Familie

Annegreth Brodersen erklärt, wobei Kinderyoga hilft

Annegreth Brodersen erklärt, wobei Kinderyoga hilft

Annegreth Brodersen erklärt, wobei Kinderyoga hilft

Mira Nagar/shz.de
Handewitt
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Nicht nur Stillsitzen: Angebote für Kinderyoga gibt es auch in Flensburg. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Seifenblasen und Tigerfauchen statt meditativer Stille: Kinderyoga ist ganz anders als Kurse für Erwachsene – und kann bei Konzentration und Motorik helfen, erklärt eine Yogalehrerin aus Handewitt.

Für Lehrerin Annegreth Brodersen war schnell klar: Diese erste Klasse ist noch nicht so weit. „Es gab Hürden im Lernprozess“, erklärt die 41-Jährige. Doch statt Nachsitzen und Pauken entschied sich die Handewitterin, einen anderen Weg zu gehen – mit Kinderyoga.

In Absprache mit der Schule in Bov habe sie einen Kursus als Kinderyoga-Trainerin gemacht und dann ein Jahr lang täglich mit den Schülern geübt. Mal 20 Minuten, mal eine halbe Stunde. „Die Kinder mussten erstmal verstehen, was es heißt, Schüler zu sein“, erklärt Brodersen. Sie ist überzeugt: Yoga hat ihnen geholfen, weniger ablenkbar zu sein. Bei einem Lesetest habe sich dann gezeigt: Ihre Schüler waren so gut wie die Parallelklasse – obwohl ihnen „klassische“ Unterrichtszeit fehlte. „Da war ich von den Socken“, sagt Brodersen.

Kinderyoga ist anders

Kinderyoga läuft anders ab als Erwachsenen-Übungen. „Ziel ist es nicht, dass überdrehte Kinder zu stillen Mäuschen werden“, sagt Brodersen. „Sondern es soll jeder individuell bleiben und jeder ist richtig, so wie er oder sie ist.“

Die Atemübungen „Pranayama“ gibt es beispielsweise in anderer Form. Der Atem wird beim Pusten einer Seifenblase „langgezogen“, und es wechseln sich ruhigere und aktive Übungen ab. „Wir sind mal laut und mal leise“, erklärt Brodersen. „Für manche Kinder ist es schon eine Herausforderung, sich hinzulegen und die Augen zu schließen.“

Wie bei Erwachsenen gibt es aber auch kleine „Rituale“ im Ablauf. „Es gibt eine Begrüßung mit einem Thema, zum Beispiel Mut“, erklärt Brodersen. Mit Fragen wie: „Wann hast du dich das letzte Mal mutig gefühlt?“ Oder: „Wo fühlst du Mut im Körper?“ Meist komme als Antwort: Im Herzen. Die Stunde beschäftigt sich dann mit Übungen, die das „Herz öffnen“: Rückbeugen und Dehnungen der Brustmuskulatur.

Wissenschaftliche Studien und Kritik

Kinderyoga wird von Kritikern zuweilen als „Hype“ für Gutverdiener-Muttis angesehen, die ihren Nachwuchs in wenig kindgerechte Stunden schleppen, weil es ihnen selbst gut tut. „Yoga ist nicht für Kinder erschaffen worden, die ganz natürlich dehnbar, flexibel und in Bewegung sind. Die ganz natürliche Ruhephasen haben und die nicht zu sich kommen müssen, weil sie nie anderswo waren“, ätzt ein Vaterblogger auf seiner Seite „Papalapapi“. Er finde Kinderyoga „einfach nur behämmert. Kinder sollen nach draußen und Purzelbäume machen, im Schlamm spielen und auf Bäume klettern“.

Tatsächlich sind wissenschaftliche Studien zum Thema Kinderyoga eher rar gesät. Aus der Sportwissenschaft an der Uni Flensburg möchte sich aufgrund der Datenlage niemand äußern, so Unisprecherin Kathrin Fischer. Entwicklungspsychologin Andrea Kleeberg-Niepage bleibt bei einer allgemeinen Einschätzung: „Es gibt in der Tat valide Studien zum Zusammenhang zwischen Bewegung allgemein und kognitiven Leistungen wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Sprachentwicklung und Problemlösen.“

Yoga in der Schule?

Doch gibt es mehr als nur einen „Anfangsverdacht“, dass Yoga bei Konzentrationsstörungen helfen kann? „Insgesamt erweist sich das Yoga-Training als spezifisch wirksames alternatives beziehungsweise zusätzliches Therapieverfahren bei Kindern mit ADHS mit mittleren bis hohen Effektstärken“, heißt es in einem Bericht in der Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, den das Ärzteblatt zitiert. Eine Metastudie, die Angstreduzierung durch Yogaübungen bei Kindern untersucht hat, legt nahe, dass weitere Untersuchungen nötig seien, um die in Einzelstudien wahrgenommenen Effekte wissenschaftlich fundiert zu belegen.

Yoga ist in Schulen bislang nicht das Mittel der Wahl gegen Konzentrationsstörungen. Und auch als motorische Übungen sind die „Asanas“ in Schleswig-Holstein bislang nicht im Unterricht angekommen. Es sei aber möglich, Elemente davon in den Sportunterricht einfließen zu lassen, erklärt David Ermes, Sprecher des Bildungsministeriums, da sie die Vorgabe erfüllen: „Die Schülerinnen und Schüler lösen Bewegungsaufgaben auf der Grundlage ihrer konditionellen und koordinativen Fähigkeiten.“  Es gebe allerdings keine expliziten Vorgaben. Das entscheiden die Lehrkräfte selbst. 

Annegreth Brodersen ist jedenfalls von der positiven Wirkung überzeugt, auch davon, dass die angeleitete Bewegung nicht wie im Sportunterricht benotet wird oder auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Ob ihre hibbelige erste Klasse auch ohne Yoga konzentrierter geworden wäre, kann sie nicht genau sagen – aber fest stehe, dass sie Spaß an der gemeinsamen Bewegung hatten. Und auch an der Stille zwischendrin.

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