Schifffahrt in SH

Hafen Kiel, Lübeck, NOK: Anlaufen für russische Schiffe verboten

Hafen Kiel, Lübeck, NOK: Anlaufen für russische Schiffe verboten

Kiel, Lübeck, NOK: Anlauf für russische Schiffe verboten

SHZ
Kiel / Lübeck
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Der Hafen von Travemünde, hier mit dem Luxusliner «Queen Elizabeth». Foto: Jens Büttner / dpa

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Sanktionen stoppen den größten Handelspartner der deutschen Seehäfen – und noch mehr Lieferketten drohen zu reißen.

Die EU hat mit ihrem fünften Sanktionspaket die Schließung von Häfen für russische Schiffe beschlossen. Das triff auch Kiel und Lübeck, vor allem aber Hamburg und Wilhelmshaven. Russland war 2021 der größte Handelspartner deutscher Seehäfen.

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„Wir sind, was die RoRo-Linien-Verkehre anbelangt, auf Null in den direkten Verkehren nach Russland“, sagt der Geschäftsführer der Lübecker Hafengesellschaft (LHG), Sebastian Jürgens. Alle Linien seien eingestellt. Auch das LHG-Auslandsbüro in St. Petersburg wurde bereits geschlossen. Wie weit Ausweichverkehre über Schweden, Finnland und Lettland künftig betroffen sind, zeichnet sich noch nicht ab.


Im Seehafen Kiel erwartet man derzeit kein russisches Schiff. „Das letzte Schiff unter russischer Flagge war die „Surgut“ am 4. Februar 2022“, berichtet Hafensprecherin Julia Reichel. Zuletzt wurden vorwiegend Forstprodukte umgeschlagen. Der Ro-Ro-Linienverkehr wie früher nach St. Petersburg ist schon länger eingestellt. Zurzeit nimmt DFDS auf der Route ins litauische Klaipeda keine russischen Lkw mehr mit", so Reichel.

Russland-Importe: 10,8 Millionen Tonnen fossile Energie

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden in deutschen Häfen rund 24,1 Millionen Tonnen Güter im Russlandverkehr umgeschlagen. Davon entfiel mit 21,5 Millionen Tonnen der Großteil auf Importe. Von denen machten Energieeinfuhren den weitaus größten Teil aus: 10,8 Millionen Tonnen entfielen auf fossile Energieträger, weitere 5,4 Millionen Tonnen auf Kokerei- und Mineralölerzeugnisse. Exporte auf dem Seeweg gen Russland spielen mit 2,6 Millionen Tonnen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Nach Angaben des Seehafenbetriebe-Zentralverbands werden mehr als neun Prozent des Umschlags durch Schließung der Häfen wegfallen. Dabei gilt Wilhelmshaven als Erdöldrehkreuz und der Hamburger Hafen als Hauptumschlagplatz für Kokereiprodukte. Allein rund 3,2 Millionen Tonnen Kohle aus Russland wurden 2021 in der Hansestadt entladen.

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In Mitleidenschaft gezogen wird durch die Sanktionen allerdings nicht nur der Import von Energieträgern, sondern auch die Versorgung der Industrie mit wichtigen Rohstoffen für die Energiewende. Genannt seien Nickel (44 Prozent kommt aus Russland) und Kupfer, die teilweise über sibirische Häfen verschifft werden. Aber auch Titan, Aluminium und Palladium als Katalysator und für die Wasserstoffwirtschaft kommen aus Russland.


Trotz der Folgen hat der Reederverband VDR die Sanktionen der EU gestern begrüßt. „Die anhaltenden Angriffe der russischen Armee und insbesondere die jetzt bekannt gewordenen Gräueltaten haben eine solche Antwort nötig gemacht“, erklärte die Präsidentin des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Gaby Bornheim. Der Verband befürchtet demnach „mögliche Gegenmaßnahmen der russischen Seite hinsichtlich der von der EU angeordneten Sperrungen von europäischen Häfen für russische Schiffe“. Es bestehe die Gefahr, dass deutsche Schiffe in russischen Häfen festgelegt werden. Seeleute und zivile Handelsschiffe dürften „nicht zum Faustpfand“ in dem Konflikt werden, forderte der VDR.

Weltweit stecken Container im Stau

Was den Nord-Ostsee-Kanal angeht, der von der Sanktion ebenfalls betroffen ist, gibt man sich beim Wasser- und Schifffahrtsamt gelassen. Weil die Zahl der Schiffspassagen zuletzt wegen der hohen Treibstoffkosten stark angestiegen sei, mache sich der Rückgang im Russlandverkehr nicht so stark bemerkbar, sagte der Sprecher der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, Detlef Wittmers. Der Anteil an Schiffen mit Russland-Bezug liege nur bei etwa zehn Prozent, schätzt Wittmers.

Sanktionen auch für ausgeflaggte Schiffe?

Entscheidend ist dabei zudem, welche Schiffe überhaupt unter die Sanktionsregeln fallen. Nur Schiffe unter russischer Flagge? Oder auch ausgeflaggte Russendampfer? Und wie ist es mit Schiffen aus Drittstaaten, die russische Produkte geladen haben? Großbritannien beispielsweise hat alle Seehäfen für Schiffe unter russischer Flagge gesperrt.

Die Ukrainekrise bringt die wegen Corona ohnehin aus dem Takt geratenen Lieferketten weiter durcheinander. „Weltweit nimmt die Zahl der in Staus befindlichen Schiffscontainer wieder zu“, berichtete das Kieler Institut für Weltwirtschaft am Mittwoch. „Derzeit stecken etwa 12 Prozent aller weltweit verschifften Waren fest – im vergangenen Jahr lag der Wert nur in zwei Monaten höher.“

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Aktuell sind in China wieder Häfen wegen der Pandemie ganz oder teilweise geschlossen. allen voran Shanghai. Staus gibt es auch vor den großen Häfen der US-Ostküste. „An den drei größten Häfen Russlands, St. Petersburg, Wladiwostok und Novorossiysk ist der Containerfrachtverkehr bereits um die Hälfte eingebrochen“, teilt das Kieler Institut mit.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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