Buchtipp

Vergessene Autolegenden abseits der Highways

Vergessene Autolegenden abseits der Highways

Vergessene Autolegenden abseits der Highways

Apenrade/Aabenraa
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Rost in Peace Foto: Delius Klasing

Das Buch „Rost in Peace“ stellt urige Karossen vor, die bewegen, aber nicht mehr fortbewegen. Sträucher wachsen als „ökologische Wegfahrsperren“ aus den Wracks heraus.

Rost in Peace

Niehues, Heribert: „Rost in Peace“, Verlag Delius Klasing 2016, 144 S., 167 Farbfotos, zweisprachig dt./engl., Klappenbroschur, 24,90 Euro, ISBN 978-3-667-10691-9.

Das Buch „Rost in Peace“ stellt urige Karossen vor, die bewegen, aber nicht mehr fortbewegen. Sträucher wachsen als „ökologische Wegfahrsperren“ aus den Wracks heraus.

Rost hat den alten Glanz stumpf gemacht, doch stellenweise lugt der Lack noch hervor. Witterung und Zeit haben bei anderen Autos die innere Türverkleidung gelöst wie Haut nach einem Sonnenbrand, haben die Scheinwerfer in leere Augenhöhlen verwandelt, und aus wieder anderen wachsen aus dem Motorraum Sträucher und Bäume ans Licht. – „Ökologische Wegfahrsperren“ nennt Autor Heribert Niehues diese Eingriffe der Natur, die sich an den Karossen ausgetobt hat und sie als urige Monster zurückließ. Pick-up, Plymouth und Pontiac sind trotz aller Patina noch als solche zu identifizieren ebenso wie Chevrolet & Co.

Wer den morbiden Charme Venedigs mag und von einer Fotosession auf Kuba träumt, um dort die Spuren der Vergänglichkeit einzufangen, der wird auch von Niehues‘ Buch „Rost in Peace – Automobile Fundstücke in den USA“ begeistert sein.

Die 167 Farbfotos des zweisprachigen Bandes – deutsch und englisch – sind eine Augenweide, und der Leser kann es dem Autor wirklich nachfühlen: dass für ihn als Liebhaber schöner Oldtimer der Anblick dieser verlassenen Fahrzeuge oft eine Mischung aus Faszination und Entsetzen ist. Dennoch sucht Niehues auf seinen Reisen quer durch die USA genau diese Fotomotive: Vergessene Autos, rostige Relikte des vergangenen Benzinzeitalters der 1920er bis 1960er Jahre haben es ihm angetan. Seine Schätze präsentiert er in den drei Abschnitten: Der Wilde Westen, der Mittlere Westen und der tiefe Süden und fügt die Fotos so zu einer Rundreise zusammen.

Die dramatische Wirkung der fotografierten maroden Models hat Niehues mithilfe der HDR-Technik (High Dynamic Range) erzielt. Der Effekt entsteht dadurch, dass ein Foto aus drei Bildern mit unterschiedlichen Belichtungen zusammengesetzt wird.

Durch den geografischen Charakter der Kapitelunterteilung begleitet der Leser den Autor und Fotografen auf seiner Tour durch die Vereinigten Staaten, abseits der Interstate-Highways. Entdeckt vergessene Autolegenden, „die allesamt aus einer Ära ohne Ozonloch und Zukunftsangst stammen“. Trifft auch auf leer stehende Geschäfte, in denen der Putz von den Wänden bröckelt, verrostete Zapfsäulen und verlassene Farmen. Und immer wieder diese „Sleeping Beautys“, wie er sie nennt, die noch bewegen, aber nicht mehr fortbewegen.

Doch warum zeugt das Land noch heute von diesen so zahlreich zu findenden „Wegwerfartikeln“ der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft? Niehues: „Ab den Fünfzigerjahren wechselten fast alle großen Hersteller ihre Modelle jährlich; kaum gekauft, war man praktisch schon mit einem ,alten‘ Auto unterwegs.“ Anfang der Sechziger Jahre war ein Auto aus den Fünfzigern dann praktisch nichts mehr wert – und wurde oftmals auf unkonventionelle Weise entsorgt. „Gerade auf dem Land, wo grenzenlose Weiten vorherrschen und damit Platz in Hülle und Fülle ist, blieben viele ausgediente Autos einfach dort stehen, wo sie nicht stören. Der nächste Schrottplatz war oft weit entfernt, und die Entsorgung fand bestenfalls hinter Haus oder Scheune statt. Die Hemmschwelle, sein betagtes Gefährt einfach im Wald, am Rand großer Agrarflächen oder in Flüssen verschwinden zu lassen, war offenbar sehr niedrig.“

Dichtes Grün macht so manchen Klassiker beinahe unsichtbar. Aber glücklicherweise nur beinahe!

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