Tønder Festival 2024

Nur traditionellen Folk gibt es schon lange nicht mehr

Nur traditionellen Folk gibt es schon lange nicht mehr

Nur traditionellen Folk gibt es schon lange nicht mehr

Tondern/Tønder
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So sieht Begeisterung beim Publikum aus, bei einem Konzert im Zelt (Archivfoto). Foto: Jane Rahbek Ohlsen

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Wer glaubt, dass Folkmusikerinnen und -musiker vielleicht sogar in Trachten gekleidet auftreten oder Dudelsackklänge und Geigenwirbel ertönen, wird bei einem Besuch des Festivals in Tondern eines Besseren belehrt. Das Musikangebot von heute ist mit dem von vor 50 Jahren nicht vergleichbar. Heute wird ein bunt gemischter Cocktail serviert, aber handgemacht soll er sein. Dieser Mix und das neue Konzept hat das Festival vermutlich gerettet.

Lange ist es her, dass dem Publikum des Tønder Festivals „nur“ traditioneller Folk und Jazz serviert wurde. An den vier Augusttagen wartet heute ein bunter Multikultimix aus aller Welt. Zum Jazz und Folk sind Blues, Bluegrass, Jamgrass, Americana, Rock, Cajun, Electrofolk, Country, Gospel, Weltmusik (Roots) und viele andere Stilrichtungen dazugekommen. Damit wird auch ein größeres Publikum erreicht, das sich nicht nur auf Folkmusik freut.

Festival als Talentschmiede

Das Publikum soll zwar gut unterhalten werden, unter anderem auch von seinen Favoritinnen und Favoriten. Dennoch haben sich die beiden musikalischen Führungskräfte des Festivals, früher Carsten Panduro und heute seine Nachfolgerin Maria Theessink darum bemüht, auch ganz unbekannte und junge Musikerinnen und Musiker aus dem In- und Ausland nach Tondern einzuladen. Mit erfahrenen und beliebten Kräften auf der Bühne gibt dies eine für die Gäste interessante Mischung und den Darstellenden eine Plattform, sich einen Namen zu machen. Das Festival ist eine Talentschmiede.

Auch die Förderung indigener Musik von Minderheiten der ganzen Welt liegt dem Festival am Herzen. Das hat es schon mehrfach bewiesen. Es will jetzt der indogenen Musik eine zusätzliche Förderung ermöglichen.

Mit dem Festivalarmband kann jedes Konzert von vormittags bis spätabends besucht werden (Archivfoto). Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Trotz der musikalischen Mischung bleibt das Festival seinen Wurzeln treu: Die Musik muss von Hand gemacht sein. Bei so viel unterschiedlicher Musik können in Tondern ganz stille, eher intime Konzerte erlebt werden, bei denen das Publikum mucksmäuschenstill lauscht. Ein paar Meter weiter hebt das Zeltdach ab, wenn die Musikerinnen und Musiker die Post abgehen lassen. 

Diese Gegensätze machen das Tønder Festival aus. Mit den eingeführten Armbändern kann man sich auf dem Festivalplatz genau die Musik aussuchen, die gefällt, und von Spielstätte zu Spielstätte ziehen. Will man alle Konzerte schaffen, wartet ein strammes Programm.

Früher kaufte man nur Karten für Einzelkonzerte und war mit dieser Karte für den Rest des Abends „verheiratet“. Es sei denn, man verkaufte sie vor dem Eingang, wenn die Musik nicht gefiel.

Zuhören und mitsingen

So gut wie das textsichere Publikum mitsingen kann, so gut ist es auch, den Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne zuzuhören. Das intime Verhältnis vor und auf der Bühne schätzen auch die Musikschaffenden.

Bei den Auftritten der schottischen Band Red Hot Chilli Pipers geht die Post ab. Sie spielt Folkrock pur (Archivfoto). Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Rettung des Festivals

Die musikalische Variation und das neue Konzept, die Konzerte auf dem Festivalplatz zu konzentrieren, haben aller Wahrscheinlichkeit nach wesentlich zur Rettung des Festivals beigetragen.

Dem Publikum ist aber auch das Wiedersehen mit „alten Bekannten“ wichtig. Zu den Künstlern, die am häufigsten in Tondern aufgetreten sind, zählen der niederländische Bluessänger Hans Theessink und der Däne Niels Hausgaard. Beide gehören zum musikalischen und äußerst populären Inventar des Festivals. 

Weltstars zu Besuch in Tondern

In der vergangenen 50 Jahren sind weltbekannte Musikerinnen und Musiker nach Tondern gekommen. Um nur einige zu nennen: Arlo Guthrie, Joan Baez, The Dubliners, The Chieftains, Pete Seeger, Tom Paxton, Sinéad O'Connor, Derrol Adams und John Pride. Mit vielen war Carsten Panduro auch privat befreundet und konnte so an den Fäden ziehen.

Das Festival als Sprungbrett zu nutzen, ist vielen internationalen und nationalen Musikerinnen und Musikern gelungen. Das schaffte unter anderem die Lieblingsband des Tonderner Publikums, Runrig aus Schottland. 1983 stand die Band erstmals in der Wiedaustadt auf der Bühne, wenige Tage nach ihrem Auftritt traten sie beim Roskilde Festival auf. Ihr Lied „The Bonnies Bank o‘ Loch Lomond“ zählt zu den Klassikern des Festivals und wird vom Tonderner Publikum immer inbrünstig mitgesungen.

 

Ein einziges Mal ist der dänische Sänger Mads Langer in Tondern aufgetreten (Archivfoto). Foto: Elise Rahbek Ohlsen

Sogar mit Pop hat das Festival kurz geflirtet, als die dänischen Sänger und Songwriter Mads Langer und Lukas Graham auf der Bühne standen, mit denen auch das jüngere Publikum angesprochen werden sollte.

Während es für Langer bei einem Konzert blieb, ist Lukas Forchhammer mit dem Künstlernamen Graham öfter eingeladen worden. Lukas Forchhammer ist auch ein Kind des Festivals. Er wurde von seinem Vater Eugene mit nach Tondern genommen. Der Ire war ein großer Freund des Festivals und hat den Kontakt zu talentierten Folkmusikern aus Irland und den USA hergestellt. Lukas arbeitete als Freiwilliger beim Festival, bis seine Musik – eine Mischung aus Soul, Hip-Hop, Pop und Funk – so weit gereift war, dass er offiziell beim Festival auftreten durfte.

Jacob Dinesen ist auf dem Festival aufgewachsen (Archivfoto). Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Ein Kind des Festivals ist der in Dyrhus bei Tondern aufgewachsene Jacob Dinesen, der zu einem gefragten Rocksänger in Dänemark geworden ist, der vor ausverkauften Häusern spielt. Steht er nicht auf der Bühne, mischt Dinesen sich immer unters Volk. Dort trifft er auch seinen musikalischen Mentor Allan Taylor. Beim Jubiläumsfestival darf der 28-jährige Songwriter und Sänger nicht fehlen. 

Der Sprung von den kleinen auf die großen Bühnen

Das Festival hat in den vergangenen 50 Jahren den Sprung von den kleinen auf die großen Bühnen geschafft. Nach der Einführung des neuen Konzepts steht in diesem Jahr eine zweite „Revolution“ ins Haus. In diesem Jahr beginnt das Festival (21.-24. August) nicht donnerstags, sondern bereits am Mittwoch. Das letzte Konzert findet am Sonnabendabend statt. So kommt es im Laufe des Sonntags offenkundig zur Abreise vieler Festivalgäste, da sie Montag wieder zur Arbeit müssen. Ihnen bleibt so am Sonntag Zeit zum Regenerieren. 

 

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