Nordfriesland

Zu viele Touristen? Umfrage unter Insulanern zeigt Spaltung unter Anwohnern

Zu viele Touristen? Umfrage unter Insulanern zeigt Spaltung unter Anwohnern

Zu viele Touristen? Umfrage unter Insulanern zeigt Spaltung

Ralf Hoffmann/shz.de
Amrum
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Viele Amrumer sind der Meinung, dass zu viele Tagestouristen die Insel besuchen. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Welchen Einfluss hat der Tourismus auf das Leben auf Amrum und wie steht die einheimische Bevölkerung zum Tourismus? Das hat das Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) ermittelt.

Um festzustellen, wie zufrieden die Inselbewohner mit dem Leben und Wohnen auf Amrum sind, führte das Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) im Auftrag der Amrum Touristik eine Einwohnerbefragung durch. Bente Grimm vom NIT präsentierte das Ergebnis dieser Umfrage interessierten Einwohnern in einer öffentlichen Veranstaltung der Amrum Touristik.

Die wichtigste Erkenntnis: Die überwiegende Mehrheit der Befragten lebt gern auf Amrum (98 Prozent), wobei 51 Prozent der Befragten schon mehr als 25 Jahre auf Amrum wohnen. In der Gemeinde Norddorf sind es sogar 58 Prozent. Erwartungsgemäß für Amrum haben 70 Prozent einen wirtschaftlichen Bezug zum Tourismus.

Tourismus-Kritik steigt bei persönlicher Betroffenheit

Bei der Frage, welchen Einfluss der Tourismus auf das eigene Leben und die Lebenssituation auf der Insel und im eigenen Ort hat, sieht die Mehrheit der Einwohner (71 Prozent) diesen positiv. Der Anteil der Bewohner mit Hauptwohnsitz auf Amrum liegt mit 63 Prozent deutlich unter dem der Bewohner mit Zweitwohnsitz (83 Prozent).

Etwas anders sieht es bei der Frage nach den persönlichen Auswirkungen des Tourismus aus. Während bei den Befragten mit einem Zweitwohnsitz auf Amrum 59 Prozent angaben, dass die Auswirkungen positiv sind, beträgt der Wert bei Bewohnern mit Hauptwohnsitz auf Amrum nur 39 Prozent, ein Drittel sieht sogar negative Effekte. Im Vergleich zu gesamt Schleswig-Holstein sehen die Befragten auf Amrum den Tourismus mit 46 Prozent deutlich positiver als in ganz Schleswig-Holstein (30 Prozent), wobei aber auch 25 Prozent kritisch eingestellt sind.

Zu viel Tourismus oder doch genau passend?

Bei der Analyse zur Anzahl der Touristen ist das Ergebnis ausgeglichen, für 46 Prozent ist die Menge richtig, die anderen 46 Prozent sagen, dass zu viele Touristen auf der Insel sind. Fast zwei Drittel der Befragten sind jedoch der Meinung, dass zu viele Tagestouristen die Insel besuchen.

Vorteile für Infrastruktur und Wirtschaft

Die Befragten sind sich einig, dass der Tourismus die lokale Wirtschaft fördert, die Nahversorgung verbessert, sich positiv auf das Angebot an Restaurants und Cafés auswirkt, das Angebot an Freizeitangeboten erhöht und auch attraktive Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung schafft. Befragte mit Hauptwohnsitz zeigten bei fast allen Aspekten ein deutlich niedriges Zustimmungsniveau als Zweitwohnungsbesitzer.

Etwa 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die Insel durch den Tourismus zu voll ist, die Natur belastet wird und dass manche Dinge auf Amrum teurer sind als auf dem Festland. Befragte mit Hauptwohnsitz nehmen die negativen Effekte deutlich stärker wahr als Befragte mit Nebenwohnsitz.

Weniger Autos - mehr ÖPNV

Die Studie gibt auch konkrete Hinweise, wie die Verkehrssituation auf Amrum optimiert werden könnte. Etwa die Hälfte der Befragten regte an, dass die Bahnanreise verbessert und das ÖPNV-Angebot ausgebaut werden sollte. Kritisch wird auch die Fahrrad- und Fußgängersituation beurteilt.

Nachhaltiger Tourismus wichtig

Mehr als 90 Prozent Befragten halten den Naturschutz und nachhaltigen Tourismus für sehr bedeutend. Ein wichtiges Thema bei der zukünftigen Entwicklung des Tourismus sind die Daseinsvorsorge und Lebensqualität. 75 Prozent der Bewohner mit Hauptwohnsitz auf Amrum gaben an, dass diese Themen zukünftig stärker berücksichtigt werden müssen, 64 Prozent sind der Meinung, dass bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und Saisonkräfte eine hohe Priorität haben sollte.

Positivere Einstellung zum Tourismus als im Rest von Schleswig-Holstein

Insgesamt verdeutlicht die Studie laut NIT, dass Amrum als eine lebenswerte Insel wahrgenommen wird. Im Vergleich zu anderen Tourismusregionen in Schleswig-Holstein zeigt die Befragung bei den Amrumern eine deutlich positivere Einstellung zum Tourismus. Es gebe aber auch einen relativ hohen Anteil an kritischen Stimmen. Negative Effekte wie Überfüllung, Überbelastung der Natur und hohe Preise werden wahrgenommen und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Einheimische und Saisonkräfte bereite Sorgen.

Wichtige Hinweise für die Politik

„Wir werden die Ergebnisse dieser Studie in der Fortschreibung unseres zukünftigen Touristischen Entwicklungskonzeptes berücksichtigen“, sagte Amrum-Touristik-Chef Frank Timpe. Die Studie werde in Kürze öffentlich zugänglich zur Verfügung gestellt. Die Befragung gebe den Kommunalpolitikern wichtige Hinweise, wie sich die Amrumer Bevölkerung die zukünftige Entwicklung der Insel vorstellt.

888 von 1558 Haushalten beteiligen sich an Studie

Vom 18. März bis 22. Mai hatten die 1.558 angeschriebenen Haushalte in den Inseldörfern Norddorf, Nebel, Süddorf, Steenodde und Wittdün die Möglichkeit, an der Befragung teilzunehmen. Für die Auswertung konnten 888 Fragebögen genutzt werden, wovon 553 der Teilnehmer ihren Hauptwohnsitz und 333 ihren Nebenwohnsitz auf Amrum haben. Die Ergebnisse wurden nach Alter, nach persönlichem Bezug zum Tourismus, nach Gemeinde, nach Wohndauer am Ort, nach Einstellung zu den Auswirkungen des Tourismus – persönliche Auswirkungen und Auswirkungen auf den Ort – und nach Gründen für Leben am Ort ausgewertet.

Zur gleichen Thematik wurde von der Fachhochschule-Westküste (FH Westküste) in Heide im Sommer 2020, 2021 und 2022 eine bundesweite Online-Befragung durchgeführt, aus der auch bevölkerungsrepräsentative Ergebnisse für die Einwohner Schleswig-Holsteins gewonnen werden konnten. So ist bei vielen Fragestellungen ein Vergleich der Situation auf Amrum mit landesweiten Daten möglich.

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