Erstaufnahmeeinrichtungen in SH

Land erhöht Schutz von Flüchtlingen vor Gewalt

Land erhöht Schutz von Flüchtlingen vor Gewalt

Land erhöht Schutz von Flüchtlingen vor Gewalt

SHZ
Neumünster
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Nach den heftigen Erlebnissen auf ihrer Flucht sollen sich Flüchtlinge in Schleswig-Holstein nicht vor Übergriffen fürchten müssen. Foto: Oksana Manchuk via www.imago-images.de/shz.de

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Checklisten für Stress-Situationen, Selbstverpflichtungen zu einem Verhaltenskodex, schnellere räumliche Absonderung von Opfern: Das Land will Übergriffen in den Massenunterkünften für Flüchtlinge besser vorbeugen.

Das Land will besonders vulnerable Flüchtlinge besser gegen Gewalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Rendsburg, Neumünster, Boostedt und Bad Segeberg absichern. Dazu optimiert es das Schutzkonzept.


„Wir möchten in Krisensituationen noch zielgerichtetere Interventionsketten garantieren“, sagt Dirk Gärtner, Direktor des Landesamts für Zuwanderung und Flüchtlinge in Neumünster. „Mit der Überarbeitung des Schutzkonzepts werden wir für die Mitarbeiter noch viel klarer Prozesse und Handlungsanweisungen definieren.“ Ein Bestandteil sollen Checklisten sein, mit denen das Personal auch in Stress-Situationen den Überblick behalten kann, in welcher Abfolge genau was zu tun ist.

Reaktion auf hohe Fluktuation bei privaten Sicherheitsfirmen

Mit ausschlaggebend für den Schritt sei die Fluktuation bei den Angestellten privater Sicherheitsdienste, heißt es beim Land. Diese übernehmen vielfältige Aufgaben in der Aufsicht in den Erstaufnahmeeinrichtungen. „Durch die Wechsel müssen stets neue Personen an die besondere Tätigkeit herangeführt werden“, verdeutlicht Landesamts-Sprecher Wolfgang Kossert.

Verhaltenskodex per Selbstverpflichtung

Zugleich sollen sich sowohl die Angehörigen privater Sicherheitsfirmen als auch Beschäftigte des Landes selbst künftig einem Verhaltenskodex verpflichten. Darin verbürgen sie sich für einen wertschätzenden Umgang mit den ethnisch vielfältigen Bewohnern. „Wir sehen das als eine Art Selbstverpflichtung für alle, die mit den Flüchtlingen zu tun haben“, erklärt Kossert. Als besonders schutzbedürftig sehen die Ausländerbehörden Frauen, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Behinderte, Senioren und zunehmend auch Homosexuelle und Transgender-Personen an.

Übergriffe gegen Transgender-Personen

Gegen letztere Personengruppe ist es in den Landesunterkünften laut Innenministerium häufiger zu expliziten sexuellen Angeboten anderer Bewohner gekommen. Dadurch hätten sich die Betroffenen bedroht gefühlt. Zudem seien Transgender-Personen mit „aggressiver verbaler Ablehnung“ konfrontiert gewesen. „Diese Menschen müssen in besonders geschützten Bereichen untergebracht werden, um sie vor Anfeindungen zu schützen“, lautet die Schlussfolgerung.

Polizei-Ermittlungen nicht mehr erst abwarten

Bereits seit dem vergangenen Jahr wartet das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge bei jeglichen Vorwürfen wegen sexueller Gewalt mit Reaktionen nicht mehr ab, bis die Polizei einen Fall ausermittelt hat. Kossert: „Mittlerweile wird das potenzielle Opfer auch schon im Verdachtsfall dem Einflussbereich des Tatverdächtigen entzogen. Und zwar, indem es gleich in eine andere Aufnahmeeinrichtung oder etwa ein Frauenhaus verlegt wird.“

2021 hatte eine Anschuldigung wegen Vergewaltigung gegen den Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes durch eine Asylbewerberin der Erstaufnahme in Rendsburg für Aufsehen gesorgt. Der Fall ist polizeilich bis heute nicht endgültig geklärt.

Schlägerei-Vorwürfe gegen privaten Sicherheitsdienst

Wie viele strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen private Sicherheitsdienste in den Erstaufnahmeeinrichtungen es im vergangenen Jahr gegeben hat, hat die Landesregierung nach eigenen Angaben nicht erfasst. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Aminata Toure nennt das Innenministerium elf Vorfälle aus Polizeiakten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Achtmal ging es dabei um Vorwürfe wegen Körperverletzung oder schwerer Körperverletzung. Etwa, weil eine Sicherheitskraft ihrerseits mit Schlägen in eine Schlägerei zwischen zwei Bewohnern eingegriffen habe. Oder weil ein Sicherheitsmitarbeiter einem Flüchtlinge Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben soll, weil er sich von diesem bedroht fühlte. Acht der elf Fälle wurden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.


Kossert sieht es so: „Es hat beim Sicherheitspersonal immer mal wieder Fälle gegeben, die kritikwürdig sind, meist in Stresssituationen. Aber es sind Einzelfälle.“ Ungleich häufiger gerieten Flüchtlinge untereinander in Streit, etwa, weil sich verschiedene Ethnien gegenseitig nicht leiden könnten. „Und“, so der Sprecher des Landesamts, „man kann auch nicht wegdiskutieren, dass das Leben in einer Erstaufnahmeeinrichtung permanent etwas konfliktbeladen ist, etwa durch viele Personen auf wenig Raum oder angesichts der unsicheren Lebensperspektiven vieler Anwesender“.

Größte Herausforderung bleibt nach den Erfahrungen des Landesamts für Zuwanderung und Flüchtlinge, eine besondere Schutzbedürftigkeit von Personen überhaupt zu identifizieren. Der Gesprächsleitfaden für die Aufnahmegespräche soll dazu weiter ausgefeilt werden. „Die Philosophie ist, dass möglichst nicht gewartet wird, bis sich jemand von sich aus offenbart, sondern dass beide Seiten im Gespräch gemeinsam darauf kommen“, erklärt Amtsleiter Gärtner. „Oft stellt aber auch Schamgefühl von Flüchtlingen eine Hürde dar und sprachliche Klippen lassen sich auch nicht in jedem Fall überwinden.“

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