Swetlana Krätzschmar

Ehemalige Flensburger Stadtpräsidentin sieht Versäumnisse bei der Ukraine

Ehemalige Flensburger Stadtpräsidentin sieht Versäumnisse bei der Ukraine

Ehemalige Stadtpräsidentin sieht Versäumnisse der Ukraine

SHZ
Flensburg
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Swetlana Krätzschmar, ehemalige Stadtpräsidentin Flensburgs. Ihr wurde 2019 die Ehrendoktorwürde der Uni Pensa (Russland) überreicht. Foto: privat/shz.de

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Swetlana Krätzschmar bringt erneut Volksabstimmungen als Lösung in der Auseinandersetzung von Russland und der Ukraine ins Spiel. Und sie rät im Sinne des Friedens, auf einen ehemaligen Kohl-Vertrauten zu hören.

Nach der Anerkennung der Regionen Donezk und Lugansk als Volksrepubliken durch die russische Duma bleibt Swetlana Krätzschmar dabei: „Mein Wunsch wäre eine Volksabstimmung in den betreffenden Gebieten unter internationaler Aufsicht mit der Option, dass sich Gebiete entweder ganz oder teilweise der Ukraine oder Russland anschließen können, da sie von der Größe her als selbstständige Staaten nur schwer überleben könnten.“

Den Gedanken einer entsprechenden internationalen Einrichtung für Fragen wie diese hatte die ehemalige Stadtpräsidentin von Flensburg schon am Ende ihrer Amtszeit 2018 geäußert. Die Ukraine sollte jetzt, getreu dem Motto „Abstimmen ist besser als Gewalt“, sagt Krätzschmar, bei Volksabstimmungen unter internationaler Aufsicht in den Gebieten Lugansk und Donezk aktiv mitwirken.

Die Diplom-Mathematikerin kam 1954 in Nikolajew (ukrainisch: Mykolajiw) zur Welt. Das Land ihrer Geburt und ihres Uni-Abschlusses 1977 „hieß Sowjetunion, der Nationalstaat Ukraine“, erklärt sie.

Aufgewachsen sei sie unweit von Odessa, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, „einer von der russischen Kultur geprägten Stadt“. Auch ihre Erziehung mit einem Vater, der Philosophie und Geschichte, in Sankt Petersburg, damals Leningrad, studiert hatte, habe einen russisch-kulturellen Hintergrund. „Hass auf andere Nationalitäten ist mir fremd gewesen“, betont sie.

Ihr 1985 verstorbener Vater hätte es für völlig abwegig gehalten, dass sich „Ukrainer und Russen zu den Lebzeiten seiner Tochter einmal feindlich gegenüberstehen würden“. Unter Russen und Ukrainern, die wie ihr Vater im Zweiten Weltkrieg in Stalingrad Seite an Seite kämpften, gab es keinen Hass, sagt Krätzschmar.

Der Ukraine wirft sie vor, „volle sieben Jahre ungenutzt verstreichen“ zu lassen, um das Minsker Abkommen von 2015 umzusetzen und die darin „vereinbarten Autonomieregelungen für die mehrheitlich von russischstämmigen Bürgern bewohnten Gebiete in der ukrainischen Verfassung zu verankern“. Man habe stattdessen das Gegenteil getan, indem die Neutralität aufgegeben und das Bestreben auf eine Nato-Mitgliedschaft Verfassungsrang erhielt.

Zudem habe die Ukraine massiv in Armee und Rüstung investiert mit Hilfe von „Milliardenzahlungen aus der EU“. Vor diesem Hintergrund müsse man sich fragen, ob die Ukraine noch an der Umsetzung des Minsker Abkommens oder eher an der Rückeroberung der Separatistengebiete interessiert sei. „Vorstellbar ist“, sagt Swetlana Krätzschmar, „dass Putin einer 'Rückeroberung' und dem damit verbundenen Blutvergießen in der Zivilbevölkerung zuvorkommen wollte.“

Horst Teltschik und die Alternativen zum Krieg

Die Stadtpräsidentin a.D. hält es mit Horst Teltschik, wenn es um die Reaktion des Westens geht. Dieser sollte nun „dringend Verhandlungen über die Abrüstung und die Rüstungskontrolle führen“, zitiert sie den ehemaligen Kohl-Vertrauten, und eine europäische Freihandelszone auf die Agenda setzen. Hier spreche die Vernunft, lobt Krätzschmar. „Einer wie Horst Teltschik zieht nicht in den Propagandakrieg, sondern hört zu, wägt ab und benennt Alternativen – Alternativen zum Krieg.“

Die Bildungspolitikerin, die nach vielen Jahren in der CDU 2018 die Partei verließ, bleibt politisch interessiert und informiert. So hat sie den Vorsitz des Pensa-Flensburg-Vereins e.V. übernommen, der im letzten Jahr gegründet wurde, um die langjährige Zusammenarbeit mit der russischen Stadt Pensa auf eine solide Grundlage zu stellen, erläutert sie. „Das ist mein Beitrag für ein besseres Verhältnis zu Osteuropa – man muss die Bürger zusammenbringen.“

Genau darin bestünde auch der Beitrag zum Frieden, sagt Swetlana Krätzschmar. „Die Städtefreundschaft mit Pensa soll die Freundschaft auf zivilgesellschaftlicher Ebene befördern, und gerade in schwierigen Zeiten sollten wir Kontakte pflegen und miteinander reden.“

Am 80. Todestag von Stefan Zweig zitiert die Flensburgerin Worte des Schriftstellers und Pazifisten, die nachdenklich stimmen sollten: Der Frieden in Europa sei auch deshalb zerbrochen, habe Zweig geschrieben, weil es keine Stadt und keine Gruppe gab, „die nicht der Hysterie des Hasses“ verfallen sei.

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