Tourismus
Ein neuer, junger Chef auf dem schönsten Hof Dänemarks
Ein neuer Chef auf dem schönsten Hof Dänemarks
Ein neuer Chef auf dem schönsten Hof Dänemarks
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Jannik Lorenzen übernimmt den Hof Klægager bei Ballum. Damit geht der Familienbetrieb an die siebte Generation. Im neuen Inhaber steckt kein Landwirt, aber ein Betriebswirt, ein Touristiker und ein Schauspieler.
Vor fünf Jahren wurde Klægager nördlich von Ballum zum schönsten Hof Dänemarks gekürt. Nicht ohne Grund: Das reetgedeckte Vierseit-Anwesen hat etwas Besonderes, was auch für die Besitzerfolge zutrifft. Seit sechs Generationen befindet sich der Hof im Besitz einer Familie. Die siebte Generation hat mit Jannik Lorenzen das Ruder übernommen. Der 28-Jährige löst damit seine Eltern Christian und Ruth Lorenzen ab, die kürzertreten wollen.
Die beiden 68-Jährigen sind seit Jahren keine Landwirte auf dem 1857 erbauten Hof, der einst 220 Hektar groß war. Das Ehepaar hat die Landwirtschaft mit Tourismus und Gastwirtschaft ausgetauscht. Statt Kühe und Schweine zu halten, feiern Gäste im Stall und in der Scheune in zwei großzügig eingerichteten Festsälen.
Das Paar baute sich ein modernes Abnahmehaus in direkter Nachbarschaft. Das Wohnhaus dient seit 2006 den B&B-Gästen als Unterkunft. Sechs Doppelzimmer und zwei Einzelzimmer sind für sie hergerichtet worden. Im früheren Esszimmer werden auch kleinere Gesellschaften bewirtet. Die Stuben dienen als Aufenthaltsräume. Im Obergeschoss hat sich Jannik Lorenzen eingerichtet.
Nach einem Arbeitsunfall gab Christian Lorenzen die Landwirtschaft mit Ackerbau und Schweinemast auf. Er und seine Frau schlugen 2010 ein neues Kapitel des Betriebs auf, der auch als Hof des alten Deichgrafen bekannt ist. Seit zwölf Jahren ist der Hof ausschließlich auf Gäste ausgerichtet.
Vor zehn Jahren wurden die Ländereien bis auf 14 Hektar des Hofs verkauft.
Landwirt wollte ihr Sohn Jannik nie werden. „Von Landwirtschaft verstehe ich nichts. Ich habe zwar bei der Feldarbeit geholfen, aber Bauer wollte ich nie werden. Da mir nichts Besseres einfiel, habe ich Betriebswirtschaft und Tourismus studiert und habe im Sommer meinen Master gemacht“, erzählt Jannik Lorenzen.
Seit Jahresanfang ist er Besitzer von Klægager. Eine Art Verpflichtung, den Familienbetrieb weiterzuführen, habe er schon verspürt, aber auch große Lust, dort weiterzumachen, wo seine Eltern aufgehört haben. „Ich freue mich auch, nach Hause zurückgekehrt zu sein“, sagt der Klægager-Chef. Seine Eltern rutschten seit der Übernahme in die Rolle der Pächter.
Für das leibliche Wohl hat stets Ruth Lorenzen gesorgt. Heute hat eine Küchenchefin das Sagen. Christian Lorenzen, der 1985 den Hof übernahm, nimmt sich der Gäste und Busgesellschaften an, die für ihren Aufenthalt eine geführte Tour in die Marsch wünschen.
„Unsere Gegend hat viel zu bieten. Die Marsch, den Nationalpark, Kulturgeschichte und interessante Persönlichkeiten, über die ich erzähle, ohne mein Publikum mit Jahreszahlen zuzudröhnen. Ich garniere meine Vorträge immer mit einer guten Portion Humor. An die 10.000 Gästen bringe ich jährlich auf diese Weise die Westküste und ihre Besonderheiten nahe“, erzählt der frühere Hofbesitzer.
Bei seinem Sohn werden fünf Angestellte in Lohn und Brot stehen, entweder als Festangestellte oder Flexjobber, wenn Essen gekocht und serviert werden muss. Zum Personal zählt auch die Schwester Christine als fest angestellte Kraft. Ein richtiges Familienunternehmen, bei dem auch Neffen und Nichten mit anpacken. Auch die zweite Schwester Maj-Britt hilft mit aus.
Anbruch des digitalen Zeitalters
„Jannik wird Klægager auch in das digitale Zeitalter einführen“, berichtete Ruth Lorenzen. Deswegen wurde Henriette Andersen angestellt, die früher auch beim Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig (LHN) in Tingleff (Tinglev) gearbeitet hat. Sie wird die rechte Hand von Jannik Lorenzen und sich der sozialen Netzwerke annehmen. Auch kümmert sie sich um Verwaltungsarbeiten. Sie soll sich auch bemühen, neue Kundschaft nach Klægager zu holen.
„Ich plane keine großen Veränderungen. Meine Eltern haben schon alles richtig gemacht. Ich wünsche mir aber, dass unser Hof verstärkt für kulturelle Veranstaltungen, unter anderem für Konzerte, genutzt wird“, erzählt Jannik über seine Pläne. So soll im Frühjahr die bekannte dänische Radiosendung Giro 413 als Wunschkonzert wiederbelebt werden.
Invasion von Strickenthusiasten
Klægager diente im Herbst auch als Veranstaltungsort für das erste Strickfestival Masker i Marsken. „Wir sagten Ja, wie wir es immer tun, auch wenn etwas Neues von uns gewünscht wird. Wir wussten nicht, was da auf uns zukam, als von freitags bis sonntags 2.000 Gäste kamen. Dennoch sind wir mit dabei, wenn das Festival im kommenden Jahr wieder durchgeführt wird. Das machte Spaß“, meint Christian Lorenzen.
Dass es gut läuft, zeigen die Auftragsbücher. Sowohl im Sommer als auch im Herbst konnten keine Gesellschaften mehr angenommen werden, schreibt die Familie auf ihrer Internetseite. Im Frühjahr und Sommer 2023 gibt es auch keinen freien Termin für Hochzeitsfeiern mehr.
Nationalpark gab Schwung in die Bude
Die Ernennung des Wattenmeeres zum Nationalpark habe dem Betrieb einen großen Aufschwung gebracht. „Unsere Gäste kommen zu 95 Prozent aus allen Teilen Dänemarks. Sie lieben die Natur und die Ruhe. Sie wollen den Nationalpark und unsere einzigartige Natur kennenlernen“, berichten Christian und Jannik Lorenzen, während Ruth beipflichtet: „Wer uns besucht, bekommt auch das Gezeitensystem erklärt. Das ist ein Naturphänomen.“
Im Gegensatz zum Grand Canyon beweise das Wattenmeer Dynamik und verändere sich permanent. Im Grand Canyon gebe es keine großen Veränderungen, er würde vielleicht zwei Zentimeter tiefer werden, meint Christian Lorenzen.
Christian Lorenzen ist sichtlich stolz über das Erreichte. „Und es ist schön, der siebten Generation das Ruder zu überlassen. Dann ist es klar, dass wir ihm dabei unter die Arme greifen wollen, solange unsere Kräfte reichen.“
Auch Jannik Lorenzen hat Erfahrungen innerhalb des Tourismus gesammelt. Er hat beim Anbieter von unter anderem Sort-Sol-Fahrten Iver Gramm in Mögeltondern (Møgeltønder) und als Praktikant im Sekretariat des Nationalparks auf Röm (Rømø) gearbeitet oder hat für den Familienbetrieb auch Busfahrten in die Marsch geleitet.
Der Schauspieler Jannik
Obwohl viel Arbeit auf ihren Sohn Jannik zukommt, will er sich ein „Hobby“ bewahren: die Schauspielerei.
Wer genauer hinschaut, erkennt in ihm vielleicht den kleinen Allan aus dem Film „Kunsten at græde i kor“ nach einem Roman von Erling Jepsen.
Weitere Rollen hatte er im Kinofilm „9. April“ und dem zweiten Teil des Widerstandsbewegungsfilms „Hvidstensgruppen – de efterladte“, in dem er einen deutschen Offizier der Nazizeit spielt. Mitgewirkt hat er zudem in Kurzfilmen und TV-Produktionen. „Das möchte ich unbedingt weitermachen können“, sagt Lorenzen junior, der sich jetzt auf eine neue Rolle als Hofbesitzer und Arbeitgeber vorbereitet.