Die Wassertemperatur steigt

Meeräschen statt Zander: Wie der Klimawandel die Artenvielfalt in der Schlei verändert

Meeräschen statt Zander: Klimawandel verändert die Artenvielfalt der Schlei

Meeräschen statt Zander: Klimawandel verändert die Schlei

SHZ
Schleswig
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Fischer Jörg Nadler kennt sich aus auf der Schlei. Er beobachtet sein Revier sehr genau und registriert jede Veränderung in dem Ökosystem. Foto: Markus Scholz/shz.de

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Der Klimawandel wirft seine Schatten voraus: Der Meeresspiegel steigt bereits und wenn die Temperaturen steigen, wird auch das Wasser wärmer – was das für die Schlei bedeutet.

Jörg Nadler kennt sich aus auf und in der Schlei. Seit er vor 20 Jahren nach Schleswig kam, ist die Schlei sein Revier, im Sommer genauso wie im Winter, bei Sturm, Regen und bei Sonnenschein. Als Holmer Fischer geht ihm früher oder später alles, was in der Schlei schwimmt ins Netz. Der Fischer beobachtet die Natur sehr genau, nicht nur, weil seine berufliche Existenz davon abhängt, sondern auch, weil er sich für das Ökosystem Schlei und die Zusammenhänge interessiert. Dabei hat er zum Teil krasse Veränderungen bei den von ihm gefangenen Fischarten registriert. Wirft der Klimawandel hier schon seine Schatten voraus?

„In diesem Herbst tauchten plötzlich viele kleine Meeräschen in der Schlei auf“, berichtet Nadler. „Die habe ich in diesen Mengen noch nicht in der Schlei gesehen.“ Eigentlich bleibe der Fisch, „ein sehr delikater Speisefisch“, wie Nadler betont, immer in der Ostsee. Doch der Fischer weiß: „Die kommen mit wärmeren Temperaturen klar.“

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Neuerdings vermisst Nadler dafür den Zander. „Der ist komplett ausgefallen.“ 2006 und 2007 habe er noch Zander als Besatzfische nach Berlin schicken können. „Danach ist er nicht mehr aufgetaucht. Auch der Bestand an Hechten ist in die Knie gegangen“, hat er festgestellt.

Fatale Folgen für den Fischbestand

Was fehlt, sind derzeit anhaltend kalte Winter, meint Nadler, ob dies allerdings schon auf den Klimawandel zurückzuführen ist, vermag er natürlich auch nicht zu sagen. Aber das Fehlen kalter Winter wirke sich auf das Ökosystem aus. So sei der Bestand an Kormoranen derzeit so hoch wie noch nie, meint der Fischer. Das wiederum habe fatale Folgen für den Fischbestand in der Schlei. Es sei ihm zurzeit kaum noch möglich, nicht von Vögeln angefressene Fische zu fangen.

„Anfang Februar 2012 gab es einen Kälteeinbruch, und 2013 sogar zwei bis drei Monate richtig harten Winter“, erinnert sich Nadler. Weil Schlei und deren Nebenflüsse zugefroren gewesen waren, seien viele Kormorane verhungert. Der Bestand war reduziert, die Fischbestände konnten sich etwas erholen.

Manche Fischarten brauchen kaltes Wasser

Es gibt aber auch etliche Fischarten, die kühlere Temperaturen vorziehen, ja sogar für ihre Fortpflanzung benötigen, erklärt Nadler. Kaltwasser-Laicher wie Hechte und Heringe etwa oder Meerforellen, die im Sommer in die Schlei zum Fressen kommen, sofern das Wasser kalt genug ist. „Wie sich eine Erwärmung der Schlei auf sie auswirkt, ist noch gar nicht abzusehen“, so Nadler.

Oberwasser durch höhere Temperaturen könnten aber aus südlichen Gefilden eingewanderte Arten wie die Schwarzmeergrundel bekommen oder auch Rippenquallen, die heimischen Arten den Lebensraum streitig machen, fürchtet er. Der Klimawandel böte möglicherweise vielen eingeschleppten Arten Vorteile gegenüber den an kältere Temperaturen angepasste heimische Arten.

Wärmeres Wasser begünstigt Algenblüten

Das Problem einer steigenden Wassertemperatur in der Schlei beschäftigt auch Thorsten Roos, beim Kreis zuständig für den Umwelt- und Naturschutz. Der Kreis versucht seit geraumer Zeit, die nach wie vor als ökologisch schlecht eingestufte Qualität des Schleiwassers durch Verminderung der Nährstoffeinträge zu verbessern. „Wir wissen, dass wir zuletzt geringere Nährstoffeinträge hatten“, so Roos. Doch dieser Effekt werde durch einen Temperaturanstieg des Wassers wieder kompensiert. „Eine Erhöhung der Temperatur bedeutet einen stärkeren Pflanzenwuchs“, erklärt er. Das führe zu einer stärkeren Algenblüte, was den Sauerstoffgehalt des Wassers vermindere, was wiederum für viele Fischarten lebensbedrohlich sei.

Das Problem zeigt sich erst langfristig

„Doch selbst bei weiter sinkenden Nährstoffeinträgen hätten wir durch die steigenden Temperaturen ein erhöhtes Algenwachstum“, meint Roos. Der positive Effekt werde dadurch kompensiert. „Inwieweit das langfristig Einfluss auf die Fischfauna hat, muss man in den nächsten Jahrzehnten schauen.“

Wer von einem Temperaturanstieg profitieren könnte

Er will aber nicht ausschließen, dass es auch Fischarten geben wird, die vom Temperaturanstieg profitieren. Es könnten ökologische Nischen entstehen, in die andere Arten einwandern. Quallen etwa könnten profitieren. Roos: „Sie sind anpassungsfähig, leben von Plankton, Fischlaich und jungen Fischen. Quallen sind im Moment die absoluten Gewinner. Wir wissen, es gibt Quallenarten, die hier gesehen worden sind, die aber wegen der niedrigen Wassertemperaturen bisher keine Überlebenschance haben.“ Das könnte sich bei einer Erhöhung der Wassertemperatur aber ändern. „Was das alles letzten Endes konkret für die Schlei bedeutet, ist derzeit kaum zu beantworten und wäre hochspekulativ“, sagt Roos.

Gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem Schlei

Der Temperaturanstieg in Schlei und Ostsee wird wohl nur langsam vorangehen. Dass aber schon jetzt einzelne Ereignisse wie ausbleibende Kälteperioden im Winter gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem haben können, legen die Beobachtungen von Fischer Jörg Nadler über die Kormoranbestände und deren Auswirkung auf die Fischwelt nahe.

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