Schulen auf Sylt

Warum diese Frauen auf Sylt eine neue Schule gründen wollen

Warum diese Frauen auf Sylt eine neue Schule gründen wollen

Warum diese Frauen auf Sylt eine neue Schule gründen wollen

SHZ
Sylt
Zuletzt aktualisiert um:
Johanna Erken Dorothee Witte Maria Köhn (v.l.) am Sonnabend auf dem Wochenmarkt in Westerland. Foto: Sippel Foto: 90037

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Ort für Freude am Lernen schaffen – das ist das Ziel eines neuen Vereins auf Sylt. Welche Jungen und Mädchen die Freien Schule auf Sylt besuchen können und warum ein geeignetes Gebäude fehlt.

Still sitzen, ruhig zuhören und mitschreiben, während der Lehrer an der Tafel steht und Formeln oder grammatikalische Regeln herunterbetet – so ungefähr lässt sich der Schulalltag zusammenfassen, an den sich viele Menschen erinnern. Heute hat sich an den Schulen bereits vieles zum Positiven verändert: Der Unterricht ist digitaler geworden, die Arbeit in den Klassenräumen findet häufiger projektbezogen statt und freies Arbeiten ersetzt stummes Pauken. Für Johanna Erken ist das noch nicht genug. Deshalb will sie, gemeinsam mit sieben Mitstreitern, auf der Insel eine Freie Schule gründen.



„Jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus, eigene Interessen und ein individuelles Lerntempo“, meint die studierte Soziologin. „Auf diese Dinge wollen wir gezielt eingehen und die angeborene Neugierde der Kinder nutzen.“ Wenn sie von „wir“ spricht, dann meint sie sich und ihre derzeit sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter vom Verein „Freie Bildung Sylt“. Vor einem Jahr hat sich der Verein gegründet mit dem ehrgeizigen Ziel, auf der Insel eine Schule zu gründen, die es allen Kindern ermöglicht, selbstständig mit Freude und Eigenverantwortung zu lernen.



Diese Idee dieser „Freien Schule“ ist nicht neu: Im Bundesverband der Freien Alternativschulen (BFAS) sind über 150 Freie Alternativschulen und Gründungsinitiativen in Deutschland zusammengeschlossen – deren Basis selbstbestimmtes Lernen, demokratische Mitbestimmung und gegenseitiger Respekt sind.

Weiterlesen: Corona-Schutz: Grundschulen in der Gemeinde Sylt bekommen CO2-Ampeln

Die Freie Schule Sylt soll in ihrem Unterricht auf unterschiedlichen Säulen aufbauen: Die Reformpädagogik, wie sie schon in Montessori- und Waldorfschulen praktiziert wird, baut beispielsweise auf Selbständigkeit, freien Gesprächen, praktischen Tätigkeiten und Lernen durch Handeln auf. Ziel ist es, dass Kinder zu verantwortungsbewussten, mündigen Menschen heranwachsen.

Die Lehrerinnen und Lehrer sind dann Lernbegleiter und Unterstützer, die den Kindern im Alter zwischen sechs und 16 Jahren dabei helfen sollen, selbst zu lernen. Diese werden nicht in Klassen unterteilt, sondern finden sich je nach ihren eigenen Interessen und Fähigkeiten in immer wieder anderen Gruppen zusammen.


Dabei soll der Unterricht keinesfalls nur aus Singen und Klatschen bestehen, betonen die Initiatorinnen. „Unsere Schule wird staatlich anerkannt sein“, verspricht Dorothee Witte. Sie hat bereits an Freien Schulen unterrichtet und will ihre Erfahrungen nun in das Sylter Schulprojekt mit einbringen. „Ebenso wie jede Regelschule sind auch wir an Lehrpläne gebunden.“ Damit Vokabeln und binomische Formeln optimal im Gedächtnis bleiben, sollen moderne neurowissenschaftliche Erkenntnisse das Lernen erleichtern. Wie funktionieren unsere Grauen Zellen und wie speichern sie neue Daten am effektivsten?

Weiterlesen: Wie Martin auf Sylt seine Hörnumer Schulfreundin Martina wiederfand

Dabei spielen möglichst viele, unterschiedliche Erfahrungen eine ebenso große Rolle wie die Emotionen: Wer jeden Tag etwas Neues entdeckt und Spaß am Lernen hat, kann das Gelernte später viel besser abrufen. Das Volumen einer Strandburg sollen die Kinder also lieber gleich am Strand ausrechnen als vor dem Matheheft. Und wenn man heute gar keine Lust auf Mathe hat? Kein Problem: Wann und in welchem Umfang welcher Unterricht stattfindet, wird nicht vorgeschrieben, sondern von den Kindern und Lernbegleitern gemeinsam ausgehandelt und geplant.


Ein solch individuelles Lernsystem klingt teuer. Ist es auch – aber nicht für die Familien, versprechen die Initiatorinnen: „Wir wollen kein Internat mit vierstelligen Schulgeldern errichten, sondern einen Lernort für die Sylter Kinder schaffen, der allen offensteht“, verspricht Mitbegründerin Maria Köhn.

So soll das Schulgeld von maximal 170 Euro im Monat durch Patenschaften oder Vereinsspenden getragen werden, wenn eine Familie nicht in der Lage ist, es aufzubringen. Das wird den Verein besonders in den ersten zwei Jahren vor große Herausforderungen stellen, denn die staatliche Förderung in Höhe von 80 Prozent des Förderbeitrages für öffentliche Schulen fließt erst ab dem dritten Jahr.+

Ein geeigneter Platz fehlt

Geld ist jedoch nicht das einzige, was derzeit noch benötigt wird: „Uns fehlen die Räumlichkeiten“, berichtet Johanna Erken. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Gebäude oder Grundstück zur Miete, zur Pacht oder zum Verkauf findet: Ein Sylter Investor, der momentan noch ungenannt bleiben will, habe dem Verein seine Unterstützung beim Kauf eines Objektes zugesagt. Bis sich ein passendes Zuhause für die Freie Schule Sylt gefunden hat, arbeiten die Vereinsmitglieder an dem Gesamtkonzept, das anschließend zur Überprüfung bei der Schulbehörde eingereicht werden muss.

Einen Start vor August 2023 sehen die Initiatorinnen darum nicht als realistisch an, „es sei denn, es geschehen noch Zeichen und Wunder“, ergänzt Maria Köhn augenzwinkernd. Rund 40 Kinder zwischen Null und Zwölf Jahren stehen derzeit auf der Warteliste für die Schule.

Wer die Initiatorinnen des Vereins finanziell, ideell oder tatkräftige unterstützen möchte, findet alle Kontaktdaten und weitere Informationen online oder kann sich am kommenden Sonnabend, 18. Dezember, auf dem Wochenmarkt vor dem Westerländer Rathaus persönlich bei den Mitgliedern des Vereins Freie Bildung Sylt informieren.

Mehr lesen

Kommentar

Meinung
Jørgen Kühl
„Das internationale Engagement der deutschen Minderheit seit 1989“