Gesellschaft

Warum Flensburg eigentlich schon immer irgendwie Großstadt war

Warum Flensburg eigentlich schon immer irgendwie Großstadt war

Warum Flensburg eigentlich schon immer Großstadt war

Annika Kühl/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
In einigen Monaten könnte Flensburg die magische Grenze von 100.000 Einwohnern überschritten haben. Foto: Marcus Dewanger

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Kann Flensburg Großstadt, ja oder nein? Alles eine Frage der Perspektive, findet unsere Reporterchefin Annika Kühl.

Der Fördeschnack ist eine wöchentliche Rubrik, die Themen rund um Flensburg aufgreift. In dieser werden aktuelle Ereignisse und Probleme glossierend kommentiert.

Der Faktencheck hat es bereits belegt: Flensburg kann Großstadt, fünf von acht mehr oder weniger objektiven Kriterien sind erfüllt. Soweit so gut. Aber jetzt mal abseits der harten Zahlen: Ist die Größe einer Stadt nicht auch eine Frage der persönlichen Perspektive?

Darüber habe ich mich neulich mit zwei Kolleginnen unterhalten. Eine von ihnen kommt aus Hamburg und hat direkt mit den Augen gerollt. Die andere ist wie ich in Nordfriesland groß geworden – und versteht auch heute noch genauso gut wie ich, was es damals bedeutete, wenn man „zur Stadt“ fuhr.

Zum Einkaufen „zur Stadt“

Was nicht heißt, dass wir Hinterwäldler-mäßig nie etwas anderes außer Kakao-Kühen und Maulwurfshügel zu Gesicht bekommen hätten oder dem Geografie-Unterricht ständig ferngeblieben wären.

Aber wenn wir in meiner Kindheit „zur Stadt“ fuhren, meinten wir damit Bredstedt (nicht ganz 6000 Einwohner). Zwischen den ganzen Ständen auf dem Wochenmarkt habe ich mich an der Hand meiner Großmutter tatsächlich wie in einer riesengroßen Stadt gefühlt. Ein echtes Abenteuer war das.

Diese Sichtweise hat sich natürlich inzwischen ein bisschen geändert. Zwar gehe ich mit meiner Großmutter immer noch zum Wochenmarkt und wir fahren dafür auch immer noch „zur Stadt“, aber inzwischen eben ohne das Gefühl, dabei die große weite Welt zu erkunden.

Sommerabende in Flensburg

Wenn es um Flensburg geht, ist das irgendwie anders: Mit dem Tag, an dem ich in die Fördestadt gezogen bin, fühlte ich mich als Großstadtbewohnerin. Daran konnten auch Geografie-Stunden, Auslandsaufenthalte und das Studium in einer „echten“ Großstadt nichts ändern.

Im Gegenteil, jedes Mal, wenn ich über den Wochenmarkt gehe, der gefühlt fünf Mal so groß ist, wie der aus meiner Kindheit, wenn sich die Leute in den warmen Sommernächten am Nordermarkt oder in den Hinterhöfen tummeln oder in der Norderstraße mal wieder ein neues Café aufmacht, in dem ich meinen Matcha Latte bestelle, fühle ich mich bestätigt.

Provinzstadt-Stolz

Wenn ich dann noch morgens mal wieder ewig am Hafen im Stau stehe oder die Schlange vor dem Bäcker sich sonntags quer durch die Fußgängerzone zieht, ist der Großstadt-Vibe perfekt. Ohne, dass dafür „Big City Life“ im Radio oder 100.000 Menschen durch die Straße laufen müssten.

Das Großstadt-Gefühl hält sich also seit Kindestagen wacker in mir. Und jedes Mal, wenn meine Freundinnen aus Hamburg zu Besuch sind und mich angesichts meiner Provinzstadt-Lobeshymne eines mitleidigen Blickes würdigen, merke ich: Großstadt ist und bleibt, was du bist.

Mehr lesen