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Wie FDP und Grüne um die A20 und andere deutsche Autobahnen rangeln

Wie FDP und Grüne um die A20 und andere deutsche Autobahnen rangeln

FDP und Grüne rangeln um A20 und andere deutsche Autobahnen

Henning Baethge/shz.de
Kiel
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Protest gegen die A20: Klimaschützer und die Grünen in Berlin lehnen den Weiterbau der Küstenautobahn ab. Foto: Sina Schuldt

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Die FDP will unbedingt ein „überragendes öffentliches Interesse“ für Autobahn-Neubauten wie die A20 festlegen – die Grünen auf keinen Fall. Jetzt droht ein neues Gesetz der Ampel den Streit noch zu verschärfen.

Am Freitag wird der Bundesrat ein neues Gesetz der Ampelkoalition zum Beschleunigen von Gerichtsprozessen bei wichtigen Bauvorhaben absegnen. „Die Verfahren zu großen Infrastrukturprojekten erhalten Vorrang und werden effizienter“, erläutert Bundesjustizminister Marco Buschmann die entsprechende Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung.

Nicht zuletzt den Weiterbau der Küstenautobahn A20 von Bad Segeberg nach Westerstede in Niedersachsen soll das Gesetz nach dem Willen von Buschmanns FDP voranbringen – doch es könnte am Ende sogar das Gegenteil bewirken und die A20 weiter zurückwerfen.

Grund dafür ist ein Passus in dem Gesetz, der vorschreibt, dass die Verwaltungsgerichte künftig bestimmte Projekte bevorzugen müssen – und andere dafür hinten anstellen. „Besonders zu priorisieren sind Verfahren über Vorhaben, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen“, heißt es in Buschmanns Gesetz.

Die Minister Wissing und Lemke sind im Clinch

Ein solches „überragendes öffentliches Interesse“ gilt seit kurzem für Windparks, Stromleitungen und Flüssiggas-Terminals – und macht es schon jetzt leichter, diese Projekte vor Gericht durchzusetzen. Denn deren Verwirklichung hat nun in der Abwägung mit anderen Rechtsgütern mehr Gewicht. Vom „neuen Deutschland-Tempo“ hat Kanzler Olaf Scholz daher gesprochen.

Zwar will Bundesverkehrsminister Volker Wissing dieses überragende öffentliche Interesse künftig auch gleich für alle Projekte des sogenannten „vordringlichen Bedarfs“ im Fernstraßenausbaugesetz festschreiben lassen und damit auch für die A20 – doch ob der FDP-Mann damit Erfolg haben wird, ist ungewiss: Einen entsprechenden Gesetzentwurf Wissings lehnen die Grünen und deren Umweltministerin Steffi Lemke bisher aus Klimaschutzgründen entschieden ab.

Grüne sehen kein „überragendes Interesse“ für die Autobahn 20

Sie sehen ein überragendes öffentliches Interesse nur für Projekte auf der Schiene und dem Wasser und allenfalls noch für das Ersetzen von kaputten Autobahnbrücken – aber nicht für Autobahn-Neubauten wie die 200 Kilometer lange und sechs Milliarden Euro teure Fortsetzung der A20.

Würden die Grünen sich mit ihrem Widerstand gegen Wissings Pläne durchsetzen, brächte Buschmanns neues Gesetz zum Beschleunigen von Gerichtsverfahren einen deutlichen Nachteil für die A20 mit sich. Denn Klagen gegen deren Weiterbau wären dann nicht nur weiterhin fast genauso leicht zu gewinnen wie bisher – vier von fünf erteilten Baugenehmigungen hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nach Klagen von Umweltverbänden wieder kassiert.

Gerichtsverfahren gegen A20 bald nachrangig?

Vielmehr müssten die Richter neue Klagen gegen die A20 gegen den A-20-Elbtunnel auch nachrangig und damit später behandeln. Vorrangig wären Verfahren um Projekte von überragendem öffentlichen Interesse. Der Weiterbau der Küstenautobahn drohte sich so weiter zu verzögern.

Nicht zuletzt deshalb ringen FDP und Grüne in Berlin derzeit erbittert um die Bedeutung neuer Autobahnen. Das zeigte sich auch an der Aufregung, als shz.de Anfang Februar von einem Kompromisspapier aus Wissings Haus berichtete, demzufolge ein überragendes öffentliches Interesse nur noch für 34 aufgelistete Autobahn-Ausbauten festgelegt werden sollte, aber nicht für Neubauten.

Wissing distanzierte sich umgehend von der Liste und ließ darauf verweisen, dass sie nur auf Wunsch des Kanzleramts angefertigt worden sei und natürlich auch die A20 von überragendem Interesse sei. Auch Wissings Parteifreunde Wolfgang Kubicki und Christopher Vogt aus Schleswig-Holsteins FDP, der die A20 besonders wichtig ist, beeilten sich zu versichern: „Die Liste ist längst abgeräumt.“

Das stimmt zwar – aber vor allem deshalb, weil sie den Grünen noch immer viel zu weit geht. Denn die lehnen nicht nur Autobahn-Neubauten ab, sondern auch Ausbauten von acht auf zehn Spuren wie etwa auf der A5 bei Frankfurt. Kaum vorstellbar daher, dass sie eine noch längere Liste mit der A20 und anderen Neubauten akzeptieren würden.

Grüne stehen unter dem Druck von Klimaschützern

Zumal die Grünen beim Klimaschutz unter verschärfter Beobachtung stehen: Seit sie in Nordrhein-Westfalen die Zerstörung des Dorfs Lützerath im Gegenzug für einen früheren Kohleausstieg hingenommen haben, müssen sie sich harte Kritik ihrer eigenen Parteijugend sowie der Klimaschutzaktivisten von Fridays for Future oder der „letzten Generation“ anhören.

Zusätzlich unter Druck setzt die Grünen eine neue Studie von Umweltverbänden, demzufolge Wissings Ressort die Klimaschäden durch die geplanten Straßenbauprojekte kleingerechnet hat. Durch den Bau und Betrieb der neu geplanten Fernstraßen würden demnach nicht insgesamt 545.000 Tonnen CO2 jährlich zusätzlich freigesetzt, sondern eine Million.

FDP: Neue Autobahnen vor allem für Elektroautos

Dagegen weist FDP-Minister Wissing darauf hin, dass auf den neuen Autobahnen ja künftig weniger Autos mit Verbrennermotor fahren sollen, sondern vor allem Elektroautos. Und er argumentiert mit wachsendem Verkehr, der neue Autobahnen nun mal erforderlich mache.

Eine Einigung in dem gelb-grünen Streit ist nicht in Sicht.

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