Schleswig-Holstein

So können Sie sich bei Sturmfluten schützen

So können Sie sich bei Sturmfluten schützen

So können Sie sich bei Sturmfluten schützen

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Mit dem Klimawandel könnte die Gefahr von Sturmfluten steigen. Foto: dpa/shz.de

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Umweltminister Tobias Goldschmidt und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack warnen angesichts des Klimawandels vor möglichen neuen Hochwassern und geben den Bewohnern an den Küsten Tipps für den Eigenschutz.

Tobias Goldschmidt hat selbst gesehen, wie der Küstenschutz im Land funktioniert: Gerade hat der Grünen-Politiker seine erste Deichschau als Umweltminister absolviert – und dabei nicht nur Kohlrouladen gegessen, sondern sich auch von der Sicherheit der Deiche an der Westküste überzeugt. Dennoch appelliert der oberste Küstenschützer an die rund 330.000 Menschen, die an den Küsten des Landes wohnen, sich selbst vor möglichen Sturmfluten zu schützen.

„Wir haben die Flutkatastrophe im Ahrtal zum Anlass genommen, um eine Broschüre an 192.000 Haushalte in den Küstenregionen zu verschicken, die den Menschen deutlich macht, was sie im Fall einer Sturmflut tun können – aber auch was sie schon jetzt bedenken sollen“, sagt Goldschmidt.

Dass es auch an der Ostsee zu Hochwasser kommen kann, zeigt die große Ostseesturmflut von 1872, die sich in der Nacht zum Sonntag zum 150. Mal jährt. Bei der schwersten bekannten Ostseesturmflut kamen in Schleswig-Holstein 31 Menschen ums Leben, das Wasser stand in Lübeck mehr als drei Meter über dem normalen Pegel.

„Das war ein singuläres Ereignis, bei dem verschiedene Dinge zusammen zur Katastrophe führten: Der Westwind hatte das Wasser über Tage nach Osten gedrückt, das dann durch einen Orkan mit entgegengesetzter Windrichtung und zwei Flutwellen auf die Küste traf“, sagt Goldschmidt. „Natürlich können solche ungünstigen Komponenten auch heute wieder zusammentreffen“, ergänzt Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, die für den Katastrophenschutz zuständig ist.

Denn Hochwasser sind auch in der jüngsten Vergangenheit an der Ostsee nichts Unbekanntes. In den Jahren 2017 und 2019 gab es Fluten, bei denen der Pegel in Lübeck bis auf 1,78 Meter über den Normalstand stieg. „Solche Hochwasser haben wir statistisch alle zehn bis 20 Jahre“, sagt Jacobus Hofstede, stellvertretender Referatsleiter für Küstenschutz im Umweltministerium.

Gefahr durch steigenden Meeresspiegel

Hinzu kommt der Klimawandel, der weltweit die Meeresspiegel ansteigen lässt. Gehe man von einem Anstieg des Meeresspiegels um 1,30 Meter aus – wie ihn Klima-Experten bis Mitte des nächsten Jahrhunderts erwarten – „hätte eine Sturmflut an der Ostsee die Ausmaße von 1872“, sagt Hofstede – und Goldschmidt ergänzt schnell: „Wenn es die Deiche nicht gebe.“

Dass aber auch die keinen perfekten Schutz bieten, zeigt sich am historischen Beispiel. Damals habe es an der Küste bei Dahme (Kreis Ostholstein) einen zu niedrigen Sanddeich gegeben. „Die Leute haben sich dahinter sicher gefühlt“, sagt Hofstede. „Doch das war trügerisch, denn der Deichschutz hat furchtbar versagt. Vielleicht sind deswegen allein dort zehn Menschen ums Leben gekommen.“

Die Gefahr, dass es erneut eine Sturmflutkatastrophe diesen Ausmaßes geben könnte, hält Goldschmidt für gering. Aber durch den Klimawandel und den stetig steigenden Meeresspiegel steige dennoch die Wahrscheinlichkeit, dass sich so ein Ereignis wiederholt. „Wir wollen keine Panik verbreiten“, sagt Sütterlin-Waack. „Aber wir wollen die Menschen sensibilisieren“, ergänzt Goldschmidt. Denn allein in den Gebieten, die 1872 unter Wasser standen, leben heute 30.000 Menschen. Die bedrohten Sachwerte in der Region liegen bei sieben Milliarden Euro.

An der 540 Kilometer langen Ostsee sei es eben anders als an der Westküste nicht möglich, überall Deiche zu bauen – sie gibt es nur auf einer Länge von 146 Kilometern, sagt Goldschmidt. In Städten wie Kiel, Lübeck oder Eckernförde sind die Möglichkeiten begrenzt. „Wir haben eine Ausgleichsküste“, sagt Goldschmidt. Da seien Abbrüche an Steilküsten einkalkuliert, weil der Sand an anderer Stelle wieder angespült werde. Und in manchen Region wie etwa in Timmendorfer Strand sei der Küstenschutz für die Menschen gar nicht sichtbar, weil er sich unter Dünen befinde.

„Bei Hochwasser ist der Sand weg, aber die Spundwand ist noch da“, sagt Hofstede. Solche kreativen Küstenschutzideen werde es wohl künftig häufiger geben – ebenso wie bauliche Veränderungen, in dem man etwa bei neuen Häusern den ersten Stock etwas höher anlegt, sagt Sütterlin-Waack. Auch Tür- und Fensterverschottungen könnten einen zusätzlichen Schutz bieten.

Die CDU-Politikerin rät den Küstenbewohnern schon jetzt, sich für Sturmfluten zu rüsten. Rund ein Viertel Schleswig-Holsteins sei von Hochwasser bedroht, in den Regionen leben 330.000 Menschen. Vor Jahren habe man den Bundesinnenminister noch ausgelacht, als der das Anlegen von Notfallpaketen empfohlen habe. „Heute nehmen die Menschen das zu Recht ernster. Es kann nicht schaden, immer eine Taschenlampe, ein Radio und die wichtigsten Papiere bereit zu haben“, so die Ministerin, die auch deswegen das 15 Seiten starke Info-Blatt an die Küstenbewohner verschickt. „Die Leute lesen so viele Sachen im Internet, da können Sie sich auch mal unsere Broschüre durchlesen.“

Behörden stimmen sich auch schon vor Notfällen ab

Anders als bei der Ahrtalflut stimmten sich Behörden in Schleswig-Holstein bei Katastrophen ab. „Wir sind ganz gut vorbereitet“, sagt Sütterlin-Waack. Das sieht auch Tobias Goldschmidt so, der bei der Deichschau in Dithmarschen gesehen hat, wie auch Klimadeiche, die beim Anstieg des Meeresspiegels erhöht werden können, die Küsten schützen. Er sagt aber auch: „Die Gefahr einer Sturmflut kann man nie ausschließen.“

Mehr Infos zur Ostseesturmflut und eine interaktive Karte gibt es hier.

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