Ex-Präsident in Kolding

Obama: Für Pluralismus kämpfen

Obama: Für Pluralismus kämpfen

Obama: Für Pluralismus kämpfen

Kolding
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Barack Obama winkt in Kolding wartenden zu. Foto: Martin Ravn/Ritzau Scanpix

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat am Freitag Kolding besucht. An der Süddänischen Universität sprach er über Führungsqualitäten – und darüber, warum die Stimmen, die sich für Toleranz und Freiheit einsetzen, lauter werden müssen.

Auf Einladung des Koldinger Wirtschaftsverbandes hat am Freitag der ehemalige US-Präsident Barack Obama vor 680 Zuhörern an der Süddänischen Universität (SDU) in Kolding gesprochen.

Thema des knapp einstündigen Gespräches mit Obama war das, was mit dem englischen Begriff „Leadership“ bezeichnet wird und im Deutschen noch immer einen fragwürdigen Klang hat: Führung. 200 Studierende, die auf einer geschwungenen Treppe im Atrium der Universität stehen mussten, und zahlreiche geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie Hunderte, die teures Geld für ihre Eintrittskarten zahlten, dafür aber sitzen durften, lauschten den Worten des Mannes, der die USA aus der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise vor zehn Jahren geführt hat.

Dabei machte Obama deutlich, dass die Grundlage allen Wohlstands und aller Freiheit in Europa und den USA eine freie, marktorientierte aber sozial gerechte Gesellschaftsordnung sei. Die revisionistischen, nationalistischen Strömungen könnten nur bekämpft werden, wenn alle, die für Fortschritt und Demokratie stehen, dafür auch aufstünden.

Denn, so Obama: „Wenn man eine Lücke lässt, füllt sich diese mit den Stimmen der Demagogen und mit falschen Informationen. Das Internet ist da nur eine neue Version dessen, was wir früher gesehen haben. Niemand weiß besser, wozu Intoleranz führen kann, als die Länder in Europa! Die Stimmen der Freiheit und Toleranz müssen lauter werden. Wenn eine Bevölkerung passiv, schlecht informiert und ignorant ist, dann besteht die größte Gefahr.“

Er nahm die Landwirte in Südjütland als Beispiel. Kolding liege, so Obama, soweit er wisse, in einer landwirtschaftlich geprägten Gegend, wo es einen ungewöhnlich heißen Sommer gegeben habe.  Und jeder guter Bauer wisse, „egal, wie gut der Boden, man muss sein Land pflegen. Sonst wächst Unkraut.“ Das Modell der Demokratie sei nicht in Gefahr, weil es nicht funktioniert, sondern dann, wenn es nicht gepflegt und wertgeschätzt werde.

Obamas Rat an die Jugend: Für Inhalte statt persönliche Ziele kämpfen

In gewohnt gelassener Weise sprach Obama ernste Themen an – und lehnte sich dabei anfangs weit in seinem Sessel zurück. „Ich muss aufpassen, dass ich es mir nicht zu bequem mache“, so Obama, der zu Beginn seiner Ausführungen auf die dänischen Vorzüge einging – unter ihnen auch das „herausragende Möbeldesign“.

Dänemark repräsentiere eine liberale, marktbasierte Demokratie, die es verstehe, einen dynamischen und fairen Sozialstaat zu sichern. Jedes Kind habe hier eine Perspektive, und dies verschaffe Dänemark eine wichtige Stimme auch international. Für solch ein kleines Land sei das Militär zudem außerordentlich zuverlässig und eine wichtige Hilfe, so Obama. Dänemark sei immer eines der Länder gewesen, auf die er während seiner Präsidentschaft habe zählen können und ein Land, auf dass man stolz sein könne, gerade in Zeiten wie diesen. Das, so der US-Präsident von 2008 bis 2016, dürfe nicht als gegeben genommen werden.

Deshalb brauche es weltweit, auch in Dänemark, künftige Führungspersönlichkeiten, die Dänemarks Rolle als demokratisches Kernland festigen könnten. Sein Ansatz, so Obama, sei es dabei nie gewesen, Präsident zu werden – sondern Gemeinschaften zu helfen. Dabei habe sich gezeigt, dass Politik und Regierungspolitik unumgänglich seien. „Als ich dann erst da drin war, dachte ich: ,Tja, jetzt kann ich vielleicht auch bis an die Spitze gehen’“, so der Ex-Präsident.

Viele wollten ins Parlament oder ähnliches – aber sie wüssten gar nicht, weshalb. Sie hätten keinen Sinn hinter ihrem Tun als den, an der Macht festzuhalten, die sie haben. „Sagt also nicht, ich will Präsident oder Rechtsanwalt oder reich werden. Sag’ dir, ich will dafür sorgen, dass Kinder lernen, dass die Umwelt geschützt wird, dass Armen geholfen wird“, so Obamas Rat an die jungen Zuhörer im Saal.

Obama: Demokratische Teilhabe wichtiger denn je

Entscheidend dafür, den Weg in die Zukunft gehen zu können, sei eine Gesellschaft, in der die Menschen gleiche Möglichkeiten haben und in einer gemeinsamen Welt leben. „Wenn wir das Thema der Gleichheit nicht ansprechen, dann haben wir bald einige Wenige an der Spitze, die ganz andere Leben leben als normale Menschen. In einer Demokratie braucht es nicht absolute Gleichheit, aber genügend Gleichheit, damit die Leute fühlen, dass sie in derselben Welt leben“, so Obama.

In den USA schicke niemand in der Führungsebene seine Kinder mehr in öffentliche Schulen so Obama. Eine ganze Generation wachse also in einem anderen Schulsystem auf, gehe an andere Unis, heirate einander, lebe in geschlossenen Wohngebieten und ein ganz anderes Leben als die restliche Bevölkerung.

Denen, die übrig bleiben, sei vielfach gemein, dass sie brüllen, dass sie nicht gehört werden. Das bringe aber nicht unbedingt Solidarität hervor, sondern es würden rückwärts gerichtete Antworten gesucht und Errungenschaften wie Immigration und Gleichberechtigung plötzlich wieder infrage gestellt. „Wir müssen die Partizipation sicherstellen“, so Obama, nur so könne dieser Trend der Politikverdrossenheit aufgehalten werden. Denn wer nicht wählen geht, fühle sich erst recht nicht vertreten. Auch deshalb sei die Stimme Dänemarks, wo die Wahlbeteiligung weiter hoch ist, in weltweiten Fragen und in Europa wichtig.

Einsatz für die Jugend

Mit seiner eigenen Stiftung setzt sich Barack Obama dafür ein, jungen Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, Zukunft zu gestalten, Führung in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zu übernehmen und dabei demokratische Prinzipien zu verteidigen.

„Die meisten großen Probleme werden nicht deshalb nicht gelöst, weil wir keine guten technischen Lösungen haben. Bereits mit existierenden Technologien könnten wir unsere Treibhausgasemissionen um 20 bis 25 Prozent reduzieren, ohne Einschnitte unserer Lebensqualität“, so Obama. „Wir tun das aber nicht, weil unsere politischen und sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse das nicht zulassen. Die Leute haben Interessen, Geld zu verdienen. Mit Öl und Gas zum Beispiel“, so Obama.

„Wir können technologisch den Hunger in Afrika beenden. Aber nicht, wenn da gleichzeitig Bürgerkriege herrschen. Die nächste Generation soll diese Felder angehen“, so der 44. Präsident der Vereinigten Staaten.

Ermutigt hätten ihn Besuche im Vietnam, der Türkei, Deutschland oder den USA. „Wenn ich mit Schülern rede, haben alle den gleichen Impuls gehabt, die Welt besser zu machen, und sie haben keine Angst vor den derzeitigen Entwicklungen gezeigt“, berichtet Obama. Die Jugend sei offen für Ideen, Kultur, Musik, Essen aus aller Welt. Sie vertraue den Institutionen nicht, aber sie habe Vertrauen in die Zukunft. „Solchen jungen Leuten wollen wir helfen, dass sie etwas bewegen können.“

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
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