Schleswig-Holstein

Der Schaalsee: Ein Platz für Naturfreunde, Genießer und Geschichtsforscher

Der Schaalsee: Ein Platz für Naturfreunde, Genießer und Geschichtsforscher

Der Schaalsee: Ort für Naturfreunde und Genießer

Karin Lubowski/shz.de
Schleswig-Holstein
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Holzsteg im Priestersee, einer der neun Teilseen des Schaalsees. Foto: www.imago-images.de

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Einfach mal nichts tun – außer genießen: die Natur, den Ausblick, die Ruhe. Ruhe vor allem. Wir sind am Schaalsee, einem Gewässer voller Geschichten. Dass einst die deutsch-deutsche Grenze mitten durch ihn hindurch ging, ist nur eine davon;...

Ein Gewässer, zwei Bundesländer, zwei Naturschutzgebiete: Im Schaalsee verläuft die Grenze zwischen dem schleswig-holsteinischen Kreis Herzogtum Lauenburg und dem mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim. Im Westen hat der Naturpark Lauenburgische Seen den Schaalsee unter seinen Fittichen, im Osten das Biosphärenreservat Schaalsee. Ist man nun im Westen oder im Osten? Der Natur ist das egal, den Besuchern meistens auch.

Überhaupt Schaalsee! Schon der Name ist irreführend, denn tatsächlich handelt es sich um eine zerklüftete, von den Gletschern der letzten Eiszeit geformte Gewässerlandschaft mit einer Länge von etwa 14,3 Kilometern in Nord-Süd-Ausrichtung und einer Fläche von 24 Quadratkilometern, zu der neun namentlich benannte Teilseen gehören: im Norden der Dutzower See, der Bernstorfer Binnensee und der Niendorfer Binnensee; im Westen der Priestersee und der Seedorfer Küchensee; im Süden der Lassahner See, der Borgsee, der Techiner See und der Kirchensee.

Und alles zusammen ist ein Paradies mit Inseln und Halbinseln, das mit bis zu 72 Metern den tiefsten Klarwassersee Norddeutschlands bildet. Hier scheint die Welt still zu stehen oder vielmehr: der See aus dem Alltagsgetriebe gefallen zu sein. Kaum zu glauben, dass auf einer gedachten geraden Linie Hamburg nur 62 Kilometer und Schwerin 32 Kilometer entfernt sein soll. Der Schaalsee kommt der Vorstellung von purer Natur ziemlich nahe. Und in der darf man sich als Entdecker fühlen.

Kampenwerder und Stintenburginsel

Da sind tatsächlich Inseln zu erkunden. Die größte ist Kampenwerder. 30 Menschen leben hier auf 2,5 Quadratkilometern im Herzen idyllischer Abgelegenheit zwischen Feldern und bewaldetem Ufer. Zu ihnen gelangt man von der mecklenburgischen Gemeinde Lassahn aus über eine schmale Landbrücke. „Klopstockweg“. So heißt die Strecke, die über die Stintenburginsel nach Kampenwerder führt. Benannt ist sie nach dem Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der hier im Jahr 1767 unter dem Eindruck der prallen Natur die 15 Strophen lange Ode „Stintenburg“ verfasst hat. Eine knorrige, gut 250 Jahre alte Stieleiche, die „Kloppstockeiche“, erinnert an den Besuch des Poeten der Empfindsamkeit.

DDR-Grenzsoldaten im historischen Brückenhaus

Am Entrée zur Stintenburginsel wacht das historische Brückenhaus, in dem, nomen est omen, früher der Brückenwärter ein Auge auf die Ein- und Ausgehenden hatte. Später waren in ihm DDR-Grenzsoldaten stationiert. Heute ist das Fachwerkgebäude Restaurant mit Café-Garten, Räucherei, Terrasse am Ufer und seit der Restitution wieder im Besitz der Familie von Bernstorff. Weil der von Anfang an regimekritische und 1945 ermordete Albrecht Graf von Bernstorff den Nationalsozialisten Widerstand leistete, war das Gut der Familie bereits 1943 genommen worden. Nach dem Krieg führte hier die Staatssicherheit der DDR Regie.

Ein Dorado für Maränenliebhaber

Auch dies ist ein Platz für Genießer. Das Schaalseewasser ist immer im Blick. Dessen gute Qualität sorgt für reiches Fischaufkommen. Dutzende Arten fühlen sich hier wohl, eine Besonderheit ist die Maräne, die es sauber und tief will. Und so ist der Schaalsee in der Hauptfangsaison zwischen Mai und September ein Dorado für Maränenliebhaber. In Butter gebraten oder geräuchert gibt es sie (und anderen Fisch) in den nahegelegenen Gasthäusern und Räuchereien.

Im lauenburgischen Groß Zecher hat sich ein Gastbetrieb nach dem Lachsfisch benannt und das mecklenburgische Städtchen Zarrentin, das mit rund 5500 Einwohnern der größte Ort am Schaalsee ist, bietet nicht nur besonders zahlreiche Gelegenheiten, Seegetier zu kosten, hier haben auf blauem Grund zwei Maränen ihren Platz im Wappen.

Der Äbtissinnenstab unter den Fischen verweist auf das ehemalige 1246 gegründete Zisterzienserinnenkloster, ein mächtiger Bau, in dessen Kreuzgang sich heute eine Ausstellung mit dem Kloster Zarrentin und seiner Geschichte befasst. Die Klosterkirche nebenan, ein Nachfolgebau für die im 15. Jahrhundert baufällig gewordene romanische Kirche, beherbergt eine Kanzel, die ein Pastor 1699 gebraucht aus der Lübecker Marienkirche herausgekauft hatte, wo sie, ein frühes „Kind“ der Reformation, zuvor schon 150 Jahre lang genutzt worden war.

Wie die Äbtissin von Zarrentin dem Teufel ihre Seele versprach

Und natürlich gibt es auch eine Sage, die von der Verbindung von Fischen und Nonnen zu berichten weiß: Der Appetit auf Maränen war so groß, dass eine Äbtissin des Klosters Zarrentin einst dem Teufel ihre Seele versprochen habe, wenn er ihr bis Mitternacht ein paar dieser Fische herbeischaffen würde. Die Gewissensbisse folgten auf dem Fuß und sie beichtete noch vor dem Glockenschlag. Eine Mitschwester half ihr aus der Not, stellte die Uhr vor, und als diese zur Mitternacht schlug, ließ der Teufel vor Wut über die vermeintliche Verspätung die Maränen ins Wasser fallen. Seitdem ist der anspruchsvolle Fisch im Schaalsee zu Hause. Ein Paradies eben, in dem menschliche Besucher als Beobachter willkommen sind und sich womöglich als Teil der Natur erleben.

Zwei Länder – zwei Naturschutzgebiete

In einem Paradies gelten Gebote. „Der Schutzstatus eines Naturparks erhält bedrohte Tier- und Pflanzenarten und ihre vielfältigen Lebensräume. Aber trotz der Vorgaben für gezielte Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen darf der Mensch sich hier erholen und die biologische Vielfalt entdecken“, heißt es bei Naturpark Lauenburgische Seen. Mit anderen Worten: Wer Freizeitaktivitäten bevorzugt, die diesen Lebensraum stören, ist falsch hier.

Aber Abenteuer müssen ohnehin nicht laut und motorisiert sein. Mit diesem Vorschlag für eine Wasserwanderung hin zum Schaalsee beweist der Naturpark das Gegenteil: „In Ratzeburg zweigt vom Küchensee der Schaalseekanal ab, auf dem man zum Salemer See und bis zum Schaalsee gelangt. Der Wasserwanderweg Schaalsee-Trave ist unter Kanuten ein Begriff. Die teils von Wald gesäumten Ufer des Schaalseekanals sind wild und urwüchsig. Im Revier bieten zahlreiche Seen mit ihren bewaldeten Ufern – wie der Pipersee bei Sterley – Kanuten und Ruderern die Möglichkeit zu skandinavisch einsamen Impressionen in der Stille der Natur.“

Das Pahlhuus informiert über das Biosphärenreservat Schaalsee

Das Biosphärenreservat Schaalsee, das in Zarrentin das Informationszentrum Pahlhuus eröffnet hat, erklärt, was erlaubt und was verboten ist. Baden zum Beispiel ist an ausgewiesenen Badestellen erlaubt. Die in Zarrentin, dem südlichsten Punkt des Schaalsees, wird als die mit dem schönsten Blick gehandelt, denn von hier aus sind die Insel Möwenburg, das Kloster und die Kirche zu sehen. Wer es noch ruhiger mag, sucht sich eine der verschwiegenen Badebuchten, die es in fast jedem Dorf am See gibt. Individueller Bootsverkehr ist auf eine limitierte Anzahl von registrierten Wasserfahrzeugen beschränkt; Surfen, Tauchen, SUP sind ebenso verboten wie Drohnenflüge. Die Details sind auf den Webseiten www.naturpark-lauenburgische-seen.de und www.schaalsee.de nachzulesen. Nicht alle Ge- und Verbote sind identisch. Wie gesagt: ein Schaalsee, zwei Bundesländer, zwei Naturschutzgebiete – auch ein Erbe der einstigen deutschen Teilung.

Reiche Natur dank Grenzlage

Doch ausgerechnet die hat zur Entwicklung einer Wildnis und einer reichen Natur beigetragen, mit der sich heute Landwirtschaft, Fischerei, Tourismus arrangieren. Bis 1989 befand sich das Ostufer im DDR-Sperrgebiet, menschliche Besucher gab es hier so gut wie nie, die Tier- und Pflanzenwelt blieben nahezu ungestört. Und so zeigt sich hier, wie die Welt aussehen kann, wenn sie in Ruhe gelassen wird. Keine einem touristischen Badebetrieb zuliebe freigelegten Uferzonen, sondern dicht mit Schilf bewachsene, in denen Brutvögel Schutz finden. Fischotter und Rotbauchunken, große Rohrdommel, Kranich und Eisvogel leben am und vom Schaalsee. Man hört über Hechte von 90 Zentimetern Länge, über Karpfen von 15 und Schleien von vier Kilogramm Gewicht. Wer Glück hat, kann einen Seeadler beobachten oder Orchideen und Sonnentau wild wachsen sehen.

Wie heißt es doch zu Beginn in Klopstocks Ode:

„Insel der frohen Einsamkeit,
Geliebte Gespielin des Widerhalls
Und des Sees, welcher itzt breit, dann, versteckt
Wie ein Strom rauscht an des Walds Hügeln umher …“

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