Musik

Herman van Veen bringt Magie und Tiefgang ins Deutsche Haus

Herman van Veen bringt Magie und Tiefgang ins Deutsche Haus

Herman van Veen bringt Magie und Tiefgang ins Deutsche Haus

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Es regnet Tischtennisbälle auf rote Regenschirme: Herman van Veen erlaubt sich besondere Effekte, die nicht ohne Sinn sind. Foto: Marcus Dewanger

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So poetisch wie freundlich-ernst ist Herman van Veen. Glücklich ihn einmal wiederzusehen, waren seine Fans in Flensburg. Sie drängten sich ins Deutsche Haus, um seinem Gesang und seiner Musik zu lauschen.

77 Jahre - und sehr weise. Herman van Veen ist in Flensburg ein überaus gern gesehener, häufiger Gast. Das Deutsche Haus ausverkauft, 1450 Zuhörer sitzen dicht an dicht, so will es die Bestuhlung. Viele treue Fans sind mit ihm in die Jahre gekommen, haben ihn auf den verschiedenen Stationen seines Schaffens begleitet. Nur wenige junge Gesichter. Bedauerlich, insbesondere vor dem Hintergrund, was Herman van Veen zu sagen hat - „mit dem Wissen von Jetzt“, wie das Programm überschrieben ist. 

Schlichtes blaues Hemd, dunkle Bundfaltenhose, so betritt der charismatische Tausendsassa die Bühne, bläst den Staub von seiner Violine - und Jubel brandet auf schon vor dem ersten Ton. Vier hochkarätige Musiker stehen ihm zur Seite, ihnen gönnt der Protagonist jede Menge Freiraum. „Hier unten am Deich (...in unserem kleinen Königreich) beginnt die musikalische Reise des Quintetts, Biografisches zieht sich wie ein roter Faden durch den Konzertabend.

Das Jahr 1944, Zeugung und Geburt, ein grotesker Arztbesuch, ja selbst die BH-Größe der Mutter werden so detailliert wie humoresk beschrieben und vor den Augen des Publikums lebendig. Und ein Leben ohne Krieg. „Ich hoffe, dass es so bleibt.“ Applaus.

Schnell wird klar: Dieser Mann ist trotz seines Alters topfit, die Luft reicht locker für kraftvollen wie zärtlichen Gesang, Kopfstimme mit Vibrato. Er tänzelt und trippelt über die Bühne, Moonwalk, koketter Hüftschwung. Jedes mit Inbrunst zelebrierte Stück ist von besonderer Eigenart, kein Stück von der Stange. Mühelos gelingt ihm der Spagat zwischen Poesie und Politik, zwischen Weltschmerz und Hoffnung.

Humorvoller Blick auf die Krisen

„Glaube nicht alles, was du denkst“, habe schon seine Oma doziert. Heute wohl aktueller denn je. Die Klimakrise, na klar, wird auch thematisiert - in dem apokalyptischen Szenario, dass bei weiter steigendem Meeresspiegel 17 Millionen Holländer nach Deutschland einfallen werden. „Ja, noch lacht ihr!“

Immer den Schalk im Nacken. Verbal und pantomimisch. Das Publikum ist aus dem Häuschen, wie er seinen aus dem Ruder laufenden Bassisten (Kees Dijkstra) mit Fantasielauten wieder in die Spur bringt. Angetrieben von Edith Leerkes an der Konzertgitarre wechselt die Band von Elvis zu Django, von Leonard Cohen (Susanne) über Mozart bis zu Mendelssohn Bartholdy. „He, kleiner Fratz...“, nur kurz angerissen, Edith Piafs „Je ne regrette rien“, das unvergessene „Ich lieb dich noch“.

Traumhaft schön die Violine und Stimme von Jannemien Cnossen, der mehrstimmige Gesang - und die Magie, die allem innewohnt. Was Herman van Veen auch anfasst, es hat Niveau! Sehr wohltuend, denn Triviales und billigen Klamauk gibt es hierzulande schon genug.

Herman van Veen will wiederkommen

Nach drei Stunden entlässt der sympathische Künstler seine Gäste, die er längst schon von den Stühlen gerissen hat. Verspricht, in zwei bis drei Jahren wiederzukommen. Was zu hoffen wäre. Und bekennt: „Wir haben es genossen.“ Eine Frau wischt sich eine Träne aus dem Auge. Im Weggehen dreht sie sich noch einmal um. Und sagt: „Ich würde ihn jetzt am liebsten umarmen.“

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