Pellworms Energiewende stockt

Warum Windkraftanlagen abgeschaltet sind und der Strom nicht vor Ort genutzt wird

Warum Windkraftanlagen abgeschaltet sind

Warum Windkraftanlagen abgeschaltet sind

Martin Tschepe
Pellworm
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Uwe Kurzke sprüht vor Energie, was alles die Energiewende voranbringen könnte. Foto: Martin Tschepe/shz.de

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Pellworm bleibt auf Erneuerbaren Energien sitzen, die die Insel in großer Menge produziert. Das ärgert die nordfriesischen Pioniere der Energiewende. Uwe Kurzke (Verein Watt und Mehr), erklärt Probleme und neue Chancen.

Pellworm – eine Vorzeige-Insel im Hinblick auf den Einsatz Erneuerbarer Energien? Wer überregionale Medien nutzt, bekommt zu diesem Thema die unterschiedlichsten Informationen, die sich – auf den ersten Blick jedenfalls – mitunter zu widersprechen scheinen. Pellworm wolle komplett unabhängig werden von fossilen Brennstoffen, liest und hört man. Doch auch auf Pellworm werde Gas, Benzin und Diesel verfeuert. Und auch das ist zu erfahren: Auf der Insel werde weit mehr Energie produziert als verbraucht. Ja, was denn nun?

Die Bürgermeisterin Astrid Korth erklärt auf Anfrage, sie könne bei diesen Fragen nicht wirklich zur Aufklärung beitragen, wohl aber Uwe Kurzke. Der einstige Inselarzt im (Un-)Ruhestand ist Vorsitzender des 2011 gegründeten Vereins Watt und Mehr. Kurzke sagt an einem sonnigen Tag im Herbst, an dem der Wind ordentlich bläst: „In der Bilanz ist Pellworm Energie-autark.“ Das heißt? Auf der Insel würden per anno rund 40 Gigawattstunden Energie produziert, mit Hilfe der Windräder, der Solaranlagen und der Biogasanlage.

Allein die sechs Windmühlen produzierten etwa siebenmal so viel Strom, wie auf Pellworm verbraucht werde. Wenn es nicht die vielen bürokratischen und rechtlichen Hindernisse gebe – Stichworte wie Umlagen, Steuern, Netzentgelte – dann könnte sich Pellworm mit den rund 1000 Einwohnern in der Tat fast komplett selbst versorgen. Dann müssten lediglich zwei bis drei Prozent des Energiebedarfs anderweitig bezogen werden, so der Vereinsvorsitzende – und das auch nur bei Windflaute. Wenn es gelänge, Strom in großen Batterien zu speichern, dann wäre auch dieses Problem gelöst.

Ein derzeit viel größeres Problem als fehlende Stromspeicher sei aber die Tatsache, dass allein auf Pellworm jährlich etwa zwölf Gigawattstunden Windstrom gar nicht produziert werden könnten, weil es mitunter unmöglich sei, diese Energie aufs Festland zu bringen, insbesondere aber, weil auf dem Festland die Leitungskapazitäten in Richtung Süden der Republik fehlten. Sprich: Die Mühlen, die 3000 bis 4000 Haushalte versorgen könnten, stehen manchmal still.

Sechs bis sieben Cent pro Kilowattstunde

Uwe Kurzke hat einige Ideen, wie der Windstrom vor Ort auf Pellworm genutzt werden könnte: zum Heizen von Wohnhäusern oder der Schule zum Beispiel. Die Produktion der Energie mit Hilfe der Bürger-Windmühlen, die mehreren Insulanern gehören, koste lediglich sechs, vielleicht sieben Cent je Kilowattstunde. Zu diesem Preis wäre es wirtschaftlich machbar, und aus Kurzkes Sicht auch sinnvoll, mit Elektrizität zu heizen. Doch nach der Einspeisung des Stroms in das Netz koste dieser die Verbraucher dann ein Vielfaches – und deshalb sei Heizen mit der vor Ort produzieren Energie unwirtschaftlich.

Warum Pellwormer mit Flüssiggas statt Windstrom heizen

Das Schulgebäude werde also mit der vor ein paar Jahren installierten Holz-Pellet-Heizung gewärmt. Viele Wohngebäude, auch sein eigenes, würden mit Flüssiggas geheizt. Zugespitzt formuliert könnten Kritiker kommentieren: was für ein Irrsinn.

Uwe Kurzke ist der Ansicht, dass geprüft werden sollte, ob noch mehr Windenergie auf Pellworm genutzt werden könnte. Die aktuelle Energiekrise stimme ihn ein wenig zuversichtlich, dass sich vielleicht doch noch etwas ändern könnte an den gesetzlichen Regelungen.

Windstrom in Wasserstoff speichern und die Fähre damit antreiben

Naturschützern, die sich gegen Windkraftanlagen aussprechen, entgegnet der Vereinsvorsitzende: „The Damage is done.“ Sprich: Mühlen stehen jetzt eh schon auf Pellworm. Die Insel, sagt er, habe „eine Mitverantwortung für das große Ganze“ und könnte bei dem erforderlichen Ausbau der Nutzung regenerativer Energie einen wichtigen Beitrag leisten. Man könne exemplarisch auch zeigen, was möglich wäre, wenn Erneuerbare Energie dort genutzt wird, wo sie produziert wird. Eine Zukunftsvision des Vereins Watt und Mehr: auf Pellworm den Strom einsetzen, um Wasserstoff zu produzieren, der dann auf der Fähre, die nach Nordstrand fährt, genutzt wird.

Auszeichnung für klimafreundliche Ferienwohnungen

Das ganze Land, sagt Kurzke, könnte in Sachen Energiewende schon viel weiter sein. Pellworm sei eine CO2-Senke, sprich die Insel entlaste mit Hilfe der Windräder und der Solaranlagen das Festland mit rund 25.000 Tonnen CO2 jährlich. Auf Pellworm gebe es sieben E-Tankstellen für Autos, sieben für knapp 1000 Einwohner. Das sei bundesweit spitze. Auf der Insel würden klimafreundliche Ferienwohnungen ausgezeichnet. Die „Energie-Plus-Insel“, so der Mediziner, könnte zum Vorbild werden für andere Gemeinden in ganz Deutschland und darüber hinaus.

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