Klimawandel

„Die Lage ist schon ziemlich ernst“

„Die Lage ist schon ziemlich ernst“

„Die Lage ist schon ziemlich ernst“

Bettina P. Oesten
Apenrade/Aabenraa
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Marianne Jacobsen Toftgaard
Marianne Jacobsen Toftgaard lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Kopenhagen, fühlt sich ihrer nordschleswigschen Heimat aber sehr verbunden. Nach einem kurzen Besuch in Apenrade Anfang der Woche brach die 44-jährige gebürtige Warnitzerin gestern nach Katowice in Polen auf, wo sie bis zum 14. Dezember an der diesjährigen UN-Klimakonferenz als Beobachterin teilnimmt. Foto: Karin Riggelsen

Vor oder nach uns die Sintflut? Die Welt befindet sich mitten im Klimawandel, und der Ausgang ist noch völlig ungewiss. Im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz traf sich der Nordschleswiger mit der Geografin und Klimanetzwerkerin Marianne Jacobsen Toftgaard zu einem Gespräch.

Marianne Jacobsen Toftgaard

Marianne Jacobsen Toftgaard ist seit 2017 als Beraterin und Campaign Managerin im Netzwerksekretariat von CAN in Kopenhagen tätig. Davor war sie als Klimaberaterin beim Nykredit Konzern in Kopenhagen angestellt. Nach ihrem Studium zur Geografin in Kopenhagen arbeitete sie einige Jahre in Genf bei einer NGO (Nichtregierungsorganisation), die sich mit internationaler Handelspolitik befasst, danach ging sie für ein paar Jahre nach Uganda, wo sie sich der Umwelt- und Armutspolitik widmete.

Von 2008 bis 2012 war sie beim WWF International als Koordinatorin im globalen Klima- und Energieprogramm tätig.

 

Gleich zu Beginn die Frage: Die Prozesse des Klimawandels scheinen bereits so weit fortgeschritten, gewaltige Kräfte sind am Werk. Lassen die sich überhaupt noch aufhalten? Eisschmelze, Dürre, Überschwemmungen, Erdrutsche, Waldbrände. Wie schlimm steht es wirklich um unseren Planeten?

Die Lage ist schon ziemlich ernst. Der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) hat deutlich gezeigt: Wir haben jetzt noch zwölf Jahre, um die Entwicklung umzukehren. Das müssen wir schaffen, wenn wir bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad bleiben wollen. Wir sind ja schon bei einem Grad und bewegen uns auf drei bis vier Grad zu. Da kommt einem schon der Gedanke: Wie soll man das noch schaffen? Gleichzeitig ist es aber so, dass immer mehr Akteure etwas tun, und zwar nicht nur die Politiker, sprich Regierungen, sondern z. B. auch große Konzerne oder Städte. Sonderburg ist da ein gutes Beispiel. Natürlich kann auch jeder Einzelne von uns etwas tun.

In unserem Teil der Welt sind wir bisher von den Folgen des Klimawandels einigermaßen verschont geblieben. Nach dem jüngsten heißen und trockenen Sommer besonders hier in Nordeuropa haben wir aber jetzt vermutlich einen ersten Vorgeschmack davon bekommen, was uns blüht, wenn wir nicht die Kurve kriegen. In anderen Ländern dieser Erde sind die Auswirklungen des Klimawandels schon sehr konkret. In Indonesien beispielsweise verschwinden ganze Küstenstädte. Man schätzt, dass bis 2050 allein dort 40 Mio. Menschen fliehen müssen. Süd- und Südostasien ist eine extrem verletzliche Zone. Warum?

Zum einen gibt es dort riesige Städte, die an den Küsten liegen, z. B. in Indonesien und Bangladesch, und die sind natürlich ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen. Hinzu kommen die neuen Super-Taifune bzw. Zyklone, die gewaltige Zerstörungen anrichten. Nur mal um zu veranschaulichen, wie groß ihre Zerstörungskraft wirklich ist: Bei Taifunen ist die Stärke 5 das Ende der Skala. Jedenfalls war es bisher so. Man arbeitet jetzt daran, die Skala zu erweitern, weil die bisherige Skalierung nicht mehr ausreicht.

Warum werden sie so stark? Was sind da für Kräfte im Spiel?

Taifune bilden sich über dem Meer, wenn die Meeresoberfläche eine Temperatur von ziemlich genau 23 Grad Celsius hat. Je öfter die Wasseroberfläche diese Temperatur erreicht, desto öfter treten auch Taifune oder Zyklone auf. Weil bei höheren Temperaturen mehr Wasser verdampft, bilden sich bei den hochsteigenden Dämpfen stärkere Winde bzw. Taifune. Im Übrigen zeigt der IPCC-Bericht auch, dass bei einer 1,5-Grad-Erwärmung weltweit 100 Mio. Menschen weniger von den Küstenüberschwemmungen betroffen sein werden als bei einer 2-Grad-Erwärmung. Das sind 100 Mio. Menschen, denen man ein sicheres Zuhause erhalten kann. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass die Erderwärmung nicht auf über 1,5 Grad ansteigt.

Marianne Jacobsen Toftgaard
„Als Nordschleswigerin fühle ich mit den Menschen, die gezwungen sein werden, ihre Heimat für immer zu verlassen, falls wir es nicht schaffen, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu halten“, sagt Marianne Jacobsen Toftgaard über ein mögliches Zukunftsszenario mit Millionen von Klimaflüchtlingen. Foto: Karin Riggelsen

 

Climate Action Network

Climate Action Network (CAN) ist ein Dachverband von über 1.300 umweltpolitischen NGO-Organisationen aus 120 Ländern (Stand 2018). Ihr gemeinsames Ziel ist es, die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung auf ein ökologisch vertretbares Maß zu beschränken. CAN besteht aus 20 regionalen und nationalen Netzwerken in aller Welt.

Unter den Hauptakteuren von CAN sind: Greenpeace, WWF World Wide Fund for Nature, Oxfam, CARE, NABU.
CAN agiert vorwiegend im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UN-FCCC) und vertritt die Zivilgesellschaft bei den jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenzen, bei denen das Netzwerk auch Beobachterstatus hat.

Die Vision von Climate Action Network ist der Schutz der Atmosphäre bei gleichzeitiger Wahrung einer weltweiten nachhaltigen und gerechten Entwicklung.

 

Ein anderer Hotspot des Klimawandels sind die Permafrostgebiete in Russland und Alaska und an den Polen. Die Eisdecken schmelzen, die Permafrostböden tauen auf …

Ja, und geben ganz viel Methan frei. Bei Permafrostböden handelt es sich um Böden, die durch den ständigen Frost einfrieren und in die sehr viel organisches Material eingelagert ist, das Methangase enthält. Tauen die Böden auf, werden diese Gase wieder freigesetzt. Methan ist ein Treibhausgas, das ungefähr dreißigmal stärker ist als CO2.

Deshalb heizen die Methan-Emissionen das Klima so viel mehr an als das Kohlendioxid. Dadurch, dass viel mehr Treibhausgaspartikel in die Atmosphäre gelangen, werden die Sonnenstrahlen verstärkt auf die Erde zurückreflektiert. Es wird wärmer, die Böden tauen noch mehr auf und geben noch mehr Treibhausgase frei. Das Eis an den Polen, das ja auch sehr viel Sonnenlicht reflektiert, schmilzt.

Wenn weniger Eis da ist, wird auch wieder mehr Wärme aufgenommen. Im Endeffekt wissen wir nicht, wie sich das Klima langfristig entwickelt, wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu halten. Wir wissen nur, dass die Erderwärmung dann ungebremst weitergehen wird.

Irgendwo habe ich den Satz gelesen: In der russischen Erde schlummert eine CO2-Bombe, die ganz woanders detonieren wird.

Ja, das ist so. Zwar tauen die Böden in Russland auf, aber die Folgen dieser Entwicklung werden global sein und sich u. a. auch in Indonesien oder im Pazifik niederschlagen …

Wie kann es eigentlich sein, dass besonders die Länder am Äquator von den Folgen des Klimawandels betroffen sind?

Global liegt die Erderwärmung derzeit bei einem Durchschnittswert von 1 Grad. Dieser Wert variiert allerdings. An den Polen sind es bereits um die drei Grad durch den großen Eisverlust. In manchen Ländern z. B. Afrikas kommt erschwerend hinzu, dass man ohnehin schon mit großen Problemen zu kämpfen hat: Armut, ungenügende Gesundheitsversorgung, schlechte Landwirtschaftssysteme usw., um nur einige zu nennen. Durch die Klimaveränderungen werden diese Probleme noch verstärkt, fast wie wenn man eine Lupe draufhält. Deshalb sind die Folgen des Klimawandels dort immer besonders einschneidend.

 

Der Weltklimarat

Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist eine Institution der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf.  Der IPCC trägt die Ergebnisse der aktuellen naturwissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Literatur zusammen, die weltweit zum Thema Klimawandel veröffentlicht werden.

Er stellt die Grundlagen, Folgen sowie Risiken des Klimawandels dar, bewertet diese und zeigt zudem Möglichkeiten auf, wie die Menschheit den Klimawandel mindern und sich an eine globale Erwärmung der Erde anpassen kann. Seit 1990 veröffentlicht der Weltklimarat alle sechs bis sieben Jahre Sachstandsberichte, die sogenannten IPCC Assessment Reports.

Die Probleme scheinen so massiv zu sein, die Zukunftsaussichten sind schlicht und ergreifend erdrückend: Erbitterte Kämpfe um den Zugang zu Wasser und Essen, Millionen von Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage, werden zur Flucht gezwungen sein, wie man am Beispiel Tschadsee sehr gut veranschaulichen kann …

Ja, der Tschadsee erlebt ein dramatisches Absinken des Wasserspiegels, seit 1963 um mehr als 90 Prozent, was auch als Folge der globalen Erwärmung gesehen wird. Auch dort gibt es schon jetzt enorme Flüchtlingsströme, weil aufgrund des Schrumpfens des Sees die Menschen um ihre Existenz gebracht werden. Das wiederholt sich auch in anderen Gebieten, z. B. am Turkana See in Kenia oder am Aralsee in Zentralasien, der einmal das viertgrößte Binnengewässer der Welt war, heute aber durch den Klimawandel fast ganz ausgetrocknet ist.

Indonesien, Sibirien, Tschadsee – alles weit weg von uns, denken wir. Warum geht es uns trotzdem etwas an?

Weil auch wir die Folgen der Erderwärmung irgendwann verstärkt zu spüren bekommen werden, nicht nur durch Umweltkatastrophen, sondern auch durch neue Flüchtlingsströme. Wenn ganze Länder unbewohnbar werden, flüchten die Menschen. Was bleibt ihnen auch anderes übrig. Derzeit sind Inselstaaten wie Tuvalu, Samoa und die Marshallinseln vom Untergang bedroht. Die große Ungerechtigkeit besteht darin, dass wir das Problem verursacht haben ...

Durch …?

Durch die Industrialisierung, durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen. Deshalb haben sich die Industriestaaten ja auch dazu bereit erklärt, von 2020 bis 2025 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für ärmere Staaten bereitzustellen. Damit sollen u. a. durch den Klimawandel verursachte Schäden beseitigt werden. Die Industriestaaten sind in der Pflicht, für die Senkung der CO2-Emissionen am meisten zu tun.

Was passieren könnte, ist, dass andere Länder sagen: Wenn die USA nicht dabei sind, steigen wir auch aus.

Marianne Jacobsen Toftgaard

 

Es gibt viele, die nach wie vor der Meinung sind, dass nicht der Mensch am Klimawandel schuld ist, sondern dass dieser auf natürlichen Schwankungen beruht. Sie berufen sich darauf, dass es schon immer Warm- und Kaltzeiten gegeben hat und wir gerade in einer Warmzeit leben. Könnte da etwas dran sein? Könnten die Klimaveränderungen vielleicht sogar eine  Mischform von „menschengemacht“ und „gottgegeben“ sein?

Ich meine, nein. In seinem Bericht kommt der Weltklimarat zu dem Schluss, dass die Klimaveränderungen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit menschengemacht sind. Man darf nicht vergessen: Dem Bericht liegen viele Tausend wissenschaftliche Studien und die Ergebnisse tausender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zugrunde.

Am Ende der Auswertung aller Daten steht die einhellige Meinung, dass der Mensch den Klimawandel verursacht hat. In den achtziger Jahren meinte die Wissenschaft noch, es sei „wahrscheinlich“, dass der Klimawandel menschengemacht sei.

Weil die Studien immer besser wurden und immer mehr Daten zur Verfügung stehen, ist aus dem „wahrscheinlich“ eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit geworden, dass wir Menschen den Klimawandel zu verantworten haben.

US-Präsident Trump erkennt den Klimawandel zwar inzwischen an, zweifelt aber weiter daran, dass die Menschheit die Verantwortung für die Erderwärmung trägt. Die USA wollen aus dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz aussteigen. Noch sind sie drin. Was passiert, wenn sie endgültig aussteigen?

Was passieren könnte, ist, dass andere Länder sagen: Wenn die USA nicht dabei sind, steigen wir auch aus. So ähnlich wie bei dem gefürchteten Brexit-Effekt. Geopolitisch wird der US-Ausstieg ein Problem sein, weil die USA und China bei den Verhandlungen die zwei größten Akteure sind. Wenn die USA aussteigen, steht China allein da mit einer sehr großen Verantwortung und hat dann nicht mehr die Möglichkeit, sich mit den USA abzustimmen, nach der Devise: Wenn ihr so und so macht, dann machen wir das und das.

Das ist wie bei einem Schachspiel – einer macht den ersten Zug, darauf folgt strategisch der nächste und so weiter. Auch bei den Klimakonferenzen warten immer alle darauf, dass derjenige, der die größte Verantwortung trägt, auch den ersten Schritt macht. Wenn die USA sich zurückziehen, kann dieses strategische, geopolitische Spiel nicht mehr stattfinden, und das wird Konsequenzen haben. China muss sich neu orientieren und wird auf die EU schauen. Die EU ihrerseits wird sich höhere Klimaziele setzen müssen, um ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden.

Was passiert nach dem Ausstieg mit der amerikanischen Klimapolitik?

Zum Glück gibt es in den USA viele Klima-Initiativen auf Bundesstaatsebene. In Kalifornien beispielsweise wird in dieser Hinsicht sehr viel getan. Auch in anderen US-Bundesstaaten wird  unabhängig von der Regierungspolitik agiert. Wenn man sich in den USA in den Bereichen Windkraft und Solarzellen umschaut, dann wird schnell klar, dass schon sehr stark in erneuerbare Energien investiert wird. Kohlekraft dagegen wird immer mehr abgebaut. Letztes Jahr war der Kohleverbrauch in den USA der niedrigste seit 1982.

Obwohl Trump seinen Wählern ja etwas anderes in Aussicht gestellt hat …

Ja, weil es teilweise auf Bundesstaatsebene entschieden wird. Ich denke, dieses unabhängige Agieren einzelner US-Bundesstaaten wird sich immer mehr durchsetzen. Es wurde jetzt gerade am Thanksgiving Day – vielleicht war dieser Tag sogar strategisch gewählt – im Auftrag des US-Kongresses ein Bericht von US-Wissenschaftlern über die Klimaveränderungen in den USA herausgegeben.

In diesem Bericht wird unmissverständlich aufgezeigt, welche enormen wirtschaftlichen Konsequenzen es hat, dass man in den USA beim Klimaschutz nicht mehr Ehrgeiz an den Tag legt. Interessanterweise wird nicht nur in The New York Times, sondern auch bei Fox News (Der Sender gilt als Trump-freundlich, Red.) in den Hauptüberschriften auf die wirtschaftlichen Folgen einer im Grunde nicht existierenden Klimapolitik hingewiesen. Hurricanes, Waldbrände etc., all das verursacht ja schon jetzt enorme Kosten für den US-Haushalt.

Die werden in Zukunft natürlich nicht weniger werden, solange keine Bewegung in die US-Klimapolitik kommt. Dabei belegen unzählige Studien, dass eine grüne Umstellung nur Vorteile hat, auch und gerade wirtschaftliche.

Vom 2. bis 14. Dezember 2018 findet in Kattowitz in Polen die diesjährige UN-Klimakonferenz statt, an der du und weitere 1.500 Delegierte der Umwelt-NGOs teilnehmen werden. Insgesamt nehmen 197 Länder bzw. 15.000 bis 20.000 Delegierte an den Verhandlungen teil. Was darf man sich von der Konferenz erhoffen? Wo stehen wir gerade? Welche Entscheidungen stehen an?

Die Konferenz wird zum Teil eine technische Ausrichtung haben. Auf der Klimakonferenz in Paris vor drei Jahren wurden ja die großen Ziele abgesteckt: maximal 1,5 Grad Erderwärmung, Schaffung der dafür erforderlichen technologische Infrastruktur etc. Jedes Land verpflichtete sich, einen Klimaplan und Klimaziele auszuarbeiten. Ab 2020 soll dann alle fünf Jahre geschaut werden, ob die Ziele erreicht wurden. Jedes Mal werden dann neue Ziele gesteckt, die besser sein müssen als die davor.

Nach Paris war aber noch nicht klar: Wie setzen wir die Ziele eigentlich um? Was sollen die nationalen Klimapläne konkret enthalten, und wie steht es um die ganze Finanzierung? Seit Paris verhandelt man über diese Fragen, und diese Verhandlungen sollen jetzt in Polen zu einem Abschluss gebracht werden. Zum anderen: Wir bewegen uns derzeit auf eine Erderwärmung von drei bis vier Grad zu.

Man erhofft sich von Polen, dass die Länder sich vor diesem Hintergrund dazu verpflichten, ihre Klimaziele schon jetzt zu erweitern, und sich dann bis zum Jahr 2020 höhere Ziele setzen. Sonst erreichen wir das 1,5-Grad-Ziel einfach nicht.

Vor einigen Tagen war zu lesen, dass noch nie so viel CO2 in der Atmosphäre gemessen wurde wie heute. Das klingt nicht gerade so, als wäre die Klimabotschaft bei den Industriestaaten wirklich angekommen. Und alldieweil bewegen wir uns also auf eine Erderwärmung von drei bis vier Grad zu?

Ja, so sieht es aus. Und nach dem Bericht des Weltklimarates bleiben uns, wie gesagt, nur zwölf Jahre, um die globale Erderwärmung rechtzeitig zu stoppen. Gelingt uns dies nicht, haben wir es mit einem Szenario eines galoppierenden, sogenannten Runaway-Treibhauseffektes zu tun, bei dem man nicht genau weiß, was kurz- oder langfristig auf uns zukommt. Das könnte dann richtig übel werden. Die Regierungen sollten jetzt die gestiegene Menge an CO2 in der Atmosphäre zum Anlass nehmen, schneller, ernsthafter und ehrgeiziger zu reagieren.

Wie geht man mit der Tatsache um, dass in den Bemühungen um eine vernünftige globale Klimapolitik auch immer wieder enorme Rückschläge hingenommen werden müssen?

Gerade wurde in Brasilien mit Jair Bolsonaro ein ultrarechter Präsident gewählt, der industriellen Großprojekten im Amazonas-Regenwald den Weg ebnen will. Dabei weiß inzwischen jedes Kind, wie wichtig der Regenwald für die Aufnahme des Treibhausgases CO2 ist.

Das ist frustrierend und beängstigend zugleich, das gebe ich gern zu. Einige Kollegen von mir in Brasilien machen sich große Sorgen, was aus ihrem Land werden soll. Gleichzeitig treten aber die Bürgerbewegungen, die in eine andere Richtung ziehen, immer mehr in Erscheinung. Die Proteste im Braunkohlerevier Hambacher Forst oder die Umweltbewegung Extinction Rebellion in Großbritannien sind nur zwei Beispiele, die Hoffnung machen.

Du beschäftigst dich tagtäglich mit dem Klimawandel und seinen Folgen, sitzt bei den UN-Konferenzen quasi mit am Tisch, wenn die Mitgliedsstaaten beraten. Besonders gemütlich ist das sicherlich nicht, schließlich geht es darum, eine Klimakatastrophe mit all ihren fatalen Folgen möglichst noch abzuwenden. Was lässt dich hoffen, dass es uns doch noch gelingen könnte?

Dass immer mehr Regierungsverantwortliche sagen, wir müssen und wollen was tun, und dass immer mehr Menschen sich dafür entscheiden, klimafreundlicher zu leben, nach der Devise: Wir machen einen oder zwei fleischfreie Tage pro Woche, oder wir fliegen nicht in den Urlaub nach Thailand, sondern fahren stattdessen in ein Naherholungsgebiet. Oder wir fahren statt mit dem Auto mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Mehr braucht es eigentlich nicht, um Teil der globalen Klimalösung zu sein. Allerdings liegt die größte Verantwortung immer noch bei den Politikern, denn nur durch Gesetzgebung kann die große Umstellung auch gelingen.

Noch mal für alle, die es noch nicht so verinnerlicht haben – das Problem mit dem Fleisch, insbesondere dem Rindfleisch, ist … ?

... dass Kühe bei der Verdauung das Treibhausgas Methan produzieren. Und weil die Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten so enorm gestiegen ist und es heute einfach mehr Rinder gibt als früher, ist das zu einem wirklichen Problem geworden.

Hoffnung macht mir auch, dass Länder und Ölkonzerne heute im Namen des Klimaschutzes verklagt werden. In Holland hat die Regierung gerade einen Prozess verloren, wo es um den unzureichenden Schutz der Bürgerrechte in Sachen Klimapolitik ging. Bill de Blasio, der Bürgermeister von New York, hat BP, Shell und andere Konzerne verklagt, wirft ihnen vor, die Öffentlichkeit über die Folgen des Klimawandels getäuscht zu haben. In Zukunft werden wir immer häufiger erleben, dass der juristische Weg beschritten wird, um Klimaschutzrechte einzufordern. Und das ist gut.

Schließlich habe ich auch deshalb Hoffnung, weil die Menschheit immer dann am stärksten war, wenn sie sich vor große Herausforderungen gestellt sah. Und der Klimawandel ist in der Tat eine große Aufgabe und Herausforderung.

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