Schulwahl

„Das heißt mehr Chancengleichheit“

„Das heißt mehr Chancengleichheit“

„Das heißt mehr Chancengleichheit“

Frank Jung/shz.de
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Katja Coordes, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Foto: Privat

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Anders als Eltern findet die Lehrergewerkschaft Erziehung & Wissenschaft eine stärkere Steuerung von Schülerströmen gut.

Von Elternvertretern kommt harsche Kritik, weil das Land den Behörden eine erweiterte Handhabe geben will, Anmeldungen für Schulen zu steuern. Dies soll zu einer gleichmäßigeren Auslastung von Schulen führen. Aber der Preis dafür ist, dass eine Schule formell schon für räumlich ausgeschöpft erklärt werden kann, obwohl sie es tatsächlich noch gar nicht ist. Unser Redaktionsmitglied Frank Jung sprach darüber mit Katja Coordes, der stellvertretenden Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung & Wissenschaft (GEW). Die 36-Jährige hat mehrere Jahre Berufserfahrung an Gemeinschaftsschulen in sozial benachteiligten Lagen in Kiel.

Können Sie die Kritik von Eltern verstehen, die durch die Regelung die Wahlfreiheit eingeschränkt sehen?

 

Ja, die Regelung schränkt die freie Schulwahl ein.

Ja, die Regelung schränkt die freie Schulwahl ein. Eltern beschäftigen sich schon sehr intensiv mit der Frage, welche Schule die beste für ihr Kind ist. Da kommen dann leicht Bedenken auf, ob das eigene Kind bei den gestärkten Steuerungsmöglichkeiten der Schulaufsicht noch so gefördert wird wie die Eltern sich das vorstellen.

Sehen Sie umgekehrt aber auch Vorteile der stärkeren Steuerungsmöglichkeiten für die Schulaufsicht?

Durchaus. Wenn man einen Ausgleich der Schülerströme zwischen gut und weniger gut frequentierten Schulen schafft, verschafft das allen Standorten die gleiche Zuteilung von Ressourcen, insbesondere von Lehrkräften. Das heißt mehr Chancengleichheit. Bisher ist es so, dass die besser frequentierte Schule einen Vorteil bei den Ressourcen hat. Damit kann sie auch mehr in Schulentwicklung investieren, die schlechter frequentierte Schule weniger. Da entsteht schnell eine Art Teufelskreis. Vorteile haben die geplanten Regelungen vor allem im Hinblick auf Schulen in sozial schwierigeren Lagen. Die haben bisher die meisten Probleme, Schüler zu gewinnen.

Aber ist es den Preis, also die eingeschränkte Wahlfreiheit, wert?

Ich bezweifle, dass es ein hoher Preis ist.

Ich bezweifle, dass es ein hoher Preis ist. Weil ich glaube, dass Schulen an jedem Standort einen guten Job machen.

Aber es liegt doch an bestimmten Dingen, dass manche Schulen öfter gewählt werden als andere.

Das liegt daran, dass Eltern tendenziell Schulen bevorzugen, die über mehr Ressourcen verfügen. Wenn alle die gleichen Ressourcen haben, können auch alle gleichermaßen in gute Schulentwicklung investieren.

Wollen Sie ernsthaft bestreiten, dass es – wie in fast allen Lebensbereichen – bei Schulen engagiertere und weniger engagierte gibt?

Das gibt es in allen Bereichen, was beteiligte Personen angeht, aber ich würde das nicht jeweils auf einen ganzen Schulstandort beziehen.

Wie dringlich ist es, dass sich sozial verschiedene Schülerklientele besser durchmischen können?

Es ist wichtig, weil schwächere Schüler von stärkeren profitieren. Es ist auf jeden Fall angeraten, weil dadurch soziale Spaltung zurückgedrängt werden kann.

Wenn die Schulaufsicht stärker steuern kann, sind dann auch noch andere Jahrgänge als 1 und 5 betroffen?

Ich erwarte, dass das auch dazu führt, dass es nach der Orientierungsstufe weniger Wechsler gibt. Damit meine ich nicht so sehr Kinder, die vom Gymnasium auf die Gemeinschaftsschule wechseln, sondern mehr solche, die zwischen verschiedenen Gemeinschaftsschulen wechseln. Das bringt Unruhe an diese Schulen. Ziel muss es sein, dass Schulen die Kinder von Anfang an bis zum Abschluss behalten.

Aber Motive für einen Schulwechsel wird es doch immer geben. Sie argumentieren für Zwang, Schüler in einem Umfeld zu lassen, das individuell nicht zu ihnen passt.

Von Zwang möchte ich nicht sprechen. Alle Schulen versuchen doch nach besten Möglichkeiten, die Kinder so zu integrieren, dass sie sich wohlfühlen.

Ob Sie es Zwang nennen wollen oder nicht, es ist doch einer.

Wenn es irgendwo gar nicht funktioniert, wird es immer noch einen Weg geben, woanders weiterzumachen. Aber die Frage nach einem Schulwechsel nach Klasse 7 wird sich künftig weniger stellen, weil einfach Schulen wegen von vornherein besserer Auslastung kaum noch jemanden zusätzlich werden aufnehmen können. Dann sind ab Klasse 5 alle Klassen gleich voll.

Ist es nicht gut, wenn sich Schulen um Attraktivität bemühen müssen, damit sie selbst möglichst viele Schüler anlocken?

Unterricht ist das Kerngeschäft, nicht Konkurrenzkampf.

Dieser Wettbewerb um Schüler bindet viel Kraft und Energie. Es ist nicht der richtige Weg, wenn es erstmal nur darum geht, am Anfang viele Anmeldungen zu haben. Es ist wichtig, nicht das Außenbild zu stärken, sondern sich auf das Innere zu konzentrieren. Unterricht ist das Kerngeschäfte, nicht Konkurrenzkampf.

Mehr lesen