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Experten fordern: Stoppt die Werbung für Süßes!

Experten fordern: Stoppt die Werbung für Süßes!

Experten fordern: Stoppt die Werbung für Süßes!

Sina Wilke/shz.de
Flensburg
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Kinder essen zu viel Süßes - die Werbung preist es an. Foto: www.imago-images.de

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Immer mehr Kinder leiden an Übergewicht und Adipositas. Experten fordern deshalb ein Werbeverbot für Cola, Chips & Co, wenn Kinder zuschauen. Wie die auf Kinder ausgerichtete Werbung für Süßigkeiten und Fertigprodukte Kinder krank macht.

Der Schokoriegel in dem Fernsehspot sieht so lecker aus – „Mama, kann ich den haben?“ Die Versuchung ist groß, wenn die Werbung Kindern Süßigkeiten anpreist. Damit muss endlich Schluss sein, sagen Experten. „Die verführerische Reklame für süße, fette und salzige Lebensmittel macht Kinder krank“, warnt Kinderarzt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.

Deshalb fordern Forschungsinstitute und die Verbraucherzentrale, Kindermarketing für Ungesundes konsequent einzuschränken: Spots für Chips, Cola & Co. sollen zwischen 6 und 23 Uhr weder im Fernsehen, noch auf jugendaffinen Kanälen und sozialen Medien gezeigt werden, und auch um Schulen und Kitas herum solle auf Plakaten nicht dafür geworben werden dürfen.

Die Deutschen essen immer mehr Süßes und Fertignahrung

Denn diese Produkte machen zugleich krank und dick – und zwar schon die Kleinen: Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder fettleibig, zwischen 2011 und 2021 wuchs die Zahl der von Adipositas betroffenen sechs- bis 18-Jährigen um 34 Prozent. Übergewicht aber ist ein ernstes Problem nicht nur für die Gesundheit des Einzelnen, weil es das Risiko für zahlreiche Krankheiten von Diabetes über Herz-Kreislauf-Schwäche bis hin zu Dickdarmkrebs erhöht. Der Gesellschaft entstehen so nach Schätzungen der AOK 63 Milliarden Euro Gesundheitskosten im Jahr.

Doch obwohl wir heute so viel über gesunde Ernährung wissen wie nie zuvor, essen die Deutschen immer mehr Süßigkeiten und hochverarbeitete Lebensmittel. Der Konsum von Fertigmahlzeiten stieg in den letzten zwei Jahrzehnten von 2,2 auf 21,2 Prozent der Energiezufuhr eines Menschen. Und futterten die Deutschen 2014 noch 20 Kilo Süßwaren pro Kopf, waren es 2021 schon 23 Kilo.

Wer Werbung für Ungesundes schaut, isst mehr davon

Daran ist auch die Werbung schuld, sagt Koletzko. Die von unterschiedlichen Medien tagtäglich auf die Kinder einprasselnden Werbebotschaften fielen leider auf fruchtbaren Boden.

So zeigten Untersuchungen, dass Kinder, die Werbung für ungesunde Produkte sahen, diese häufiger konsumierten und öfter an Adipositas litten.

Besonders problematisch: Gerade Produkte mit Kinderoptiken wie lustigen Comicfiguren auf der Verpackung sind oftmals besonders ungesund. So hatten Joghurts, die gezielt Kinder ansprachen, einen höheren Zuckergehalt als der Durchschnitt vergleichbarer Produkte.

Foodwatch: Selbstverpflichtung, Kinderwerbung zu begrenzen, ist scheinheilig

Das Problem ist bekannt, doch viel passiert ist bisher nichts: Zwar gibt es mit der „EU Pledge“ eine freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie, ungesunde Kinderwerbung zu begrenzen, aber Foodwatch oder die Deutsche Diabetes-Gesellschaft bezeichnen diese als „Feigenblatt“, „scheinheilig“ und „Verbrauchertäuschung“.  So waren 2021 von 283 in deutschen Fernsehsendern an Kinder beworbenen Produkten 86 Prozent ungesund.

Man könne die Verantwortung für gesunde Ernährung aber nicht allein dem Individuum überlassen, fordern Ernährungs- und Gesundheitsexperten. Stattdessen müsse sich strukturell etwas verändern. Zum Beispiel bei der Werbung. Einen ersten Schritt hat die Bundesregierung getan: „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Wie der Gesetzentwurf, den Bundesernährungsminister Cem Özdemir für das erste Quartal versprochen hat, genau aussehen wird, ist aber noch unklar. Experten hoffen, dass er streng sein wird. „Denn die Datenlage zeigt glasklar“, sagt Koletzko: „Diese Werbung macht Kinder krank!“

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