Flensburger Fördeschnack

Zurückweisung von ukrainischen Flüchtlingen: Liebe Dänen, wir müssen reden

Liebe Dänen, wir müssen reden

Liebe Dänen, wir müssen reden

SHZ
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Am Donnerstag wurden erneut Flüchtlinge an der dänischen Grenze zurückgewiesen – darunter auch Menschen mit ukrainischem Pass. Foto: Benjamin Nolte/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Auch nach Inkrafttreten des Sondergesetzes hat Dänemark am Donnerstag Flüchtlinge mit ukrainischem Pass zurückgewiesen.

Der Fördeschnack ist eine wöchentliche Rubrik, die Themen rund um Flensburg aufgreift. In dieser werden aktuelle Ereignisse und Probleme glossierend kommentiert.

Nachbarn verbindet meist eine lange Geschichte. Man hat miteinander gefeiert, war mal unterschiedlicher Meinung und hat sich doch immer wieder zusammengerauft.

Mit der Zeit weiß man die Vorzüge des Gegenüber zu schätzen und lernt, über seine vermeintlichen Fehler hinweg zu sehen. Im Grenzland wird eine solche Nachbarschaft zwischen Deutschen und Dänen seit Jahrzehnten gepflegt.

Viele Flensburger schätzen das hyggelige Lebensgefühl nördlich der Grenze. Dänemark ist immer ein bisschen Urlaub, ein bisschen Freiheit. Und günstig tanken kann man dort seit paar Tagen auch. Über die kultigen Hot Dogs bei Annies Kiosk reden wir gar nicht erst – wenngleich diese wahrlich nicht günstig sind. Da ist die Tankersparnis schnell wieder weg.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde die Kaufkraft der Dänen in Flensburg schmerzlich vermisst. Gerade für die Gastronomie und Hotellerie sind die Gäste aus Skandinavien so etwas wie die Lebensversicherung. Für den Grenzhandel in Harrislee, wo jeden Tag Tausende Dosen pfandfreies Dosenbier über den Tresen in Richtung Dänemark gehen, natürlich auch.

Dänemark macht negative Schlagzeilen

Zu einer guten Nachbarschaft gehört es, dass man sich manchmal ganz tief in die Augen schauen muss, um Missstände anzusprechen. Liebe Dänen, wir müssen reden.

Es ist eure Flüchtlings- und Migrationspolitik, die in diesen Tagen (wieder mal) für ziemlich negative Schlagzeilen sorgt. Es hat einen Grund, dass viele Flüchtlinge aus der Ukraine Dänemark maximal als Durchreiseland betrachten – trotz des hohen Lebensstandards.

Auch nach Inkrafttreten des Sondergesetzes wurden am Donnerstag wieder Menschen mit ukrainischen Pässen an der dänischen Grenze zurückgewiesen. Sie wurden dann mit Bussen nach Kiel gefahren, um von dort per Fähre nach Schweden zu gelangen. Das kann es nicht sein, liebe Nachbarn!

In den vergangenen Tagen war die dänische Botschafterin Susanne Hyldelund bemüht, die Wogen zu glätten und zeigte sich in den Medien außergewöhnlich präsent. Gelungen ist ihr dies nicht wirklich.

Es bleibt das Bild eines sich abschottenden Dänemarks, das zuletzt bereits durch den Wildschweinzaun (viele mögen ihn vergessen haben) verstärkt wurde.

„Lassen Sie uns ein Europa der guten Nachbarn sein. Im Europa des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam erfolgreich sein oder gemeinsam verlieren“, postete Oberbürgermeisterin Simone Lange vor einer Woche in dänischer Sprache auf Facebook. Ein ziemlich zugespitztes, aber im Kern doch richtiges Statement. Gerade Flensburg hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Geflüchtete aufgenommen, die an der dänischen Grenze zurückgewiesen wurden.

Pragmatismus ist gefragt

Natürlich wird Europa nicht an der dänischen Flüchtlingspolitik scheitern, wohl aber sagt diese doch etwas über die Solidarität der EU-Partner untereinander aus.

Pragmatismus ist in diesen Kriegstagen von allen Seiten gefragt. Über grundsätzliche Fragen kann man sich später unterhalten. Freundschaftlich, aber direkt – wie man es eben unter guten Nachbarn macht.

Mehr lesen