Abkehr von Konsumgesellschaft

Herzenssache: Umweltbewusstes Leben und Einkaufen

Herzenssache: Umweltbewusstes Leben und Einkaufen

Herzenssache: Umweltbewusstes Leben und Einkaufen

Tondern/Tønder
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Vanessa Gosch hat Sterne aus Zeitungspapier gefaltet. Foto: Brigitta Lassen.

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Vor einem halben Jahr eröffnete Vanessa Gosch ihren Unverpackt-Laden „Fyld" in Tondern. Die dreifache Mutter verkauft Socken aus dem Meer und Kosmetik aus Kaffeesatz.

So wenig Müll wie möglich soll im eigenen Fünf-Personen-Haushalt in Bülderup-Bau (Bylderup Bov) anfallen. Alu-Folie gibt es zum Beispiel überhaupt nicht mehr. Nach diesem Vorsatz leben Vanessa Gosch und ihr Mann Max seit Jahren. Sie haben der Konsumgesellschaft den Rücken gekehrt und lassen sich nicht vom Kaufrausch anstecken. Nun will die Mutter von drei Söhnen das Umweltbewusstsein anderer schüren und davon leben. Vor einem halben Jahr eröffnete sie in der Tonderner Westerstraße ihren Unverpackt-Laden Fyld.

 

Das Konzept dieser Geschäfte sei in Deutschland bekannter als in Dänemark, erzählt die 42-Jährige. In Dänemark gibt es nur in den größeren Städten wie etwa Aarhus und Kopenhagen solche Läden. Sie beruhen darauf, dass Verpackung vermieden wird. Selbst gemachte Seifen, Mehl, Haferflocken, Erbsen oder Linsen, alles ökologische Produkte, sind unverpackt. Der Kunde kommt mit seinen eigenen Behältnissen, wiegt diese und nimmt sich die Menge, woraufhin das Gefäß wieder auf die Waage kommt und abgerechnet wird.

So zapfen die Kunden ihre Einkäufe ab. Foto: Brigitta Lassen.

Das zunächst auch angebotene ökologische Gemüse musste Vanessa Gosch schnell wieder aus dem Sortiment nehmen. Es war ein Ladenhüter. „Da blieb so viel übrig, dass wir es auch zu Hause nicht aufessen konnten. Dafür sind meine veganen Schaumküsse der große Knüller und verkaufen sich sehr gut“, freut sich die Ladeninhaberin, die auch in ihrem Geschäft nichts von Lebensmittelverschwendung hält. Waren, bei denen sich das Haltbarkeitsdatum nähert, werden günstiger angeboten.

Schulsekretärin an der LAS

Ob es für Vanessa Goschs Geschäft reicht, muss sich noch zeigen. Seit November arbeitet sie daher auch als Sekretärin an der Ludwig-Andresen-Schule. Ab Neujahr werden mehr Stunden im Schulsekretariat dazukommen. Dann muss sie die Öffnungszeiten ihres Ladens ändern. Eine oder einen Angestellten zu beschäftigen, werfe der Laden nicht ab, erklärt die frischgebackene Geschäftsfrau.

Die Umwelt und die Natur liegen mir sehr am Herzen und sind das, was mich am allermeisten beschäftigt.

Vanessa Gosch, Geschäftsinhaberin in Tondern

Die 42-Jährige bemüht sich schon seit früher Kindheit, die Natur zu schützen. Sie war als Kind sehr angetan von den Aktionen von Greenpeace, und für sie ist die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg eine Heldin. „Die Umwelt und die Natur liegen mir sehr am Herzen und sind das, was mich am allermeisten beschäftigt. Ich verstehe überhaupt nicht, dass nicht genauso viele Pressekonferenzen zum Thema Klima wie zu Corona abgehalten werden.“

Liebe zur Natur

Die Liebe zur Natur steckt seit ihrer Kindheit in ihr. Es sei wohltuend für Seele und Geist, ans Wasser zu gehen oder in den Wald. „Es ist so einfach, zum Beispiel weniger Müll im eigenen Haushalt zu produzieren. Ich will meinen Freundes- und Bekanntenkreis oder die Familie nicht bekehren, sondern sie eher inspirieren, wie man das tun kann. Aber einige sind auch hoffnungslose Fälle“, seufzt sie. So brauche man Bananen nicht einzupacken. Die seien schon in ihrer Schale eingepackt.

Unter anderem Mehl gibt es nach Gewicht. Foto: Brigitta Lassen

 

Vanessa Gosch wurde in Hamburg geboren, wo sie die ersten sieben Jahre ihres Lebens verbrachte. Dann zog sie mit ihren Eltern nach Apenrade (Aabenraa). Ihre Mutter kommt aus Loit Kirkeby (Løjt Kirkeby), ihr Vater ist Deutscher. In der Fördestadt besuchte Vanessa die deutsche Schule und anschließend das deutsche Gymnasium. Diese drei Jahre hat sie in sehr guter Erinnerung.

 

Raus aus der Kleinstadt Apenrade

Nach ihrem Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade lockte die Großstadt – sie musste raus aus der Kleinstadt Apenrade. Heute lebt sie mit ihrer Familie in einem noch kleineren Ort als Apenrade.

Doch als junge Frau ging es ab nach Hamburg, wo sie eine kaufmännische Lehre im Einzelhandel machte. Eigentlich wollte sie Tänzerin werden und ihre künstlerische Ader ausleben, die in ihr ruhe. Doch es kam ganz anders. In Sonderburg (Sønderborg) ließ sie sich zur Bekleidungstechnikerin ausbilden. „Bei der nächsten Stufe wäre ich Schneiderin geworden. Doch es gab weit und breit keinen Job. Daher ließ ich es“, erzählt die junge Frau, die dann verschiedene berufliche Stationen hinter sich brachte, bevor sie sich in diesem Jahr zur Eröffnung ihres Ladens entschloss.

Socken und Slips aus dem Abfall des Meeres Foto: Brigitta Lassen

Erneuerbares Material spielt eine große Rolle in ihrem Geschäft. Nichts ist importiert, fast alles unverpackt. Das gilt natürlich nicht für ihr Öko-Bier und -Apfelsaft von Høstkassen in Jeising (Jejsing).

Auch eine besondere Kosmetikserie vertreibt sie. Die Firma Grums setzt bei der Produktion Kaffeesatz ein. Oder es gibt Socken aus dem Meer, die aus Plastikmüll der Ozeane hergestellt sind. Auch Waschpulver, Spülmittel und Reinigungsmittel gibt es zum Abzapfen.

 

Bunte Sterne aus dem Buch „Find Holger" Foto: Brigitta Lassen

„Ich mache mir gar nichts aus dem Leben im Überfluss. Wenn andere darüber lachen, dass wir in unserem Zuhause nur einen und nicht drei Fernseher haben, dann ist es halt so. Mein Handy ist auch uralt. Viele schmeißen Sachen weg, nur weil sie ein wenig kaputt sind und kaufen sich etwas Neues. Diese Konsum- und Wegwerfgesellschaft gefällt mir nicht. Ich habe mich nicht davon anstecken lassen.“

„Find Holger als Stern“

Ein wenig künstlerisch kann sie auch für ihren Laden sein. Aus Zeitungspapier hat sie beispielsweise Sterne gebastelt. Ihre Söhne sponserten auch ihr Kinderbuch „Find Holger“, das in zerschnittener Form auch in Sterne umfunktioniert wurde. Aus Laken oder Tischdecken näht sie zudem Taschen, die sie in ihrem Laden ebenso verkauft wie den selbst gebastelten Weihnachtsschmuck. Gleiches tut sie mit ihren selbst gemachten Seifen. „Auf diese Weise kann ich meine Kreativität, die in mir brennt, zumindest ein wenig einsetzen."

Wer gerade beim Einpacken von Geschenken umweltbewusst vorgehen will, für den hat die Geschäftsfrau einen Tipp: Zeitungspapier und Stoffreste nehmen. „Das sieht auch sehr schön aus.“ Im Geschäft packt sie die als Geschenk gekauften Sachen in braunes Altpapier mit Paketschnur aus Naturfaser ein.

Umweltbewusstes Einpacken von Geschenken ist nicht schwer. Foto: Brigitta Lassen

So wird sich ihre Familie an Heiligabend auch nicht durch einen Berg von Geschenkpapier arbeiten müssen, der Umwelt zuliebe. 

Das umweltbewusste Leben unterstützt ihr Mann Max. Ohne ihn ginge das gar nicht. „Wir ernähren uns gesund und kaufen am liebsten heimische Produkte, unverpackt, versteht sich. Wir fliegen auch nie in den Urlaub, sondern nehmen immer die Bahn. Ich fahre selten im Auto, sondern radle dafür“, berichtet sie. Wann sie das letzte Mal Klamotten für sich gekauft hat, daran könne sie sich gar nicht erinnern.

Doch ganz ohne Verpackung geht es auch nicht in ihrem Zuhause, den drei Söhnen zuliebe im Alter von 11, 13 und 16 Jahren. Dann gibt es ausnahmsweise auch mal etwas von McDonalds oder eine Fertigpizza. Aber das ist nur die Ausnahme.

 

 

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