Geschichte

Für Hitler und gegen die Dänen: Rolle der „Schleswiger Nachrichten“ in der Nazizeit

Die Rolle der „Schleswiger Nachrichten“ in der Nazizeit

Die Rolle der „Schleswiger Nachrichten“ in der Nazizeit

Bernd Philipsen/shz.de
Schleswig
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Foto: Stadtmuseum

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Die „Schleswiger Nachrichten“ hatten mit Dr. Fritz Michel einen Redaktionsleiter, der sich früh der nationalsozialistischen Ideologie anschloss – und die Zeitung für Propaganda nutzte.

Autoritäre und autokratische Herrscher wissen um die Bedeutung der Medien bei der Lenkung der öffentlichen Meinung. Als die Nationalsozialisten 1933 – also vor nunmehr 90 Jahren – an die Macht gekommen waren, stand für sie die Kernfrage im Vordergrund, wie die Zeitungen „auf Linie“ gebracht werden konnten. Das war im Falle der Schleswiger Nachrichten (SN) nicht mehr nötig. Sie hatten sich schon Jahre zuvor völkischen und nationalsozialistischen Kreisen angedient und deren radikal-demokratiefeindlichen Parolen und Thesen ihre Seiten geöffnet. Eingeleitet und gesteuert hatte diese frühe Hinwendung der SN zum Nationalsozialismus ihr langjähriger Redaktionsleiter Dr. Fritz Michel, nach damaligem Sprachgebrauch Hauptschriftleiter.

Erstmals tauchte das Hakenkreuz, das 1920 unter Adolf Hitler zum offiziellen Zeichen der nationalsozialistischen Partei (NSDAP) auserkoren wurde, in den Spalten der Schleswiger Nachrichten in der Ausgabe vom 3. August 1921 auf, und zwar in Form einer Textanzeige, mit der sich die Ortsgruppe Schleswig des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes gegen angebliche Beschimpfungen und Anfeindungen zur Wehr setzen wollte.

Hakenkreuz im Standardrepertoire der Satztechnik

Da hatte der Schriftsetzer offenbar noch einige Mühe, ein Hakenkreuz zusammenzubasteln. Später gehörte es zum Standardrepertoire der Satztechnik. In ihrer wechselhaften Geschichte haben die Schleswiger Nachrichten, die 1811 als Intelligenzblatt gegründet wurden, gelegentlich ihre politische Ausrichtung geändert. „Vom königlich privilegierten Schleswiger Intelligenzblatt aus der Zeit des Königs Frederik zur Tageszeitung im geeinten Deutschland Adolf Hitlers war ein langer Weg, bergab und bergauf“, hält 1936 die damalige Schriftleitung anlässlich des 125. Zeitungsjubiläums fest und gibt ihrer Freude über „die Rettung des deutschen Volkes durch unseren Führer“ Ausdruck.

Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hätten die Schleswiger Nachrichten „vollen Einsatz für die nationalsozialistische Bewegung“ geleistet und schließlich „mit Freude und Stolz die Einigung Deutschlands unter der überragenden Führung Adolf Hitlers“ begrüßt.

Sozialdemokraten als  „Vaterlandsverräter“ denunziert

Fritz Michel, der 1923 die Redaktionsleitung der SN übernahm, stand zunächst der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei nahe. Bei der Durchsicht alter Jahrgänge der Zeitung lässt sich 1929, spätestens 1930 ein deutlicher Schwenk auf einen deutschnationalen, völkischen und nationalsozialistischen Kurs erkennen. Schon 1928 hatte Michel die Sozialdemokraten als  „Vaterlandsverräter“ denunziert. Auch verhöhnte er in jener Zeit Angehörige der dänischen Minderheit als „Speckdänen“ und „Schmeißfliegen“.

Hermann Clausen, von 1920 bis 1933 SPD-Stadtvertreter und 1945 erster Nachkriegs-Bürgermeister von Schleswig, ging in seinen 1966 erschienenen Lebenserinnerungen auch auf die Bedeutung der SN in jenen schicksalsschweren Zeiten ein. Der Zeitzeuge, der sich nach dem Krieg der dänischen Minderheit anschloss, notierte rückschauend unter anderem: „Sprachrohr und Träger der öffentlichen Meinung des politisch rechtsgerichteten Bürgertums in Schleswig waren die ,Schleswiger Nachrichten‘. Man kann nicht sagen, daß diese Zeitung demokratisch, republikanisch und tolerant Andersdenkenden gegenüber war. Sie hat die dänische Minderheit bekämpft. (…) Mit diesem Kampf gegen die Dänen und später gegen Demokraten und Sozialdemokraten bereiteten die ,Schleswiger Nachrichten‘ den Nährboden für den kommenden braunen Terror vor.“

„Überzeugender Einsatz für den Führer und seine Bewegung“

Diese Einschätzung wurde noch während der NS-Zeit von verschiedenen Protagonisten der Nationalsozialisten bestätigt, auch wenn sie nicht von Terror sprachen, sondern von einem „Kampf für ein Reich Adolf Hitlers“, an dem die Schleswiger Nachrichten tatkräftig mitgewirkt hätten, so die SA in einer Grußadresse zum SN-Jubiläum 1936.

NSDAP-Landrat Hans Kolbe bescheinigte der Zeitung, „schon vor der Machtübernahme überzeugenden Einsatz für den Führer und seine Bewegung“ geleistet zu haben. Besonderen Grund, sich bei der Zeitung und namentlich ihrem Redaktionsleiter für ihre Unterstützung der NS-Bewegung zu bedanken, hatte Adolph Herting, Ortsgruppenleiter der NSDAP und nach 1933 kommissarischer Bürgermeister von Schleswig. Er vereinbarte 1932 mit Fritz Michel die Veröffentlichung einer siebenteiligen Zeitungsserie unter der Überschrift „Nationalsozialistische Gedanken“, in der er unverblümt für die Ideologie Hitlers werben konnte. Es folgten weitere Propaganda-Artikel aus der Feder von Herting.

„Feuerrede“ bei der Bücherverbrennung auf dem Stadtfeld

Auch zu Joachim Meyer-Quade, hochrangiger SA-Funktionär, Kreisleiter, Landrat in Schleswig, Reichstagsabgeordneter und Kieler Polizeipräsident, pflegte Michel einen engen Kontakt. Nach der Bildung der Hitler-Regierung, die von den SN als „Schicksalswende“ begrüßt wurde, wurden dem NS-Sympathisanten Fritz Michel (NSDAP-Beitritt am 1. Mai 1933) zahlreiche Ämter angetragen, in denen er zusätzlich im Sinne der neuen Machthaber wirken konnte. Er avancierte beispielsweise zum Kreispresseamtsleiter, zum Führer der Schleswiger Ortsgruppe des Kampfbundes für deutsche Kultur und Kreiskulturwart.

Als die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) am 23. Juni  1933 auf dem Stadtfeld eine Bücherverbrennung inszenierte, war der Zeitungsmann und Lyriker Fritz Michel der Hauptakteur. Er hielt die „Feuerrede“, die mit einem von ihm selbst geschriebenen Gedicht endete. Mit einem eigenen Gedicht huldigte er auch Adolf Hitler zu dessen 45. Geburtstag auf der Titelseite der SN vom 19. April 1934, auf der der Machthaber als Befreier und Volkskanzler gefeiert wird. Unter ein großformatiges Hitler-Porträt wurde die zwölfzeilige Lobpreisung in Versform platziert, die darin gipfelt, Hitler als einen „gottgesandter Schöpfer und Geweihten“ zu verklären. Auch wenn Michel 1937 die Schleswiger Nachrichten verließ, um neue, überregionale Aufgaben zu übernehmen – die Zeitung blieb weiterhin auf NS- Linie.

Fritz Micheli wieder in der Redaktionsleitung

In Kiel übernahm er die Leitung der NSDAP-Parteizeitung Nordische Rundschau und war dort im Gaupresseamt tätig; 1941 wechselte er an die Deutsche Zeitung im Ostland in Riga. Als die Schleswiger Nachrichten nach einer 1945 von der britischen Militärregierung verfügten vierjährigen Zwangspause wieder erscheinen konnten, kehrte Fritz Michel an seinen alten Platz als Redaktionsleiter zurück. Kurz zuvor war er, der in der Zwischenzeit als freier Autor tätig war, bei einer Überprüfung seines Entnazifizierungsverfahrens in die Kategorie V (=entlastet) herabgestuft worden.

Er leitete bis 1965 die SN-Redaktion und wurde mit einer Reihe von Würdigungen in den Ruhestand verabschiedet.

Die Stadt Schleswig veranstaltet zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung am 23. Juni eine Gedenkwoche. In diesem Zusammenhang setzt sich unsere Redaktion auch kritisch mit der Rolle der Schleswiger Nachrichten zur Nazizeit auseinander. Am Gedenktag selbst (Freitag, 23. Juni) sind auf dem Stadtfeld verschiedene Veranstaltungen geplant. Das gesamte Programm ist auf der Website der Stadt Schleswig einsehbar.

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