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Erreichbare Kinder: Wie das Handy uns Sorgen macht, statt sie zu nehmen

Erreichbare Kinder: Wie das Handy uns Sorgen macht, statt sie zu nehmen

Wie das Handy uns Sorgen macht, statt sie zu nehmen

Sina Wilke/shz.de
Flensburg
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Statt uns zu beruhigen, macht uns das Handy unruhiger Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Beruhigend, wenn wir dank Handy immer wissen, was unser Kind gerade tut? Von wegen! Die ständige Erreichbarkeit steigert die Sorge.

Nein, Handys sind nicht nur furchtbar. Sie sind genial und furchtbar zugleich, das weiß jedes Kind. Aber eines dämmert uns inzwischen auch: Die Angst um dasselbe ist mit den kleinen schlauen Dingern gestiegen.

Stromerte die Jugend früher noch stundenlang allein durch die Gegend, ohne dass die Eltern wussten – oder wissen wollten – wo Michael, Stefan oder Sabine sich herumtrieben, darf man heute auf keinen Fall vergessen, Mutti Bescheid zu sagen, wenn ihr Sohn mit dem Fahrrad zum Spielbesuch eingetroffen ist – sonst sitzt sie wartend vor ihrem Handy und fragt sich bange, wieso um alles in der Welt ihr Kind für die zwei Kilometer so lange braucht.

Die Tracking-App ortete das Handy irgendwo in der Feldmark

Neulich schwitzten eine Freundin und ihr Mann Blut und Wasser, weil sie ihre Tochter nicht erreichen konnten. Die beiden waren bei einer Feier, während die Tochter mit dem Fahrrad von Freunden nach Hause fahren sollte – doch sie meldete sich nicht und die Tracking-App ortete ihr Handy irgendwo in der Feldmark. Die Eltern waren drauf und dran, sie zu suchen, als das Mädchen schließlich doch ans Telefon ging – es fläzte zu Hause auf dem Sofa und hatte ausnahmsweise mal nicht sein Smartphone zur Hand gehabt.

Längst ist klar, dass die ständige Erreichbarkeit Ängste eher nährt statt sie zu besänftigen. Als mein Bruder nach dem Abitur durch Südamerika reiste, rief er uns alle paar Wochen an, ab und zu kam ein Brief. Als ich nach dem Abitur durch Südamerika reiste, gab es immerhin schon Internetcafés, so dass ich regelmäßig eine Mail schreiben konnte. Dass unsere Eltern sich übermäßig Sorgen gemacht hätten, ist mir nicht bekannt.

Heute verschicken die jungen Reisenden Fotos in Echtzeit aus Australien oder Bali, und wenn sie ein paar Stunden offline sind, knabbern ihre Familien schon an den Nägeln. Und jetzt? Ich würde sagen: das Handy weglegen und den Kindern vertrauen. Wie es ihnen geht, können sie erzählen, wenn sie wieder zu Hause sind. Genial.

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