Bundestagswahl 2021

Robert Habeck in Flensburg: „Es ist Zeit für eine neue politische Ära“

Robert Habeck in Flensburg: „Es ist Zeit für eine neue politische Ära“

Robert Habeck in Flensburg

SHZ
Flensburg
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Heimspiel für Habeck: Der Direktkandidat aus Flensburg wirbt am Montagnachmittag auf dem Südermarkt für neue Wege. Foto: Antje Walther/shz.de

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Der Bundesvorsitzende der Grünen und Direktkandidat für den Wahlkreis 1, Flensburg-Schleswig, hat auf Wahlkampftour in seiner Heimatstadt Flensburg erklärt, welche neuen Wege seine Partei gehen will.

Natalie und Thomas studieren auf Lehramt in Flensburg. Beide haben schon per Briefwahl gewählt. Ihre Entscheidung kann Robert Habeck nicht mehr beeinflussen, dennoch haben sich die beiden 29-Jährigen den Auftritt des Direktkandidaten aus ihrem Wahlkreis am Montag auf dem Südermarkt in Flensburg angesehen.

Natalie und Thomas beschreiben sich als gut informiert. Sein Recht zu wählen sollte man in jedem Fall wahrnehmen, sagt Thomas. Und Natalie ergänzt, dass wer nicht wähle, sich am Ende auch nicht beschweren dürfe.

Bereitschaft zur Verantwortung ein Kernthema

Genau diese Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist ein Kernthema in der Rede des Bundesvorsitzenden der Grünen an diesem sonnigen September-Nachmittag.

Das Flatterband flattert hier in grün-weiß, die Sitzhocker in erster Reihe rund um die Bühne sind aus Pappkarton, der eine oder andere aus dem entspannten Publikum ruft schon mal nach „Robert“.

Im Café backstage sitzt Rasmus Andresen, der Flensburger Europa-Abgeordnete, und wartet auf seine Rechnung. Währenddessen läuft sich Marlene Langholz-Kaiser warm, ebenfalls Grüne und aus Flensburg, die auf Listenplatz 9 für den Bundestag kandidiert und in ihrem kurzen Statement für mehr Europa wirbt.


Aus Habecks Sicht verweigere die Regierung kontinuierlich Antworten, selbst im Wahlkampf, sitze Probleme aus und reagiere erst auf die eingetretene Katastrophe. Der Flensburger nennt die Finanzkrise oder meint Fukushima, die sich ereignen mussten, bevor der Geldmarkt reguliert und der Atomausstieg beschlossen wurden.

Der Leistung der scheidenden Bundeskanzlerin zollt er „hohen Respekt“, „aber politisch“, sagt der Grüne, „ist es höchste Zeit, dass eine Ära zu Ende geht.“ Es sei Zeit für eine „neue politische Ära.“ Ein bloßes „Sie kennen mich“ solle es nie wieder geben.


Dass er selbst einen enormen Bekanntheitsgrad erlangt hat, ist dem Grünenchef bewusst, und er kokettiert damit, wenn er sagt, dass er mit Christian Lindner „rumhängen muss“, gerade am Vortag in der Sendung „Anne Will“. Die Lacher der – nach Schätzungen einer Polizeisprecherin – 200 bis 250 Zuhörer auf dem Südermarkt sind beim eloquenten Redner.

Habeck redet frei und energisch, mindestens eine Dreiviertelstunde lang, baut Beispiele ein, hat Humor. Das Wortspiel sei nicht unbedingt beabsichtigt, kündigt der gelernte Schriftsteller an, als er voraussagt, dass diese Antwortlosigkeit zu Verantwortungslosigkeit führe.

Die „militärisch-moralische Niederlage in Afghanistan“ nennt der 52-Jährige als ein Beispiel dafür. Keiner will es gewesen sein, resümiert er und ruft: „So eine Regierung braucht kein Mensch. Wir brauchen eine Regierung, die bereit ist, Fehler zu machen.“

Aufhören, in Gegensätzen zu denken

Auch der Klimawandel lässt sich nicht aussitzen, im Gegenteil, die Zeit laufe davon, weshalb Habeck auch hier eine Politik verlangt, die so radikal sein müsse wie die Ereignisse es sind – von Ahrweiler bis zu den 50 Grad Celsius in Kanada zu Jahresbeginn.

Dem Bundesverfassungsgericht dankt er für sein zukunftsweisendes Urteil, das von „Freiheit durchtränkt“ und nicht mit Regellosigkeit gleichzusetzen sei. Habeck wirbt dafür, aufzuhören, „in Gegensätzen zu denken“. Stattdessen solle es fair und gerecht zugehen und bedürfe es neuer Wege. Darin sieht er auch die Stärke seiner Partei. Der Grünen-Chef will nicht nur einen Politik-, sondern auch einen Tonartwechsel, einen Brückenschlag, wie er in der Region gelungen sei.

„Es geht um die Zukunft“, sagt der 18-jährige Denny, der mit seiner Mutter den Auftritt Habecks verfolgt und im Bild per Smartphone festhält. Beide sind vor allem an Umweltthemen interessiert. Und Denny nennt, was am Sonntag kommt, eine „Richtungswahl“.

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