Reise zum Jebel Toubkal

Zwölf Flensburger erklimmen über 4.000 Meter hohen Berg in Marokko

Zwölf Flensburger erklimmen über 4.000 Meter hohen Berg in Marokko

Zwölf Flensburger erklimmen über 4.000er in Marokko

SHZ
Flensburg/Jebel Toubkal
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Anders als in den Alpen gibt es im Hohen Atlas kaum befahrbare Wege; alle Güter und Waren – und das Gepäck der Touristen – werden mit Mulis zu den Bergunterkünften gebracht. Foto: Heitmann

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Temperaturen um null Grad, heftigen Windböen und Strapazen zum Trotz hat eine Gruppe Flensburger den Jebel Toubkal erklommen. Ein Bericht über eine einzigartige Erfahrung.

Flachlandtreter im Höhenrausch: Zwölf Flensburger kraxeln auf den höchsten Berg Nordafrikas – den Jebel Toubkal, 4167 Meter, gelegen in Marokko. Warum tun sie sich das an?

Ehrgeiz treibt sie nach oben. Die Aussicht auf einen Blick weit über das Atlas-Gebirge. Das Gemeinschaftserlebnis. Die Euphorie. „Da müssen Mentalität und Mischung stimmen, die Menschen gut harmonieren“, sagt Holger Heitmann, „schließlich geht es auch darum, einige Stressmomente auszuhalten.“

Der 68-Jährige ist Kopf des Teams, hat als Vorsitzender der Flensburger Sektion des Deutschen Alpenvereins (850 Mitglieder) die Gruppe zusammengestellt und die Reise vom Summit Club, dem Reiseveranstalter des Alpenvereins, ausarbeiten lassen. Die Gruppe ist ziemlich heterogen, was Alter und Erfahrung betrifft. Der jüngste Teilnehmer 24 Jahre alt, der älteste 78. Drei Frauen, neun Männer. Alle ganz unterschiedlich belastbar. Eine Herausforderung für die gesamte Crew – und deren Chef.

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Doch erstmal muss man nach Marokko kommen. Aus Gründen der Zeitersparnis wird ein Flug als Mittel der Wahl genommen. Los geht's am 3. Oktober ab Frankfurt, Landung in Marrakesch. Im Hotel Diwane lernen sie ihren Bergführer kennen: Mobarak ist Beduine, schon als Kind zog er mit seinen Eltern als Nomade durch die Sahara – und über die Atlas-Berge!


Ausgangspunkt der Besteigung ist das 1700 Meter hoch gelegene Bergdorf Imlil, viele Trekking-Touren mit internationaler Beteiligung beginnen dort. Eine erste Wanderung mit leichtem Anstieg dient der Akklimatisierung, jeder weiß, die Luft wird irgendwann dünn. „Seinen Schlafplatz sollte man pro Tag nicht mehr als 500 bis 700 Meter erhöhen“, erläutert Heitmann. „Die roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport verantwortlich sind, bilden sich nachts nach.“ Vorbeugung gegen die gefürchtete Höhenkrankheit.

So ziehen die Flensburger „Alpinisten“ los – mit dem Bergführer voran, daneben vier Muli-Treiber, Koch und Assistent, sechs Mulis, die beladen sind mit schwerer Ausrüstung und dem Gepäck der deutschen Gäste. Bei der ersten Mahlzeit gehen den Nordlichtern die Augen über. Mitten in grauer Berglandschaft werden sie erwartet von einem reich gedeckten Tisch, ganz gediegen mit Tischdecke und mit rotem Samt bezogenen Stühlen. Ein surreales Bild!

Üppiges Buffet auf 2200 Metern

Die erste Hütte, Refuge genannt, liegt auf 2200 Metern Höhenmetern: Tee, Kekse (und Popcorn!) werden dort gern als Snack erreicht. Aber es gibt natürlich landestypische Gerichte während der ganzen Expedition: frisches Gemüse, Mais, Kürbis, Kartoffeln, Reis und Couscous, in Lehmschüsseln (Tajinen) serviert, dazu Hähnchen und Ziege, die von den fünf Vegetariern respektvoll weitergereicht werden.


Nachts wird es eng. Matratze an Matratze. „Da muss man sich drauf einrichten“, sagt ein Teilnehmer, „ist nicht jedermanns Sache.“ Aber alle gewöhnen sich irgendwann daran, Hauptsache: Fenster auf! Die Sanitärbereiche teilt man sich mit anderen Gruppen, Männlein und Weiblein bunt durcheinander.

Der Gipfelsturm – von 3200 auf 4200 Meter! Morgens um sieben geht es los. Mit Stirnlampen. Es ist dunkel, kalt und windig. Die Temperaturen bewegen sich in einer Range von nachts 0 bis mittags 20 Grad. Unwegsames Gelände. Funktionskleidung und gutes Schuhwerk sind unerlässlich.


Es geht über Geröll und teils gefährliche Kletterpassagen. Stetig bergauf. Abstürzen ist keine Option. Sauerstoff wird spürbar knapp. „Kleine Schritte machen, immer mal wieder stehen bleiben!“, mahnt Heitmann, der sich ganz hinten hält. „Damit keiner verloren geht oder das Gefühl hat, abgehängt zu sein.“

„Man muss jeden einzelnen Schritt kontrollieren“, sagt eine Gipfelstürmerin. In der Tat: Windböen von bis zu 100 Stundenkilometern können einen auf Serpentinen schnell aus der Bahn werfen. Ein Blick in den Abgrund zeigt, wo man landen würde.


Der Tross zieht sich langsam auseinander. Irgendwann lässt Heitmann die jungen Wilden von der Leine. Sie müssen warten, ganz oben. Auf den Rest, der mit letzten Kraftreserven dem Berg Meter um Meter abtrotzt. Dann sind endlich alle am Ziel. Nach drei Stunden. Sie liegen sich in den Armen, bei einigen fließen die Tränen. Stolz und Erschöpfung vermischen sich. „Man wird emotional regelrecht geschüttelt“, sagt einer und schießt ein Beweisfoto an der Metallpyramide. Für alle gibt es einen Gipfelschluck – Johannsens Nr. 6 –, bevor der Abstieg bewältigt werden muss.


Am letzten Tag taucht das Team ein in eine andere Welt: 1001 Nacht in Marrakesch. Medina, Akrobaten, Schlangenbeschwörer, Geschichtenerzähler und tausende Mopeds, die in waghalsiger Geschwindigkeit durch die Gassen rauschen.

Inzwischen ist der Alltag im verregneten Norden wieder zurück. Und während die wackeren Alpinisten noch ihre müden Glieder pflegen, sitzt Holger Heitmann schon wieder am Schreibtisch. Er hat die nächste Tour ausbaldowert: Ende Januar geht's nach Österreich, in die Berge oberhalb des Brenners. Schneeschuhe nicht vergessen!

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