Klimawandel

Flächenentsieglung und Begrünung: So wappnen sich Städte in SH gegen Starkregen

Flächenentsieglung und Begrünung: So wappnen sich Städte in SH gegen Starkregen

So wappnen sich Städte in SH gegen Starkregen

Carlo Jolly/SHZ
Schleswig-Holstein
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An der Trave rund um die Lübecker Altstadtinsel kommt es bei Starkregen und Hochwasser regelmäßig zu Überschwemmungen. Foto: Reinhard Steenbeck/SHZ

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Schleswig-Holsteins Städte bereiten sich auf häufigere Wolkenbrüche und Überschwemmungen vor. Das hat auch Folgen für Autofahrer und Hausbesitzer.

Diese Befürchtung der Kieler Stadtplaner dürften nicht nur die größeren Städte in Schleswig-Holstein teilen: Durch die Klimaveränderungen verteilen sich die Niederschläge in Zukunft über das Jahr ungleichmäßiger. Längere Hitze- und Dürreperioden im Sommer, insgesamt häufiger Extremwetterereignisse mit Starkregen und im Winter mehr Regen sind die Folge. Die drei größten Städte des Landes erklären, wie weit sie bei Fragen der Entsiegelung von Flächen sowie der Begrünung von Gebäuden und Verkehrsflächen bereits gekommen sind und was sie weiter planen.

Zum Beispiel Flensburg: Die Hafenstadt hat nicht nur regelmäßig mit Hochwasser rund um den Innenhafen zu kämpfen. Bei Starkregen sammelt sich der Niederschlag in der City zwischen den beiden Fördehängen in Minuten zu Sturzbächen wie zuletzt Ende Juli - oder in Lübeck rund um die Altstadtinsel, wo die Obertrave vor allem auf der Seite der Wallstraße sowie der Untertrave regelmäßig von Überschwemmungen betroffen sind.

Was also tun die Städte bereits und was planen sie weiter? Flensburg fördere Konzepte einer „blau-grünen Stadtentwicklung“, erklärt Rathaussprecher Clemens Teschendorf. Man unterstützen einen naturnahen Wasserkreislauf mit Versickerung und Verdunstung vor Ort. Das Regenwasser solle möglichst vor Ort gespeichert und genutzt werden, etwa mit der Begrünung von Dachflächen oder Fassaden und bewachsenen Versickerungsflächen im Stadtgebiet.

Flensburg: Begrünte Mittelstreifen

Neue Stellplätze für Autos müssten mit einem versickerungsfähigen Belag gebaut und für je vier Stellplätze ein Baum gepflanzt werden. So haben die Flensburger den Mittelstreifen der innerstädtischen Hauptverkehrsachse Süderhofenden/Norderhofenden entsiegelt und bepflanzt. Außerdem seien Stauden und Bäume im gesamten Stadtgebiet gepflanzt worden.

An der Schiffbrücke am Hafen seien Parkplätze auf versiegelter Fläche begrünt worden. Zwei Flächenmanagerinnen sollen nach Entsiegelungspotentialen im ganzen Stadtgebiet fahnden. Auch Verkehrsinseln und Schulhöfe sollten ökologisch aufgewertet werden.

In Lübeck arbeitet die Klimaleitstelle der Hansestadt bereits seit mehreren Jahren am Thema Dachbegrünung. Heute sei sie bereits ein wichtiger Standard bei der Neuplanung von Baugebieten, erklärt Stadtsprecherin Nina Rehberg: „Dazu soll in den nächsten Wochen ein Gründachpotentialkataster online gehen, bei dem das Potential von Häusern zur nachträglichen Dachbegrünung untersucht wird.“

„BlueGreenStreets“ in Lübeck

Auch rund um bestehende Straßen soll verstärkt begrünt werden. Beispiele dafür sollen der Umbau der Beckergrube auf der Altstadtinsel oder der Ost- und Westpreußenring im Lübecker Stadtteil Kücknitz werden. „Als sogenannte BlueGreenStreets“, so Rehberg, sollen Stadtgrün und Wasserflächen integriert werden.

„Durch die stärkere Durchgrünung des Straßenraums wird sowohl Hitze- als auch Überflutungsvorsorge betrieben“, so die Lübecker Sprecherin. Die Hansestadt plane, weitere Flächen im Straßenraum zu entsiegeln und zu begrünen. Dort kann Regenwasser versickern, zeitweise zurückgehalten werden oder verdunsten, bevor es sich zu Sturzbächen sammeln kann.

Zudem sorge die Begrünung durch Bäume für eine bessere Verschattung des Straßenraums und wirke der Überhitzung entgegen. Rehberg: „Auch bei der Umgestaltung der Beckergrube war die Hitze- und Überflutungsvorsorge ein wichtiges Kriterium der Wettbewerbsauslobung. Der ausgewählte Sieger-Entwurf hat dies durch die zahlreichen neuen Bäume gestalterisch umgesetzt.“

Forschungsprojekt „Komm.Flut.Ost“

 Zwei Wissenschaftlerinnen des Geographischen Instituts der Kieler Uni arbeiten in einem Forschungsprojekt namens „Komm.Flut.Ost“ an Strategie zur Klimakommunikation. Sie soll nicht zuletzt auch private Hausbesitzer zur eigenverantwortlichen Anpassung an Überflutungsrisiken anregen. Lübeck steht dabei neben Flensburg, Schleswig, Eckernförde und Kiel im Fokus dieses Forschungsprojekts. 

In Kiel hat der Rat vor zwei Jahren ein Konzept für mehr Dach- und Fassadenbegrünungen beschlossen. So sollen mehr Dächer auf städtischen Gebäuden begrünt werden. Auch sollen begrünte Häuser in neuen Bebauungsplänen festgesetzt werden. Damit die Bereitschaft privater Gebäudeeigentümer zur Hausbegrünung wächst, hat in Kiel dazu ein eigenes Förderprogramm, das noch bis zum Jahresende läuft.

Ein Klimabaumprojekt läuft in Kiel bereits seit 2016. Mit der Landwirtschaftskammer zusammen pflanzte die Stadt in Kiel hundert Bäume: Sie sollen im großstädtischen Bereich unter möglichst realistischen Bedingungen auf ihre Resilienz gegenüber dem Klimawandel getestet werden, so Arne Ivers aus dem Pressereferat der Stadt: „Dabei handelt es sich um ein Sortiment aus jeweils fünf Bäumen von 20 Arten, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie auf die Klimaänderungen sehr viel toleranter reagieren, als die bisher in der Stadt verwendeten Baumarten.“ Untersucht wird, wie robust sie gegenüber saisonaler Trockenheit, Einstrahlung oder Schädlingsbefall sind.

Außerdem gilt Kiel als vorbildlich mit seinen innerstädtischen Grünzügen, die die Zufuhr kühlerer Luft aus dem Umland sicherstellen. Diese sollen auch beim weiteren Wachstum erhalten werden.

Landesbauordnung verbietet Schottergärten

Seit 2020 kommen in der Landeshauptstadt zudem Bewässerungssäcke für neu gepflanzte Bäume zum Einsatz _ in der Regel bis zum zweiten oder dritten Jahr. Arne Ivers: „Bei den neugepflanzten Bäumen, die mit Bewässerungssäcken ausgestattet werden, handelt es sich immer um Extremstandorte etwa auf Mittelstreifen.“

Außerdem plant die Stadt ab 2025, Entsiegelungen auf freiwilliger Basis finanziell zu fördern. Und: „Durch Festsetzungen im Bebauungsplan können Gebäudebegrünungen verpflichtend und ein maximaler Versiegelungsgrad vorgegeben sein“, so Ivers. Ferner gelte aufgrund Paragraf 8 Landesbauordnung, dass der Bau von Schottergärten verboten sei.

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