Schleswig-Holstein

Femizide in SH: 32 ermordete Frauen in den vergangenen drei Jahren

Femizide in SH: 32 ermordete Frauen in den vergangenen drei Jahren

32 ermordete Frauen in den vergangenen drei Jahren

Inga Gercke/shz.de
Kiel
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Im Jahr 2020 wurden laut BKA 139 Frauen von ihren Partnern getötet. In Schleswig-Holstein wurden zwischen 2019 und 2021 insgesamt 32 Frauen von ihrem (Ex) Partner getötet. Foto: Christophe Gateau/shz.de

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Jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex)Partner getötet. In SH waren es in den vergangenen drei Jahren 32 ermordete Frauen. Doch die Erfassung dieser Femizide ist schwierig – so wie auch die Definition.

Thurayya A. aus Rendsburg wurde erstochen – unter Tatverdacht ihr Partner. Eine Frau aus Esgrus (Kreis Schleswig-Flensburg) wurde mit einem Medikamentencocktail vergiftet – unter Tatverdacht ihr Partner. Zwei Fälle in zwei Wochen. Bei beiden handelt es sich um sogenannte Femizide, also die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. So definiert es der es zumindest der Duden

Femizid – eine problematische Definition

Problematisch an dieser Definition findet Lena Mußlick vom Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein (LFSH), dass Täter und Tatmotiv darin fehlen.

„Die Frau stirbt, weil ein Mann sie tötet“, sagt sie. „Das heißt auch, dass die patriarchale Gewalt eigentlich im Fokus stehen müsste.“ Häufig gehe es darum, was Frauen tun könnten, um sich selbst zu schützen. „Aber wir müssen auch darüber sprechen, warum die Täter nicht eingeschränkt werden. In über der Hälfte der Fälle ist häusliche Gewalt schon vorher behördlich bekannt“, so Mußlick weiter.

Jeden dritten Tag eine Frau

Seit 2015 veröffentlicht das Bundeskriminalamt (BKA) eine eigene Statistik zur Gewalt in Partnerschaften. 2021 wurden laut BKA 113 Frauen von ihren aktuellen oder ehemaligen Partnern getötet – also jeden dritten Tag eine. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden 14 Männer in der Partnerschaft getötet.

Darum ist die Erfassung so schwirig

Eine dezidierte Erfassung von Femiziden gestaltet sich jedoch schwierig. Dazu sagt Carola Jeschke vom Landeskriminalamt Schleswig-Holstein (LKA): „‘Femizid’ wird als Begriff nicht ausgewertet, da dieser ja per Definition die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts beinhaltet und ein Motiv darstellt. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden aber nur objektiv feststellbare Fakten wie Delikte, Tatörtlichkeit, Stehlgut und so weiter erfasst“, so die LKA-Sprecherin. 

2019-2021: 32 getötete Frauen in SH

Diese Zahlen der Kriminalstatistik zeigen aber eines sehr deutlich: Frauen werden in Partnerschaften viel häufiger Opfer von Gewalt als Männer. In den Jahren 2019 bis 2021 wurden in Schleswig-Holstein insgesamt 32 Frauen von ihrem (Ex)Partner getötet (im gleichen Zeitraum sieben Männer). Im Jahr 2021 wurden in Schleswig-Holstein insgesamt 4994 Opfer von Gewalt in der Partnerschaft polizeilich registriert – 3.899 davon waren Frauen. In dieser Zahl stecken beispielsweise Körperverletzungen, Stalking oder Freiheitsberaubung.

Doch wer sind diese Männer, die Frauen Gewalt antun? „Das kann jeder sein“, so Lena Mußlick. Man könne es den Tätern nicht ansehen, ob sie Gewalt – egal ob physische oder psychische – an Frauen ausüben. „Das geht durch sämtliche soziale Schichten. Das kann auch der nach außen so offene und freundliche Mann sein.”

Eskalation und Abhängigkeit

Ein Femizid sei oft das Ende einer Eskalationsspirale. „Nicht selten sind Frauen schon jahrelang in einem Abhängigkeitsverhältnis gefangen“, sagt Mußlick. Das könne neben körperlicher Gewalt auch eine emotionale oder finanzielle Abhängigkeit sein. „Der erste Schlag ins Gesicht passiert in der Regel nicht beim ersten Date.“ Das schrittweise Aufbauen von systematischer Macht sei typisch. Versuche eine Frau dann aus der Situation, aus der Beziehung, zu fliehen, könne die Lage eskalieren. „Die Zeit rund um eine Trennung ist für Frauen – und ihre Kinder – die gefährlichste, weil Täter auf den drohenden Kontrollverlust zum Teil mit extremer Gewalt reagieren.“

Helfen könne vor allem Aufklärung und eine intensivere Zusammenarbeit unterschiedlicher Einrichtungen und Behörden. Lena Mußlick dazu: „Das ist wichtig, damit frühzeitig Gefahrensituationen erkannt werden und so Frauen im besten Fall schnell geholfen werden kann.“

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