Gefährliche Keime in der Klinik

Deutlich mehr Patienten in SH infizieren sich bei Aufenthalt im Krankenhaus

Deutlich mehr Patienten in SH infizieren sich bei Aufenthalt im Krankenhaus

Patienten infizieren sich bei Aufenthalt im Krankenhaus

SHZ
Kiel
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Trotz verschärfter Hygienevorschriften durch Corona: Die Gefahr, sich im Krankenhaus mit gefährlichen oder multiresistenten Keimen anzustecken, ist gewachsen. Foto: Imago Images/photothek

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Trotz verschärfter Hygienemaßnahmen durch Corona haben sich in Krankenhäusern in SH mehr Menschen mit gefährlichen Keimen infiziert .

Eigentlich soll man im Krankenhaus ja gesund werden. Doch jedes Jahr fangen sich bis zu 20000 Patienten in schleswig-holsteinischen Kliniken eine sogenannte nosokomiale Infektion ein. Bis zu 500 Betroffene sterben an einer solchen Krankenhausinfektion.

Wegen der hohen Hygienemaßnahmen in Coronazeiten waren Experten davon ausgegangen, dass die Zahl der Infektionen zurückgeht. Zumal auch in den ersten Pandemiemonaten Operationen verschoben und deshalb weniger Patienten behandelt worden waren.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Situation hat sich verschärft. Bis Ende des Jahres 2020 gab es in Schleswig-Holstein bis zu 1000 zusätzliche Infizierte und rund 40 weitere Todesfälle aufgrund einer nosokomialen Infektion. Das geht aus dem aktuellen Barmer-Krankenhausreport hervor.

So erklärt die Barmer-Kasse die Entwicklung

„Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass die Zahl der Infektionen während der Pandemie und den damit verbundenen strengen Hygienevorschriften zugenommen hat. Doch gerade während der ersten Welle lagen vor allem ältere Menschen auf den Stationen, die deutlich anfälliger für Infektionen sind“, erklärt Bernd Hillebrandt, Barmer-Landeschef in Schleswig-Holstein.

Hinzu komme die hohe Arbeitsbelastung für das Klinikpersonal, dem es besonders in der ersten Welle mitunter auch an Schutzausrüstung mangelte.

Bundesweit stieg die Zahl der Fälle um 34.000 an. Selbst wenn man die Patientenstruktur mit den vielen älteren Coronafällen herausrechnet, kommt der Report auf einen Anstieg des Infektionsgeschehens um fast zehn Prozent in der ersten Pandemiewelle und um 17,5 Prozent in der zweiten Welle bis Ende 2020.

Die benannten Hygienedefizite in Krankenhäusern seien keine Kritik am Pflegepersonal oder an Ärzten, so Hillebrandt weiter. Sie leisteten Enormes, das hätten sie in der Corona-Pandemie erneut unter Beweis gestellt.


Mehr Probleme mit nosokomialen Infektionen

Wie aus dem Report der Krankenkasse, für den fünf Millionen Stichproben ausgewertet wurden, weiter hervorgeht, kam es in den Jahren 2017 bis 2019 durchschnittlich in rund 5,6 Prozent der Fälle zu einer nosokomialen (einer im Krankenhaus bei anderer Behandlung entstandenen) Infektion.

Unmittelbar zu Beginn der Pandemie stieg dieser Wert auf 6,8 Prozent an, was einem Zuwachs von über 20 Prozent binnen weniger Wochen entspricht. Um das Problem der Krankenhausinfektionen in den Griff zu bekommen, fordert Hillebrandt einen Masterplan für mehr Hygiene, der unter anderem eine intensive Auseinandersetzung mit Klinikhygiene in der pflegerischen und ärztlichen Ausbildung beinhalte.

Die Pandemie habe Defizite aufgezeigt. Hygienestrukturen und Hygienestandards gelte es „mehr denn je“ und über Covid-19 hinaus auszubauen und in der Aus- und Weiterbildung fest zu verankern.

Bakterien als Hauptproblem

Auf Krankheitsgeschehen wie bei einer Pandemie müsse man besser vorbereitet sein, fordert Hillebrandt. Die Einhaltung der Hygienestandards sollte aus Sicht der Kasse deshalb auch durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) stärker als bisher unangekündigt überprüft werden.

Erreger von Krankenhausinfektionen sind nach den Angaben der Kasse vor allem Bakterien. In mehr als 71 Prozent der Fälle sind sie in Krankenhäusern die Ursache für eine Infektion, gefolgt von Viren mit 21 Prozent sowie Pilze und Parasiten.

Die meisten Infektionen entstünden bei Harnwegs- und Atemwegsinfektionen. Behandelt werde mit Antibiotika. Krankenhausinfektionen sind vor allem dann gefährlich, wenn sie von multiresistenten Erregern ausgelöst werden, zum Beispiel Staphylokokken (MRSA).

Diese sind gegen fast alle bekannten Antibiotika resistent, was die Behandlungsmöglichkeiten deutlich einschränkt. 15.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an einer solchen Infektion – im letzten Jahr waren es sogar mehr als 16.000.

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“