Schleswig-Holstein

Über die Rolle der Frau, Heimweh und einen Patriarchen: Storms Exil-Briefe wurden erstmals vollständig ediert

Storms Exil-Briefe wurden erstmals vollständig ediert

Storms Exil-Briefe wurden erstmals vollständig ediert

Julia Weilnböck/shz.de
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Eine Porträtzeichnung von Theodor Storm im Exil, 1861 in Heiligenstadt, gemalt von die Ludwig Pietsch. Foto: Literaturmuseum „Theodor Storm“ in Heilbad Heiligenstadt

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Politische Umbrüche, Festvorbereitungen, Familienszenen und dichterisches Schaffen – Theodor und Constanze Storms Briefe aus dem preußischen Exil in die Husumer Heimat sind „so reich wie das Leben.“ So beschreibt die Editorin Regina...

Theodor Storm ist mit Husum vielfach verbunden – sie ist seine Geburtsstadt, seine Arbeitsstätte, die Heimat seiner Familie und auch das Objekt seines dichterischen Schaffens. Eines der schwersten, aber auch wichtigsten Jahrzehnte des nordfriesischen Dichters und Anwalts fand aber im Exil, in der Fremde statt: Nach der dänischen Besatzung 1851 zog Storm mitsamt Frau und drei Kindern nach Preußen.

Während seiner Zeit in Potsdam und Heiligenhafen musste der Anwalt beruflich noch einmal ganz von vorne anfangen, wurde noch dreimal Vater, knüpfte wichtige Beziehungen in die Literaturszene und schaffte seinen Durchbruch als Autor. Dokumentiert wird diese Zeit durch einen regen Briefwechsel in die Heimat, nach Husum zu seinen Eltern Lucie und Johann Casimir Storm.

Ganze 500 Buch-Seiten füllt die Korrespondenz zwischen Constanze und Theodor, mit Lucie und Johann Casimir während der sogenannten Exiljahre von 1852 bis 1864. Die restlichen 500 Seiten der zweibändigen Edition braucht die Storm-Expertin und Editorin Regina Fasold für den geschichtlichen, politischen, biografischen und familiären Kontext. Warum war Storm überhaupt im Exil in Potsdam und Heiligenstadt? Was spricht er in seinen Briefen nicht an? Und welche Rolle hatte sein Vater Johann Casimir, von dem nur wenige Briefe überliefert sind?

Seit 2018 transkribiert, kommentiert und ediert Regina Fasold die Briefe der vier Storms und versammelt dabei zum ersten Mal die gesamte überlieferte Korrespondenz. Das Ergebnis ist das diesjährige Zentrum der Storm-Tagung, von Freitag, 8. September, bis Sonntag, 10. September. Die Editorin stellt die Briefe und das Editionsprojekt am Samstag, 9. September, um 9 Uhr vor. Anschließend lesen Schauspieler auch aus dem Briefwechsel Passagen vor.

Die Stimmen der Frauen: Lucie und Constanze Storm erstmals mit ediert

In dieser Edition der Exilbriefe sind zum ersten Mal auch die Briefe der beiden Ehefrauen, Lucie und Constanze, für Fasold wertvolle Perspektiven.

So seien die Briefe zwischen den vier Personen im Grunde die Gespräche zwischen zwei Männern und zwei Frauen innerhalb einer streng patriarchalischen Gesellschaft – und dementsprechend aufgeteilt nach Themen und Adressaten. „Theodor kümmerte sich um Arbeit und Politik, beschrieb aber auch die Vorbereitungen zu Weihnachten oder die Erlebnisse mit seinen Kindern.“

Manchmal übernahm seine Frau Constanze dann den Brief oder schrieb auch eigene, richtete sich dabei aber vor allem an ihre Schwiegermutter, Lucie. „Dabei ging es dann um den Haushalt, Krankheiten, Feiern, Feste, Beerdigungen und die Kinder.“

Der Patriarch im Hintergrund: Johann Casimir Storm

Den Schwiegervater, Johann Casimir, sprach Constanze selten an, auch da sie vor dem strengen Familienoberhaupt viel Respekt hatte. Der Patriarch bleibt aber auch in der Edition ein Phantom, nur drei vollständige Briefe und ein paar Passagen in Briefen seiner Frau sind überliefert und ediert.

Diese finanzielle Unterstützung der Storm-Geschwister muss ein Vermögen gewesen sein, schätzt Fasold, und ein Detail der Familiengeschichte, die spätere Generationen lieber aussparten. Dies sei vielleicht ein Grund, warum die Briefe von Johann Casimir an Theodor auch von dessen Tochter, Gertrud, in früheren Editionen nur zitiert, nicht aber ediert und veröffentlicht wurden.

Dass Gertrud Storm an einer vollständigen Überlieferung nicht gelegen war, zeigt ihre Edition der Exilbriefe ihres Vaters von 1907, die bis heute immer wieder neu aufgelegt wird. „Gertrud Storm bearbeitete die Briefe stark und nahm dabei Passagen heraus, die ihr vielleicht zu intim oder nachteilig erschienen. So sind die Briefe aber wissenschaftlich schwer verwertbar“, erklärt Fasold.

Auch die Gegenkorrespondenz der Eltern, ebenso wie die Briefe von Constanze fehlten, daher sei der neue Editionsband für die Storm-Forschung und die Kulturgeschichte der Region so wichtig, betont Fasold. „In den Briefen zeigt sich das ganze Leben zweier Familien während einer großen, politischen und gesellschaftlichen Umwälzung, wunderbar und sehr unterhaltsam erzählt.“

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