Weg zur Herdenimmunität

Impfung für Skeptiker? Wie ein Totimpfstoff wirkt und wann er kommt

Impfung für Skeptiker? Wie ein Totimpfstoff wirkt und wann er kommt

Impfung für Skeptiker? Wie ein Totimpfstoff wirkt und wann er kommt

SHZ
Hamburg
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Valneva – Totimpfstoff und Hoffnungsträger einiger Impfzögerer – wurde von der britischen Regierung abbestellt. Foto: imago images/Henrik Montgomery/TT Foto: 90037

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In einigen Ländern sind sie im Einsatz, in Europa steht die Zulassung eines Corona-Totimpfstoffes noch aus. Wo liegt der Unterschied zu Biontech und Co.? Gibt es Vorteile? Und ab wann ist er zu haben?

Totimpfstoffe werden in Deutschland und ganz Europa noch nicht verimpft, ein entsprechendes Vakzin des französischen Biotechunternehmens Valneva befindet sich noch in der Prüfung. Es gilt als Impfstoff, auf die einige Impfskeptiker warten. Und damit auch als Hoffnung für das Erreichen einer ausreichenden Impfquote von 85 bis 90 Prozent in Deutschland.

Aber warum ist das so? Wie funktionieren Totimpfstoffe? Welchen Vorteil haben Sie? Und wann kann mit einer Zulassung gerechnet werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist eigentlich ein Totimpfstoff?

Es gibt unterschiedliche Impfstoffarten, die ganz eigenen Funktionsprinzipien unterliegen. Im Zusammenhang mit Corona wurde vor allem über genbasierte Impfstoffe wie die mRNA-Vakzine von Biontech und Moderna und über Vektorimpfstoffe (zum Beispiel Astrazeneca) gesprochen. Daneben gibt es noch die proteinbasierten Impfstoffe und die Ganzvirus-Impfstoffe.

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Letztere werden wiederum in Tot- und Lebendimpfstoffe unterteilt. Totimpfstoffe enthalten ausschließlich inaktivierte Viren oder Bestandteile der Viren, die sich nicht mehr vermehren können. Lebendimpfstoffe enthalten dagegen einen geringen Anteil von aktiven Erregern.

Wie mRNA- und Vektorimpfstoffe funktionieren und wie es um die Risiken steht, erfahren Sie in diesem Artikel.


Gibt es Vorteile gegenüber Biontech, Astrazeneca und Co.?

Alle zugelassenen Impfstoffe gelten als absolut sicher. Fakt ist aber: Die Herstellung und Verabreichung von Totimpfstoffen ist seit langem bewährt. Das Stocken der deutschen Corona-Impfkampagne liegt nicht in der Verfügbarkeit von Impfstoffen begründet. Für Skeptiker neuartiger Verfahren wie der mRNA-Technologie könnte ein Totimpfstoff gegen Corona eine Lösung sein und sie zu einer Impfung bewegen.

Die Impftechnologie wird seit 60 bis 70 Jahren eingesetzt und bietet eine sehr hohe Sicherheit. Die meisten Grippeimpfungen und Vakzine gegen Kinderkrankheiten basieren darauf. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks (BR) werden die Menschen gegen Diphtherie, Hepatitis B, Polio (Kinderlähmung), Keuchhusten, Tetanus und Tollwut mit Totimpfstoffen geschützt.

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Demnach sind die Impfstoffe generell gut verträglich – für alle Alters- und Risikogruppen – und verursachen weniger Nebenwirkungen als etwa Lebendimpfstoffe. Totimpfstoffe können zudem vergleichsweise schnell in Großen Mengen hergestellt werden.


Welche Nachteile sind bekannt?

Die Totimpfstoffe gegen Sars-CoV-2 sind laut Experten und Studien tendenziell weniger wirksam gegen die Erreger als andere Impfstoffarten. Gegen das Coronavirus benötigen sie zudem einen Verstärker, damit die Immunreaktion überhaupt anläuft. Dieser Verstärker kann grippeähnliche Nebenwirkungen auslösen. Zudem verschwindet der Impfschutz vergleichsweise schnell und muss früher aufgefrischt werden.

Wird dieser Impfstoff schon verabreicht?

Ja, mindestens fünf Totimpfstoffe werden weltweit im Kampf gegen Corona verimpft. Überwiegend stammen sie aus China – von Herstellern wie Sinopharm oder Sinovac. Sinovac etwa hat mit seinem CoronaVac im Mai 2021 eine Zulassung der WHO erhalten. Verabreicht werden die Impfstoffe in verschiedenen Länder verteilt über die Kontinente – häufig mit Notfallzulassungen. Auch Russland hat mit CoviVac einen Totimpfstoff entwickelt und im eigenen Land zugelassen.


Wann kommt der Totimpfstoff in Deutschland?

In Europa wird das Mittel CoronaVac des chinesischen Herstellers Sinovac Biotech geprüft. Der einzige Corona-Impfstoff auf Basis inaktivierter Viren, der derzeit in Europa in klinischen Studien getestet wird, ist der des französischen Biotechunternehmens Valneva. Er wird in Schottland hergestellt.

Valneva geht nach eigenen Angaben von einer Erstzulassung Ende 2021 in Großbritannien aus, wo die wichtige Phase-3-Studie laufe. Doch gut ein halbes Jahr nach einem gefeierten Abschluss mit dem Impfstoffentwickler hatte die britische Regierung den Vertrag über die Lieferung von 100 Millionen Dosen Mitte September gekündigt. Der offizielle Grund: Vertragsverletzungen. Valneva weist diese Vorwürfe zurück.

Anders äußerte sich allerdings Gesundheitsminister Sajid Javid. Im Parlament sagte er: "Es war uns auch klar, dass der fragliche Impfstoff, den das Unternehmen entwickelte, von der MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) hier in Großbritannien nicht zugelassen werden würde." Zu den Hintergründen habe er nichts gesagt.


Die Lage in Deutschland ist bislang unklar. Mit den Studiendaten soll noch dieses Jahr eine Zulassung beantragt werden. Fest steht laut Informationen des "Handelsblatt": Von den vom Bundesgesundheitsministerium bestellten Impfdosen für das Jahr 2022 – insgesamt sind es 204 Millionen – sollen elf Millionen von Valneva kommen.

Sollte man auf Valneva warten?

Davon riet selbst der Chef von Valneva, Thomas Lingelbach, im Gespräch mit ORF-Radio ab. "Bei Corona ist jede Impfung besser als keine Impfung", sagte er noch vor den Problemen in Großbritannien. Und: "Ich versuche jeden, mit dem ich rede, dazu zu ermutigen, sich impfen zu lassen und nicht auf diesen Impfstoff zu warten". Wann der Totimpfstoff tatsächlich verfügbar sein wird, ist weiterhin unsicher.

Wichtig ist: Auch die neu entwickelten mRNA-Impfstoffe gelten als sicher. Ulrike Protzer, Virologin von der TU München, sagte dem BR: "Es gibt kaum einen Impfstoff, der so gut und breit untersucht wurde, wie das inzwischen die mRNA-Vakzine sind."

Ein Totimpfstoff – etwa von Valneva – böte sich vor diesen Hintergründen besser für eine Auffrischungsimpfung ab dem kommenden Jahr an.

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