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Kooperation oder Konfrontation: Die Suche nach dem richtigen Umgang mit der AfD

Kooperation oder Konfrontation: Die Suche nach dem richtigen Umgang mit der AfD

Kooperation oder Konfrontation: der Umgang mit der AfD

Philipp Dickersbach, Hannes Harding, Ove Jensen, Michael Kuhr, Jan Schönstedt
Schleswig-Holstein
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Demo gegen Rechts: Vor der konstituierenden Sitzung im Kreis Stormarn wurde in Bad Oldesloe gegen die AfD demonstriert. Foto: Melchior Bonacker/SHZ

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Keine Zusammenarbeit mit der AfD – das sehen nicht alle so in Schleswig-Holstein. Während viele Kreistage alle Möglichkeiten ausnutzen, um den Rechtspopulisten keine prominenten Posten zu gewähren, geht der Kreis Segeberg einen ganz anderen Weg.

Die AfD ist gestärkt aus den Kommunalwahlen hervorgegangen. Keine andere Partei hatte einen größeren Zugewinn. Mit 8,1 Prozent bildet die AfD hinter CDU, SPD und Grünen jetzt die viertstärkste Kraft in Schleswig-Holstein. Das bedeutet, dass die Partei in vielen kommunalen Parlamenten an Bedeutung gewinnt. AfD-Vertreter sitzen nicht nur in Ratsversammlungen und Kreistagen, sondern ihnen steht aufgrund des Wahlerfolgs oft auch ein Vorschlagsrecht für einen Ausschussvorsitz zu.

AfD – Parteien schwanken zwischen Kooperation und Konfrontation

Die Reaktionen der etablierten Parteien auf die gestärkten Rechtspopulisten ist dabei sehr unterschiedlich. Von totaler Ablehnung über Ignoranz bis zur Zusammenarbeit gibt es viele Facetten im Ringen um den richtigen Umgang mit der AfD – wie diese Beispiele aus dem Land zeigen.

In den Kreisen Steinburg, Pinneberg, Dithmarschen und Stormarn unterschied sich zwar die Vorgehensweise im Detail, doch das Ergebnis war dasselbe: Der AfD-Kandidat für einen Ausschussvorsitz erhielt keine Mehrheit. Das Ergebnis der Kreistagswahl vom 14. Mai hatte es möglich gemacht. Mit 10,7 Prozent der Stimmen im Kreis Dithmarschen, 10,6 im Kreis Steinburg, 9 in Pinneberg und 8,3 Prozent in Stormarn stand der AfD eigentlich das sogenannte gebundene Vorschlagsrecht für den Vorsitz eines Ausschusses zu.

AfD-Kandidaten fallen überall durch

In Pinneberg sollte es der Jugendhilfeausschuss sein, in Steinburg der Finanzausschuss, in Dithmarschen der Agrar- und Umweltausschuss und in Stormarn sogar der Hauptausschuss. Für alle schickte die AfD Kandidaten ins Rennen. Doch sie scheiterten allesamt. Und zwar deutlich. Zwar gab es im Einzelfall mehr Stimmen für den Bewerber als die AfD Sitze im Kreistag hat, doch das reichte bei weitem nicht, um den Posten einzunehmen.

Während in Stormarn, Dithmarschen und Pinneberg per geheimer Wahl abgestimmt wurde, votierten die Steinburger öffentlich per Handzeichen. Auch die bislang übliche Vorgehensweise, über sämtliche Ausschussvorsitzende „en bloc“ abzustimmen, kam aufgrund der Gemengelage in keinem der Kreise zur Anwendung. Denn damit hätte man den AfD-Kandidaten nur ablehnen können, indem man auch allen anderen Bewerbern die Zustimmung verweigert.

AfD-Chef kritisiert Vorgehen als „ehrlos“

Diese Verhinderungstaktik kam auch im Kreis Ostholstein zur Anwendung. Während andere AfD-Fraktionen dies mehr oder weniger ruhig zur Kenntnis nahmen, schimpft Ostholsteins AfD-Chef lautstark über die Nichtwahl. Thomas Bock bezeichnete das Verhalten der anderen Parteien als „undemokratisch“, „ehrlos“ und setzte es einer „Aufkündigung des demokratischen Miteinanders“ gleich. Die AfD, die in Ostholstein mit 8,8 Prozent sechs Abgeordnete in den Kreistag schickt, sieht ihre Wähler mit Füßen getreten.

CDU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler hatten in einem gemeinsamen Antrag für die Anwendung des Mehrheitswahlrechtes gestimmt, „um ein geschlossenes Signal gegen Rechts zu setzen“. „Die Reduzierung des Einflusses einer als rechtsextrem eingestuften Partei sehen wir als unsere Pflicht an“, argumentierten CDU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler gemeinsam. Völkisches und rechtes Gedankengut dürfe in der Außendarstellung des Kreises Ostholstein keinen Platz haben.

Neumünster ist geübt im Umgang mit Rechten

In Neumünster zog die AfD mit 4,7 Prozent erstmals mit drei Mandaten in den Rat der Stadt ein. Unerfahren im Umgang mit rechten Parteien sind die Neumünsteraner indes nicht. Denn als einzige Stadt in Schleswig-Holstein müssen Verwaltung und Politik seit Jahren mit der rechtsextremen NPD umgehen. Sie war bereits in der vergangenen Wahlperiode mit zwei Mandaten im Rat vertreten. Die inzwischen als „Heimat Neumünster“ auftretenden Extremisten erreichten bei der jüngsten Kommunalwahl 5,6 Prozent und drei Mandate, sodass die beiden Rechtsaußen-Parteien insgesamt sechs der 52 Ratssitze einnehmen.

Um zu verhindern, dass die demokratischen Parteien für Personalvorschläge von AfD und „Heimat Neumünster“ stimmen müssen, setzten sie in der konstituierenden Sitzung für die Besetzung der Ausschussposten und weiterer Gremien eine Verhältniswahl durch. Das heißt: Die jeweiligen Fraktionen und Fraktionsgemeinschaften stimmten über ihre eigenen Personalvorschläge ab. Dass AfD und „Heimat Neumünster“ in den Gremien vertreten sind, ließ sich damit freilich nicht verhindern. In einem Ausschuss wurde der rechtsextremen „Heimat Neumünster“ ein stellvertretender Vorsitz zugelost, die Fraktion verzichtete jedoch darauf.

Kooperation statt Konfrontation in Schleswig-Flensburg

Im Kreistag von Schleswig-Flensburg zeigte sich die fünfköpfige neue AfD-Fraktion auf der ersten Sitzung betont kooperativ und verzichtete von sich aus auf ihr Vorschlagsrecht für den Vorsitz im Jugendhilfeausschuss und den stellvertretenden Vorsitz im Brandschutzausschuss.

Im Vorfeld hatte es da bei einigen Kommunalpolitikern der übrigen Parteien andere Erwartungen gegeben – auch weil der Kreisvorsitzende Jan Petersen-Brendel als Rechtsaußen gilt und dem Umfeld der früheren Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein zugerechnet wird. Gegen Petersen-Brendel betreibt der AfD-Bundesvorstand aktuell ein Parteiausschlussverfahren. 

Kreis Segeberg lässt die AfD gewähren

Der Kreistag in Segeberg bildet bisher die einzige Ausnahme. Hier hat die AfD bereits seit fünf Jahren den Vorsitz des Bauausschusses. Auf der konstituierenden Sitzung nach der Kommunalwahl im Mai wurde Julian Flak nun im Amt bestätigt – mit Stimmen von CDU, Grünen, Freien Wählern und Basis. Sie argumentieren, dass nun einmal viele Bürger die AfD gewählt hätten, was wiederum im Sinne der Demokratie respektiert werden müsste.

Rechtlich gibt es keine Pflicht, den Personalvorschlägen der Fraktionen zuzustimmen. Es ist aber seit Jahren eine politische Gepflogenheit gewesen. Eben solange, bis die AfD in die Parlemante einzog.

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