St. Nicolaiheim Sundsacker

Erschöpft und voller Eindrücke: Die Helfer aus der Eifel sind zurück

Erschöpft und voller Eindrücke: Die Helfer aus der Eifel sind zurück

Erschöpft: Die Helfer aus der Eifel sind zurück

SHZ
Kappeln/Gemünd
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Erschöpft, aber glücklich: Der Hilftrupp des Vereins St. Nicolaiheim Sundsacker kurz von der Abfahrt Richtung Heimat. Foto: Privat/shz.de

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Finja Jensen, Christin Nölle und Najomi Eberhardt berichten von ihrem Hilfseinsatz im Flutkatastrophengebiet. Viele von ihnen wollen am liebsten gleich wieder los.

Sie sind zurück, alle wohlbehalten, aber auch sichtlich berührt. Erschöpft und ergriffen von dem, was sie in den vergangenen Tagen, vor allem aber in den vergangenen 72 Stunden erlebt haben: Die Mitglieder des Hilfstrupps, der sich spontan am Freitag von Kappeln aus auf den Weg nach Bad Münstereifel gemacht haben.

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Innerhalb einer Woche hatte sich in den Reihen des Vereins St. Nicolaiheim Sundsacker eine Gruppe von 18 Helfern gebildet. Mit insgesamt sechs Fahrzeugen samt Anhängern und Wohnwagen fuhren sie los, morgens um 2.30 Uhr kamen sie an. Am Morgen gegen 7 Uhr wurden sie eingeteilt. Ein Team brach auf Richtung Schleiden, um dort beim Freiräumen der verschlammten Keller zu unterstützen, ein Trupp Handwerker machte sich mit einem anderen sechsköpfigen Team und vielen Gerätschaften auf nach Odendorf.


Wieder andere fuhren Sachspenden in den angrenzenden Ort Gemünd und standen bei Shuttle-Bedarf bereit, um Helfer in die wenig zugänglichen Teile der Stadt zu befördern. Dann folgte ein Hilferuf aus Gemünd, wo der Bedarf so groß war, dass sich innerhalb kürzester Zeit das gesamte St.-Nicolaiheim-Team dort einfand, um zu unterstützen. „Was für eine Zerstörung. Hier ist die brachiale Naturgewalt an jeder Ecke erschreckend offensichtlich“, berichtet Initiatorin Najomi Eberhardt schon am ersten Abend: „Wir sind erschöpft, müde, verdreckt, aber stolz auf das Geleistete und bereit für einen weiteren Tag morgen.“

Erlebnisse, die zusammenschweißen

Mit dabei waren auch Finja Jensen und Christin Nölle. Finja Jensen arbeitet im „Klabautermann“, einem Wohnheim für Erwachsene in Rabel, Christin Nölle in der Kinder- und Jugendgruppe Haus Schleiblick. Sie kannten sich vorher nicht und wirken nach diesem Wochenende, als wenn sie schon jahrelang befreundet wären. Finja Jensen hatte den mit Solaranlage ausgestatteten Wohnwagen gestellt: „Damit wir autark waren, so hatten wir manchmal Strom und eine Toilette.“


Beide sind überwältigt von dem Ausmaß der Zerstörung, aber auch von dem Zusammenhalt der Menschen. „Als wir ankamen, dachte ich erst, es ist ja alles gar nicht so schlimm. Und dann, nur wenige Meter weiter, war es wie im Kriegsgebiet. So muss es aussehen, wenn Bomben eingeschlagen haben“, sagt Christin Nölle. Den Sonnabend hatten sie damit verbracht, Gegenstände aus den Bäumen zu sammeln. „Wir haben eine Plastiksandkiste, Brennholz, aber auch Schuhe, Rucksäcke und viele Fotos gefunden“, berichtet Finja Jensen.


Ein bisschen mulmig sei ihnen auch gewesen. Die Angst, auf Tote oder auch Körperteile zu stoßen, war nicht unbegründet. „Wir wussten ja, wie viele Menschen gestorben und wie viele zu diesem Zeitpunkt auch noch vermisst sind“, sagt Finja Jensen. Christin Nölle bestätigt: „Unsere Vereinspsychologin Nadine Havenstein-Engel war mit, aber zum Glück kam sie beruflich nicht zum Einsatz. Sie hat aber anders fleißig mit angepackt.“

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Besonders berührt waren die beiden Helferinnen, als sie am Sonntag von einer Bundeswehrsoldatin erst gleich erkannt ( „Ach, ihr seid die aus dem Norden! Von euch haben wir schon gehört!“) und dann zu einem älteren allein stehenden Mann geschickt wurden, dem das gesamte Erdgeschoss weggespült worden war. Er hauste seit Tagen im Obergeschoss seines Hauses, hatte keine Nahrungsmittel und kein Trinkwasser und schien von der Situation völlig überfordert.

Mann wollte keine Hilfe annehmen

„Wir fanden den Mann, der hager und verloren in seinem verschlammten Hauseingang stand und stumm auf das Geschehen um sich herum blickte. Zersplitterte Reste seiner Haustür hingen noch in den Angeln“, beschreibt Finja Jensen. Er habe bescheiden abgewunken: „Gehen Sie zu den jungen Familien! Die brauchen das viel mehr als ich!“ Christin Nölle sagt: „Er wollte unsere Hilfe nicht annehmen, wir muss sie ihm fast aufzwingen.“

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Innerhalb kürzester Zeit wurden ein Radlader und ein Bagger organisiert, so wurde die zerstörte Terrasse entfernt, Trümmer beseitigt, Bäume zersägt und viel an Treibgut, Geäst und Möbeln weggeräumt. „Der Lieblingsbegriff unseres Trupps hieß ‚Kette’. Die haben wir schnell gebildet und damit unglaublich viel weggeschafft, das dann direkt abtransportiert wurde“, erklärt Finja Jensen. Der Mann sei so ergriffen gewesen, von der Hilfe, die ihm zuteil wurde. „Er hat geweint.“


Für den Mann wurde dann noch ein Trinkwasservorrat, Konservennahrung für mindestens 14 Tage und ein Eimer voller Obst organisiert. Außerdem blieb eine Kochgelegenheit und ein Notstromaggregat für ihn da. Parallel vermittelte ihm die Initiative wirhelfendereifel.de, mit der der Kappelner Hilfstrupp vor Ort zusammen gearbeitet hatte, im Hintergrund eine Patenschaft für den Mann. „Als wir uns nachmittags wieder auf den Weg zu unserem Basislager machten, wurden wir winkend von den Nachbarn und anderen Helfern verabschiedet: ‚Und wann immer ihr in der Nähe seid, kommt vorbei!’“, berichtet Finja Jensen.

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„Es war Wahnsinn. Die Stimmung dort besonders. Es wird angepackt, es wird geholfen. Wer etwas hat, gibt davon ab. Alle paar Minuten kam jemand vorbei. Ein kleiner Junge, der mit seinem Bollerwagen Naschis verteilt hat. Oder eine Frau, die mit ihrer Enkelin Kaffee und Kekse zu den Helfern gebracht hat“, beschreibt Christin Nölle.

Die Menschen sind in einer Art Trance

„Klar, es ist uns bewusst, dass alles nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war“, sagt Finja Jensen. „Aber für die Menschen dort, war es ein Geschenk. Sie sind immer noch in einer Art Trance. Es ist so unwirklich, wenn du aus dem Fenster guckst und dein 2,5 Tonnen schwerer SUV wegschwimmt“, versucht sie zu beschreiben. Fotos von den Aufräumarbeiten haben sie „aus Respekt vor der emotional sehr angespannten Situation der Leidtragenden“ nicht gemacht. Und darum ging es ja am Ende auch nicht.


„Drei Tage miteinander unter teilweise sehr herausfordernden Bedingungen haben aus einem Haufen Mitarbeiter und Beschäftigten eine eingeschworene Truppe gemacht“, beschreibt Najomi Eberhardt und bedankt sich bei ihren Mitreisenden. „Ich könnte Bücher füllen um zu beschreiben, wie sehr mich eure Hilfsbereitschaft, euer Engagement, eure Kraft und Mut und Energie berührt“, schreibt sie in die Gruppe. Finja Jensen und Christin Nölle sind Teil der eingeschworenen Truppe und sich einig: Wenn es irgendwie geht, wollen sie bald wieder hin und weiter mit anpacken.


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