Diese Woche in Kopenhagen

„Was drahtlose Verbindungen mit der Stammmutter Dänemarks zu tun haben“

„Was drahtlose Verbindungen mit der Stammmutter Dänemarks zu tun haben“

„Drahtlose Verbindungen und die Stammmutter Dänemarks“

Kopenhagen
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Auf dem großen Jellingstein sind der erste dänischen König, Gorm der Alte, und seine Frau, Thyra Danebod, erwähnt. Neue Forschung belegt: Königin Thyra hatte deutlich größeren Einfluss, als bisher angenommen. Foto: Carsten Andreasen/Ritzau Scanpix

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In seiner Kolumne lässt Walter Turnowsky in dieser Woche die Gedanken tausend Jahre zurückschweifen, zurück zur Geburtsstunde Dänemarks. Neue Forschung deutet nämlich darauf hin, dass eine Frau dabei eine ganz entscheidende Rolle spielte.

Du sitzt vielleicht gerade an deinem Laptop oder Tablet, liest den „Nordschleswiger“ und denkst dir: Eigentlich wäre es doch nett mit etwas Musik zur Lektüre.

Über ein Icon am obersten Bildschirmrand schließt du mit Bluetooth deine drahtlosen Lautsprecher oder Kopfhörer an, und schon kannst du dir Mozart oder Metallica beim Streamingdienst deines Vertrauens anhören. Doch hast du dir das Bluetooth-Icon schon einmal genauer angesehen und überlegt, was es bedeutet?

Solltest du dabei auf Runenzeichen kommen, bist du auf der richtigen Spur. Und zwar ist das Symbol aus einem H und einem B im Runenalphabet (dem jüngeren Futhark) zusammengesetzt. H steht für Harald und B für Blauzahn (Blåtand). Also jener König Harald, der in Jelling „gebot, diesen Stein zu machen zum Gedenken an Gorm, seinen Vater, und an Thyra, seine Mutter“.

Das Bluetooth-Symbol ist aus zwei Runen zusammengesetzt. Foto: Nationalmuseum

Die Handschrift des Runenhauers

Nur wem dieses Gebot galt, war bislang unklar; der Autor hat seinen Namen nicht in den großen Jellingstein gehauen. Doch jetzt ist die Runologin Lisbeth Imer vom Nationalmuseum in Kopenhagen dem geheimnisvollen Verfasser auf die Schliche gekommen. Es ist sozusagen seine Handschrift, die ihn verraten hat: Der Mann hieß Ravnunge-Tue.

Ein Forscherteam hat mit 3D-Scannings eine Reihe von Runensteinen untersucht. Jeder der Steinhauer hat nämlich eine für ihn spezifische Technik, die sich an seinen Runen ablesen lässt. Und siehe da: Der Runenschreiber des Großen Jellingsteins hat zwei weitere Steine unweit von Jelling gehauen. Und auf dem einen, dem Læborgstein bei Vejen, hat der Rabensohn auch seinen Namen hinterlassen.

Noch wichtiger ist jedoch, was der gute Tue sonst noch auf die Steine geschrieben hat. Denn das deutet darauf hin, dass die Geschichte über die Ursprünge des dänischen Königreiches neu geschrieben werden muss.

Normalerweise wird Gorm der Alte, also Haralds Vater, als der erste König Dänemarks bezeichnet. Erst als seine Nachfahrin Margrethe II. mehr als 1.000 Jahre später den Thron besteigt, wird eine Frau erstmalig Staatsoberhaupt von Dänemark. Was jetzt die Steine des Ravnunge-Tue so interessant macht, ist, dass er nur auf dem einen in Jelling König Gorm erwähnt. Auf allen dreien jedoch Thyra.

Die Bedeutung Thyras

Bislang war unsicher, ob es sich bei der Thyra in Jelling und der auf den beiden anderen Steinen um ein und dieselbe handelt. Jetzt steht so gut wie fest, es ist Thyra Danebod, Gorms Frau, gemeint. Auch auf dem kleinen Jellingstein, den Gorm errichten ließ, steht ihr Name. Der ist jedoch so verwittert, dass die „Handschrift“ des Runenhauers sich nicht mehr identifizieren lässt.

Thyra ist damit als einzige Person aus der Wikingerzeit auf ganzen vier Runensteinen erwähnt, Sohn Harald und Ehemann Gorm jeweils nur auf zweien, und Letzterer nur gemeinsam mit Thyra. Sie war also nicht irgendwer, sondern eine sehr einflussreiche Frau.

Das belegt auch der Text auf dem Læborgstein: „Ravnunge-Tue hat diese Runen nach (im Auftrag von) Thyra, seiner Königin gehauen.“ Mit anderen Worten: Thyra war seine Auftraggeberin, seine Chefin.

Ohne Thyra kein geeintes Reich

Für Runologin Imer steht fest, Königin Thyra war sehr viel bedeutsamer, als die Historikerinnen und Historiker bisher angenommen haben: „Sie stammte vermutlich aus einer vornehmeren und älteren Familie als Gorm der Alte, den wir üblicherweise als Dänemarks ersten König bezeichnen.“

Für sie bedeutet es ein neues Verständnis davon, wer in den Gründungsjahren Dänemarks das Sagen hatte. Thyra dürfte ihre Machtbasis in Südjütland und Nordschleswig haben, denn dort stehen die vier Steine. Gorm kommt wohl von woanders.

Vielleicht ist also die jetzige Königin in Wirklichkeit doch nicht das erste weibliche Staatsoberhaupt, vielleicht war es bereits ihre ferne Vorfahrin. Historikerinnen und Historiker meinen zumindest jetzt, Gorm sei König durch Thyra geworden. Ihr Einfluss habe es ermöglicht.

Thyras Sohn Harald – also der mit dem blauen Zahn – hat das dänische Reich geeint und herrschte im Gegensatz zu seinem Vater auch über Seeland und Schonen. Doch auch das wäre wohl ohne Mamas kräftiges Zutun nichts geworden, so Lisbeth Imer.

Solltest du neugierig geworden sein und willst mehr wissen, dann behalte doch gleich deine Bluetooth-Kopfhörer auf. Auf der Homepage von „DR“ kannst du die Dokumentationsserie „Gåden om Thyra“ finden.

 

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