seth als Tochter in einer siebenköpfigen Kinderschar aufgewachsen ist, stellte sie nämlich den Vater der Mutter als den bis heute bekannten deutschen Bürgermeister Tonderns, Oluf Olufsen, vor, der den König freundlich empfing, obwohl die deutsche Bevölkerungsmehrheit, die ihn kurz zuvor ins Amt gewählt hatte, 1920 den Wechsel ins Königreich Dänemark eher mit gemischten Gefühlen betrachtete.

Kindheit auf dem Bauerhof

Karin Thimsen berichtete über eine bestimmt nicht einfache Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof. Nach dem frühen Tod des Vaters war sie nach dem Besuch der deutschen Dorfschule mit Reetdach schon gleich nach der Konfirmation ins Berufsleben eingestiegen. Immer auch auf dem Familienhof mit Arbeitspferden im Einsatz, war sie „Hestepige“ bei den Ringreitern, besuchte abends die Handelsschule und war begeisterte Feldhandballspielerin. Noch vor der Hochzeit mit dem Hoyeraner Jacob Thimsen 1960, mit dem sie seitdem an der Großen Straße in Hoyer lebt, machte sie den Motorradführerschein und sauste sie mit einer Vespa durch die Lande.

Rundgang durch Hoyer

„In Hoyer waren vor allem die Bürgersteige etwas, was wir in Seth nicht kannten“, berichtete Karin Thimsen und nahm die Zuhörerschaft auf einen Rundgang durch Hoyer mit, wo „seit 1960 viele neue Häuser gebaut worden sind, aber leider auch zu viele seitdem abgerissen worden sind“. Sie erinnerte an die aus heutiger Sicht umfangreiche Geschäftswelt in ihrer Straße, der Großen Straße. Sie zählte unter anderem das Textil- und Wollgeschäft von Anna Hansen, das Haushaltswaren- und Spielzeuggeschäft A. M. Hansen, das Uhrmachergeschäft und Fotoatelier von Laurids Matthiesen samt Gemüsegeschäft Lorenzen allein im östlichen Teil der Hoyeraner Hauptstraße auf.

Reiches Geschäftsleben

Karin Thimsen verstand es ihre Ausführungen mit vielen kleinen Geschichten über Bewohner der Häuser zu würzen, indem sie „Tidde Musik“, die Pianistin und Organistin Cathrine Matthiesen, erwähnte, die über dem Laden ihres Vaters ihr Klavier zum Erklingen brachte, oder A. M. Hansen als den seinerzeit mit 106 ältesten Einwohner Dänemarks vorstellte. Es gab die Geschichte vom Buchhändler und Fotografen Martinsen, der nach einem Lotteriegewinn einige Tage den Laden dicht machte, mit dem Schild im Fenster, „Wegen Reichtums geschlossen“. Die verschiedenen Postboten wurden ebenso erwähnt wie die Inhaberinnen und Inhaber von weiteren Läden: Dambergs Kolonialwaren, Seifengeschäft Tiddi Roll, Bäcker Clausen, Milchgeschäft Thomsen, Heißmangel Ingeburg Hindrichsen plus mehrere Geldinstitute und Textilkaufhaus Petersen. Karin Thimsen ist vielen Hoyeranern als geschätzte Mitarbeiterin der Hoyeraner Sparkasse bekannt.

 

Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Menschen im kleinen Hoyer von ihren Läden leben konnten

Karin Thimsen, Hoyer

 

 „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Menschen im kleinen Hoyer von ihren Läden leben konnten“, so Karin Thimsen und durchstreifte mit ihren interessanten und humorvoll dargebrachten Erläuterungen weitere Ortsbereiche Hoyers. Und sie konnte über einst viele Kinder im Ortskern Hoyers berichten.

 

Chresten Holm nahm jede Menge Kinder auf dem Milchwagen der Meierei in Hoyer mit. Foto: Lokalhistorisk Arkiv Højer

 

„Allein 21 Kinder gab es im hinteren Stück der Großen Straße“, berichtete sie. Sie habe noch neun Kaufmannsläden in Hoyer erlebt, die wie der von Werner Andersen an der Poststraße ihre Kunden mit Spezialitäten wie Sauerkraut aus dem Fass und mehreren Sorten Käse verwöhnen konnten. Aus der Zuhörerschaft wurden teilweise Erinnerungen wach, als sie das Kino an der Süderstraße oder den pferdebespannten Milchwagen des Meieristen Chresten Holm erwähnte, der wie viele andere Hoyeraner und Hoyeranerinnen natürlich auch einen Spitznamen hatte: Als Keddelein bekannt, schlug er den Kindern es nicht aus, sie auf dem Milchwagen mitfahren zu lassen. Aber es gab auch Bespiele wie den Kirchendiener Christiansen, der Kindern erlaubte, die Kirchenglocken zu läuten. Nur durfte man in seiner Anwesenheit nicht den Spitznahmen „Kisse Manstein“ fallen lassen, der ihn in Rage brachte. Dabei hatte er ihn nur erhalten, weil sein Vater einst beim Mansteiner Regiment gedient hatte.

Auch die größeren Unternehmen im Ort, die Teppichfabrik, den Sanitärgroßhandel Ohlsen und die Möbelfirma Lützen erwähnte Karin Thimsen, die auch über ihren Einsatz beim Ruderverein samt vielen Festen im Rudererhaus an der Wiedau berichtete. Mit viel Beifall dankten die Zuhörinnen und Zuhörer der in 61 Jahren zur Hoyeranerin gewordenen Zugezogenen für ihren schönen Vortrag.  

 

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