Corona-Pandemie

Impfzentren in SH schließen: Impfen auf den letzten Drücker

Impfzentren in SH schließen: Impfen auf den letzten Drücker

Impfzentren in SH schließen: Impfen auf den letzten Drücker

SHZ
Itzehoe
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Impfzentrum im Indoorspielplatz in Itzehoe: Leiterin Bianca Zunker hat noch jede Menge Impfstoff vorrätig. Foto: Michael Ruff/shz.de

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In zehn Tagen schließen die Impfzentren. Warum Menschen sich jetzt noch dort impfen lassen wollen – ein Besuch in Itzehoe.

„Ich habe Angst.“ Die 59-jährige Frau, die anonym bleiben möchte, sitzt mit ihrem gelben Impfausweis auf den Knien im Impfzentrum Itzehoe. Hinter ihr an der Wand sind noch die Malereien zu sehen, die davon zeugen, dass hier vor ein paar Jahren noch Kinder durch einen Indoorspielplatz getobt sind. Nun wartet die 59-Jährige dort auf ihre Erstimpfung. „Warum ich das jetzt erst mache? Ich habe sehr lange überlegt, ob das richtig ist. Aber meine Hausärztin hat mich dann sehr ausführlich beraten und danach habe ich mich dazu entschlossen“, sagt die Frau, der man die Nervosität deutlich anmerken kann. Sie sei keine Impfgegnerin, aber: „Ich bin es leid, mich immer wieder testen lassen zu müssen.“ Auf jeden Fall sei das ein Vorteil, sich einfach so ohne Termin impfen lassen zu können.

Denn am 26. September ist das vorbei: Dann schließen alle 28 Impfzentren in Schleswig-Holstein. Auf manche Menschen erhöht das den Druck, jetzt doch noch schnell und unkompliziert eine Impfung zu bekommen – zumal die Tests ab Mitte Oktober kostenpflichtig werden und immer mehr Länder auf eine 2G-Regel setzen.


Auch deswegen ist Abeer Kiki ins Impfzentrum gekommen. Die 36-jährige Syrerin ist seit drei Jahren in Deutschland, will jetzt in den Urlaub fliegen. „Das ist mit einer Impfung einfacher“, sagt sie – und will deshalb den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen, damit sie in 14 Tagen von der Testpflicht befreit ist. „Die andauernden Tests nerven.“

Ihr 27-jähriger Begleiter, der seinen Namen nicht sagen will, findet deutlichere Worte. Es gebe eine Impfpflicht durch die Hintertür, meint er. „Es gibt immer mehr Sachen, die man als Nicht-Geimpfter nicht darf – das beschränkt die Freiheit der Menschen. Das ist eine Schweinerei.“ Er selbst gehe deshalb nicht mehr zum Mannschaftssport. Vor kurzem habe er Corona gehabt, gelte jetzt als genesen. „Wenn das nach einem halben Jahr vorbei ist, werde ich mich aber trotzdem nicht impfen lassen – jedenfalls so lange es geht.“ Denn er fürchte, keine Kinder mehr zeugen zu können, wenn er den Impfstoff verabreicht bekomme. Das habe er gelesen. Dass es dazu keine wissenschaftlichen Belege gibt, ficht ihn nicht an. „Ich habe da meine Meinung.“

640 Menschen pro Tag zu Spitzenzeiten

An diesem Mittwoch sitzen die beiden fast allein in dem Impfzentrum, in dem zu Spitzenzeiten im Mai 640 Menschen in vier Impfstraßen täglich gegen Corona geimpft wurden – mit allen zugelassenen Impfstoffen. Im September seien es im Schnitt noch 200 pro Tag gewesen, sagt die Leiterin des Impfzentrums, Bianca Zunker. Wenn sie nicht hier arbeitet, ist sie für den Kreis in der Finanzverwaltung tätig.

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Seit Januar teilt sie sich den zusätzlichen Job im Impfzentrum mit sieben Kolleginnen. 74.000 Impfdosen haben die Ärzte dort schon verabreicht – Erst- und Zweitimpfung seien ungefähr gleich stark verteilt, sagt Zunker, rund ein Zehntel der „Kunden“ komme wegen einer Drittimpfung.

Die holt sich auch Thomas Fleischmann ab. Der Chefarzt der Notfallaufnahme der Imland-Klinik Rendsburg wohnt in Itzehoe. „Deswegen ist das praktischer für mich als das über die Klinik laufen zu lassen.“ Er habe sich bewusst um einen Termin bemüht, bevor das Zentrum schließe.

Suche nach den Impfmuffeln

Tjark Nesper ist hingegen ohne Voranmeldung gekommen. Bequemlichkeit – die habe ihn bisher vom Impfen abgehalten, gibt der Kellinghusener zu. Er sei kein Impfgegner. „Ich habe dafür nur bisher keine Zeit gehabt.“ Nun geht es schnell. Der Auszubildende muss keine fünf Minuten warten – dann bekommt er den Impfstoff von Johnson & Johnson gespritzt. „Dann bin ich durch mit Corona.“

Es sind Menschen wie Tjark Nesper, die Bund und Länder in dieser Aktionswoche noch an die Spritze bekommen wollen. In den kommenden Tagen können sich alle Menschen ohne Termin impfen lassen. „Ich hoffe, dass viele Menschen dieses Angebot wahrnehmen – denn neben dem Gesundheitsschutz für jede und jeden ist die Impfung ein weiterer Schritt Richtung Normalität für uns alle“, sagt Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP). „Lassen Sie sich impfen.“


Vor allem will Garg die Menschen erreichen, die keine kategorischen Impfgegner sind. Menschen wie Jan-Hendrik Stange. Der 26-Jährige ist ins Impfzentrum gekommen, „weil es hier schnell geht“. Bei seinem Hausarzt hätte er längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Mir war das bislang zu viel Bürokratie“, sagt der Lägerdorfer. Aber weil er im November zur Bundeswehr gehe, wolle er vorher mit der Impfung durch sein. Er lässt sich mit Biontech impfen, die Zweitimpfung beim Hausarzt sei dann für ihn kein Problem mehr.

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Wie alle, die an diesem Tag in Itzehoe ins Impfzentrum kommen, braucht er nicht lange warten. „Je schneller, direkter und unkomplizierter die Impfung, desto mehr Menschen nehmen sie in Anspruch. Das merken wir an den Open-House-Zeiten, in denen die Leute ohne Termin vorbei kommen können“, sagt Bianca Zunker. „Wir spüren, dass die Nachfrage in den letzten Wochen noch einmal zugenommen hat, aber das ist alles zu bewältigen.“

Ab 26. September beim Hausarzt oder durch mobile Teams

Vor einigen Monaten war das enger: Gerade als Impfstoff und damit auch Termine knapp waren, seien die Menschen schon oft frustriert gewesen. „Obwohl wir davon nicht so viel mitbekommen haben, weil sie froh waren, hier ihre Impfung zu bekommen.“ Allgemein seien die Menschen dankbar – das sei auch ein Grund, warum sie den Job hier mit übernommen habe, sagt Zunker. „Wenn ich helfen kann, mache ich das gern.“ Wenn das Impfzentrum Sonntag in einer Woche schließt, geht auch für sie eine besondere Zeit zu Ende. „Es war sehr abwechslungsreich, immer wieder gab es neue Anforderungen.“ Doch auch wenn das Zentrum schließt: Die Impfungen laufen weiter – über mobile Impfteams oder bei Hausärzten.

Dort wird auch die 59-jährige Frau, die Angst vor der Impfung hatte, in ein paar Wochen ihre Zweitimpfung bekommen. „Ich habe immer noch Panik vor den Nebenwirkungen“, sagt sie, als sie das Impfzentrum in Itzehoe wieder verlässt. Aber erleichtert sei sie schon, dass sie sich die Spritze hat geben lassen. „Den Piks habe ich jedenfalls gar nicht gemerkt.“


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