Motivation
Ein ganzes Schuljahr für das Ehrenamt
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Mit einem "Schuljahr des Ehrenamts" will die Jamaika-Koalition junge Leute ermuntern, sich in ihrer Freizeit für andere zu engagieren - und so auch Defizite durch die Corona-Zeit ausgleichen.
„Wir müssen durch Rückmeldungen von Vereinen und Verbänden feststellen: Das Engagement für das Ehrenamt ist durch die Corona-Situation nicht besser geworden“, sagt Tobias von der Heide, bildungspolitischer Sprecher der CDU im Landtag. Die Jamaika-Koalition will gegensteuern, und zwar dort, wo sich entscheidet, ob es Nachwuchs gibt oder nicht. Das gerade begonnene Schuljahr soll deshalb zum „Schuljahr des Ehrenamts“ werden.
Das beabsichtigen die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP mit einem Antrag für die kommende Landtagssitzung in der nächsten Woche. Aus einem Budget für 100 000 Euro soll die Landesregierung „Aktionen, Maßnahmen und Projekte initiieren“, um das Thema Ehrenamt stärker in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen zu verankern. „Wir wünschen uns, dass mehr Schülerinnen und Schüler aktiv werden“, sagt von der Heide. „Ohne ehrenamtliches Engagement würden viele Ideen und Vorhaben in Schleswig-Holstein nicht umgesetzt werden.“ Das gelte beispielsweise für den Sport genau so wie für soziale Projekte, den Natur- und Klimaschutz oder Religionsgemeinschaften.
Ein besonderer Akzent gilt dem Katastrophenschutz
Auch wenn die Initiative das Ehrenamt ausdrücklich in seiner gesamten Breite einbezieht, setzt der Antrag einen Akzent bei Organisationen des Katastrophen- und Heimatschutzes wie Freiwilligen Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk und Sanitätsdiensten. „Der Bedarf dort wird größer, es ist uns wichtig, das sichtbar und solche Organisationen für junge Leute erfahrbar zu machen“, erklärt von der Heide. Auch wolle man so ein Ausrufezeichen gegen Ressentiments und gar Übergriffe gegen Hilfskräfte setzen, wie sie jüngst zu Tage getreten sind. Fast tagesaktuell regen die Jamaika-Fraktionen außerdem Schulpatenschaften zwischen Schleswig-Holstein und den Hochwasser-Katastrophengebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen an. „Das könnte zum Beispiel beinhalten, dass man Kontakt per Video hält und Spendenprojekte initiiert“, überlegt der bildungspolitische Sprecher der CDU.
Pilotprojekte und ein Preis für Vorbilder
Grundsätzlich möchten die Regierungsfraktionen, dass Vertreter möglichst vieler Organisationen in den Schulen über die Vielfalt ihrer Arbeit berichten und so zum Mitmachen anregen. Zudem sollen besonders niedrigschwellige Pilotprojekte für Schüler entwickelt und ein Preis für herausgehobene Ehrenamtsprojekte junger Leute ausgelobt werden. Freiwilliges Engagement soll im Zeugnis stärker erwähnt werden, Schüler unbürokratisch vom Unterricht für ehrenamtliche Arbeit freigestellt werden.
Das „Schuljahr des Ehrenamts“ folgt dem „Jahr der politischen Bildung“ und dem „Jahr der Nachhaltigkeit“ in den beiden vorangegangenen Schuljahren. Einen Automatismus für weitere Themenschwerpunkte in der Zukunft sieht die Regierungskoalition aber nicht.
60 Prozent weniger Absolventen der Jugendgruppenleiter-Ausbildung
„Viele Verbände haben deutlich Mitglieder verloren“, sagt Anne-Gesa Busch, Geschäftsführerin des Landesjugendrings. „Nach oben hin haben Jugendorganisationen natürliche Austrittszahlen, etwa weil Leute zum Studieren weggehen oder sich Interessen verändern. Aber in Corona-Zeiten gab es weniger Neueintritte als sonst, weil es durch die Beschränkungen für Vereine schwierig war, Jugendliche zu interessieren. Deshalb gilt es jetzt, eine Lücke zu füllen.“ Ein Schlaglicht: Bis Mitte dieses Jahres sind die Anmeldungen für die so genannte „Juleica“, eine Karte für Absolventen ehrenamtlicher Jugendgruppenleiter um fast 60 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitpunkt normaler Jahre zurückgegangen. Die Zahl beläuft sich auf nur 576 statt sonst rund 1400.
Busch wünscht sich, „dass ein Schuljahr des Ehrenamts keine reine Vortragsveranstaltung wird“. Es müsse vor allem darum gehen, die Vielfalt ehrenamtlichen Engagements direkt erleben zu können. „Dabei können Jugendliche dann entdecken, dass Ehrenamt nicht allein etwas ist, was man für andere macht, sondern dass es auch ein Teil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung ist.“ Wenn jemand damit einmal eine positive Erfahrung gemacht habe, „dann nimmt man vielleicht später auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Verantwortung wahr.“ Konkret schlägt Busch als ein Modell vor, dass eine Klasse an einem Nachmittag der Woche mit einem bestimmten Verein kooperieren könne.
„Hochwichtig“ nennt Christian Pagel aus der Geschäftsführung des Regionalverbands Schleswig-Holstein Nord/West der Johanniter-Unfallhilfe, ein „Schuljahr des Ehrenamts“. Für ihn hat „gerade die Corona-Krise gezeigt, dass die Gesellschaft ohne Ehrenamt nicht auskommt“. Er denkt etwa an freiwillige Helfer bei Tests. Die Johanniter benötigen hilfsbereite Jugendliche etwa für ihr Schulsanitäter-Programm. Auch Ortsgruppen der Johanniter-Jugend gibt es. In Schleswig und Kiel befinden sich gerade neue im Aufbau.
„Wir sind durchaus schon an Schulen aktiv, aber wenn das durch ein Jahr des Ehrenamts noch systematischer und flächendeckender passieren kann, wäre das natürlich toll“, sagt Claus Döpper, Sprecher des Technischen Hilfswerks in Schleswig-Holstein. Von den 3350 THW-Mitgliedern im Land sind 770 Kinder und Jugendliche. Wichtig sei, dass ein „Schuljahr des Ehrenamts“ vermittle, „dass man nicht einfach auf einen Knopf drückt und Hilfe kommt. Sondern dass Hilfe nur kommt, weil es Menschen gibt, die sich dafür Zeit nehmen.“