Signalkrebs auf dem Vormarsch

Kampf der Krebse in der Schlei: Eingeschleppte Krabbe bedroht heimische Art

Kampf der Krebse in der Schlei: Eingeschleppte Krabbe bedroht heimische Art

Schlei: Eingeschleppte Krabbe bedroht heimische Art

SHZ
Schleswig
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Schleifischer Jörg Nadler (li.) zeigt zwei Exemplare des amerikanischen Signalkrebses, Kai Lehmann vom Institut für nachhaltiges Ressourcenmanagement hält zwei Europäische Edelkrebse in den Händen. Foto: Windmann Foto: Windmann/shz.de

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Experten hatten es für ausgeschlossen gehalten: Dennoch verbreitet sich der Europäische Edelkrebs seit Jahren immer mehr in der Schlei. Jetzt aber könnte ihm ein Verwandter aus Amerika zur echten Gefahr werden.

Es ist nicht weniger als eine kleine Sensation. Denn dass der Europäische Edelkrebs in der Schlei nun schon seit Jahren heimisch ist, hatten viele Experten lange nicht für möglich gehalten. Schließlich lebt er eigentlich ausschließlich im Süßwasser. Das Brackwasser des Ostseearmes scheint dem Schalentier allerdings gut zu bekommen, seine Bestände sind stetig gewachsen. Nun aber rückt ihm ein Verwandter auf die Pelle – und könnte, so die Befürchtungen, schon bald dafür sorgen, dass das Kapitel Edelkrebse in der Schlei schneller vorbei ist als erwartet.

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Forschungsprojekt zu den Edelkrebsen

Denn der Signalkrebs, die amerikanische Variante der Edelkrebse, ist auf dem Vormarsch. „Ich habe in diesem Jahr schon acht Exemplare in meinen Reusen gehabt. Das ist sehr auffällig und bereitet mir wirklich Sorgen“, sagt Jörg Nadler. Der Holmer Fischer kümmert sich inzwischen schon seit gut zehn Jahren um die Edelkrebse in der Schlei. Anfangs allerdings nur um die heimische, europäische Art. Nachdem er davon immer öfter einzelne Tiere als Beifang an Bord seines Bootes holte, suchte er den Kontakt zum Institut für nachhaltiges Ressourcenmanagement (INR) mit Sitz in Oeversee. Seitdem arbeitet dessen Mitarbeiter Kai Lehmann an einem Forschungsprojekt zu den Edelkrebsen in der Schlei, das aus der Fischereiabgabe des Landes finanziert wird. Nadler versorgt ihn regelmäßig mit Daten, sobald er ein neues Tier gefangen hat.

Schon über 100 Edelkrebse in diesem Jahr als Beifang

In diesem Jahr war das bereits 108 Mal der Fall. Insbesondere da, wo sich Süß- und Brackwasser mischen, etwa an der Mündung der Füsinger Au, aber auch an anderen Stellen zwischen Schleswig und Missunde hat Nadler die bis zu 20 Zentimeter großen Krebse aus seinen Reusen geholt. Lange mit einem guten Gefühl, da ihr Vorkommen auch ein Indikator für gute Wasserqualität und ausreichend Sauerstoffgehalt am Schleiboden ist. Inzwischen aber muss der Fischer jedes Mal genau hingucken, wenn er auf eines der Schalentiere trifft – und zwar mit bangem Blick.


Denn die amerikanischen Signalkrebse könnten dem streng geschützten Europäischen Edelkrebs bald den Garaus machen. Es spricht sogar sehr viel dafür, wenn man sieht, wie das Zusammentreffen der beiden Arten in anderen Gewässern abgelaufen ist. „Die amerikanischen Krebse sind deutlich aggressiver als die europäischen. Zudem sind sie früher geschlechtsreif und haben bis zu 300 Nachkommen“, sagt Kai Lehmann.


Nicht zuletzt würden sie die sogenannte Krebspest übertragen, die für ihre europäischen Verwandten oft tödlich ende. Entsprechend alarmierend klingt die Schlussfolgerung des Biologen: „Wir haben hier in der Schlei ein europaweit einmaliges, noch gar nicht richtig erforschtes Juwel. Aber das ist nun eindeutig in Gefahr!“

Edelkrebse in ganz Europa vom Aussterben bedroht

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war der Edelkrebs in ganz Europa weit verbreitet. Sein Fleisch galt lange als Arme-Leute-Essen. Bis heute gilt er als größter wirbelloser Organismus in den heimischen Gewässern. Durch Fang, aber auch durch Schadstoffe in den Gewässern nahm sein Bestand jedoch immer wieder ab – und zwar dramatisch. Inzwischen gilt der Krebs als vom Aussterben bedroht, steht nicht nur in Deutschland auf der Roten Liste. Auch der Bestand in der Schlei ist also streng geschützt. Angler müssen ihn, sollten sie ihn am Haken haben, sofort wieder ins Wasser setzen.


Beim Signalkrebs, der wahrscheinlich aus privaten Fischteichen entwichen ist, sieht das anders aus. Da dieser – unter anderem am Langsee – die heimische Art vielerorts verdrängt hat, ist sowohl der Besitz als auch der Handel streng verboten. Das gilt ebenso für den Transport. Denn immer wieder ist es passiert, dass Angler einzelne Exemplare lebend mitgenommen und in anderen Gewässern ausgesetzt haben. Mit fatalen Folgen.

Wie kann man die beiden Krebsarten voneinander unterscheiden?

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Was also tun, wenn man einen Signalkrebs fängt oder findet? „Am besten wäre, ihn direkt zu töten“, sagt Jörg Nadler und fügt an: „Sie schmecken übrigens fantastisch!“ Man könne den Fischer aber auch anrufen (Tel. 04621/855928) oder sich an das INR wenden, um nach Rat zu fragen. „Hauptsache ist, dass er sich nicht weiter verbreiten und am Ende etablieren kann“, betont Nadler. Denn das hätte Konsequenzen für das gesamte Ökosystem. „Je mehr Signalkrebse es werden, desto mehr Kleinstlebewesen fressen sie. Das hat wiederum Folgen für den Fischbestand.“


Aber wie kann man die sehr ähnlichen Krebsarten am besten voneinander unterscheidet? Der heimische Edelkrebs hat einen etwas raueren Panzer, der amerikanische einen glatten. Zudem hat der Signalkrebs, daher sein Name, auffallend weiße Flecken an den Scheren. „Das Problem ist“, gibt Kai Lehmann dabei zu denken, „dass die Tiere meistens voller Schlamm oder Algen sind, ihnen eine Schere fehlt oder auch mal zwei. Das macht eine Bestimmung nicht immer einfach.“

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