Keine Jamaika-Neuauflage

Aminata Touré – Die neue starke Frau der Grünen in SH

Aminata Touré – Die neue starke Frau der Grünen in SH

Aminata Touré – Die neue starke Frau der Grünen in SH

SHZ
Kiel
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Aminata Touré traut sich in einer möglichen schwarz-grünen Regierung in SH eine herausgehobene Rolle zu. Foto: Staudt/shz.de

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Die Grünen wollen nicht mehr mit der FPD. Aminata Touré fand nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen klare Worte. Doch wie tickt eigentlich die Frau, die so erheblichen Anteil am grünen Erfolg bei der Landtagswahl hatte?

Das war’s mit einer Neuauflage der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Nach mehrstündigen Sondierungen der drei Parteien am Donnerstag lehnten insbesondere die Grünen ein erneutes Bündnis mit der FDP ab. Aminata Touré fand dafür auf Twitter deutliche Worte.

Details sind nicht bekannt, aber die inhaltlichen Differenzen waren offenbar einfach zu groß. Weitere Gespräche darüber hinaus hätten sich laut Daniel Günther deshalb nicht gelohnt. Die Grünen wollen nach dem Erfolg bei der Landtagswahl mehr.

Gut fünf Prozent hat die Partei zugelegt und dabei die SPD deutlich hinter sich gelassen. Zwar zeigen die Wählerwanderungen auch, dass auch die Grünen an Wahlsieger Daniel Günther Wähler verloren haben. Aber Touré suchte sich schon da lieber die positiven Aspekte des Ergebnisses heraus, wie etwa, dass die Grünen vor allem bei den Jungwählern so erfolgreich waren – ein Aspekt, den sich auch die 29-Jährige auf die Fahnen schreiben kann.

Aufgewachsen in Flüchtlingsunterkunft in Neumünster

Denn noch immer ist die Frau, die in einer Flüchtlingsunterkunft in Neumünster aufwuchs, anders als andere – und das eben nicht nur wegen ihrer Hautfarbe und ihrem massiven Kampf gegen Rassismus. Touré spricht anders als andere. „Krass“ ist immer noch eines ihrer Lieblingswörter. Und sie sagt eben auch mal „verkacken“ oder „abgefuckt“ – und es wirkt doch irgendwie authentisch.

Dabei hat sie sich gut unter Kontrolle. Als Landtagsvizepräsidentin beherrscht sie auch leisere Töne. Sie hat einen Bestseller über ihr Leben in der Politik geschrieben und bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Aber ihr Fokus ist in Schleswig-Holstein und als leidenschaftliche Parlamentarierin hat sie in ihren ersten fünf Jahren im Landtag das Verhandeln gelernt.

„Traue mir herausgehobene Rolle in Regierung zu“

Und auch bei den Sondierungsgesprächen mischte die 29-Jährige jetzt kräftig mit. Denn natürlich wird der Generationswechsel auch nach der Wahl weitergehen. Und für den steht keiner mehr als Touré. In welche Rolle sie sich in einer möglichen schwarz-grünen Koalition sieht, sagt sie nicht. Nur so viel: „Ich kann mir eine herausgehobene Rolle in der Regierung, aber auch in der Fraktion vorstellen und traue mir das auch zu.“ Bislang hat Touré sich als Innen- und Sozialpolitikerin profiliert. Doch welches zusätzliches Ministerium die Grünen in einer kommenden Regierung bekämen, ist noch lange nicht ausgemacht.

In der Fraktion werden die Grünen eine starke Hand brauchen. Eka von Kalben, die den Laden zehn Jahre geführt hat, tritt ins zweite Glied zurück. Gut möglich, dass Touré sie ersetzen wird. Unter den 14 Abgeordneten der Fraktion sind neun Neulinge, wenn Heinold im Kabinett bleiben und ihr Mandat zurückgeben sollte, wären es sogar zehn.

Die anderen Fraktionen – und nicht zuletzt die CDU – schauen mit ein bisschen Argwohn auf die neuen Abgeordneten, von denen sie nicht so genau wissen, ob die jetzt angesichts des guten Wahlergebnisses durchregieren wollen. Da wird es eine durchsetzungsstarke Fraktionsvorsitzende brauchen, die ihren Leuten den Sinn für das Machbare aufzeigen kann.

Vom bunten Vogel zur seriösen Nachwuchspolitikerin

Touré kann das. Sie hat ein klares Machtbewusstsein, und ihr Selbstbewusstsein scheint durch den Wahlkampf noch einmal gestiegen zu sein. Als sie vor fünf Jahren in den Landtag nachrückte, waren sie und ihr Partei-Freund Lasse Petersdotter die bunten Vögel im Parlament, die durch ihre Kleidung, ihren neuen Ton und nicht zuletzt durch ihre Tattoos auffielen.

Es gab nicht wenige Leute in den bürgerlichen Parteien, die die beiden mit Argwohn betrachtet haben. Spricht man heute mit diesen Leuten, sind die meisten ganz begeistert von den beiden Nachwuchspolitikern, die sich als seriös und zuverlässig erwiesen haben und deswegen in einer neuen Koalition eine stärkere Rolle spielen würden.

Vor allem, dass Touré bei der Debatte um das Abschiebegefängnis in Glückstadt die Linie der Jamaika-Koalition mitgetragen hat, obwohl sie immer gegen die Einrichtung war, hat ihr viel Respekt eingetragen. Und dass sie den Mut hatte, die Linie auch im Landtag zu verteidigen, noch viel mehr.

Grüne lassen sich nicht unterbuttern

Doch eines ist auch klar. „Wir haben gezeigt, dass wir uns nicht unterbuttern lassen“, sagt Touré. Das gelte auch für eine mögliche schwarz-grüne Koalition, in der die Grünen für klima- und sozialpolitische Ziele stünden.

Darunter auch solche, die den Unionspolitikern gar nicht schmecken werden – wie die Solardachpflicht für alle neuen Gebäude oder das Tempolimit auf Autobahnen oder die Mietpreisbremse sowie Bau von Windkraftanlagen auf drei Prozent der Landesfläche.

Das alles würde nicht leicht, zumal die CDU von Daniel Günther darauf verweisen kann, dass die mehr als doppelt so viele Prozentpunkte hinzugewonnen hat wie die Grünen. Denn auch die Unionspolitiker wissen, dass die Grünen ihre neue Konkurrenzpartei wird, gerade in den Städten, in denen die Grünen drei Direktmandate geholt haben.

Touré – Das neue Gesicht der Grünen

Das weiß auch Touré. Und deswegen wird es vor allem ihr Job sein, als das künftige Gesicht der Grünen in Schleswig-Holstein auf der einen Seite ihrer Basis eine schwarz-grüne Koalition zu verkaufen – auf der anderen Seite aber auch das eigene Profil zu schärfen und einen gesellschaftlichen und personellen Gegenentwurf zu Daniel Günther zu liefern.

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