Lesetipps
Harry Potter statt Blechtrommel
Harry Potter statt Blechtrommel
Harry Potter statt Blechtrommel
TV-Literaturkritiker Denis Scheck gibt mit seiner neuen Bestenliste der Bücher Anstoß zu angeregten Diskussionen.
Die aufgeregtesten Gemüter unter den Lesern seien gleich beruhigt: Goethe ist drin, natürlich mit seinem „Faust“! Nordrhein-Westfalens Schulministerium hat das wichtigste Drama der Deutschen gerade aus dem Lesekanon für Abiturienten gestrichen und so Stoff für einen neuen Streit um Pflichtlektüren geliefert. Denis Scheck aber wackelt nicht. Bei ihm steht der Klassiker im neuen Kanon.
„Schecks Kanon“: Das Buch kommt gerade richtig zur neuen Debatte um Leselisten, die die Düsseldorfer Schulbehörde ausgelöst hat. Auch wenn der „Faust“ bei Scheck sicher ist – andere Kanonklassiker hat der Literaturkritiker kurzerhand gestrichen.
Denis Scheck, das ist der alerte Bücherplauderer mit Krawatte und Einstecktuch – und dem Mut zur harten Entscheidung. Bücher, von denen er nichts hält, knallt er gern in die Mülltonne. Der Mann mit dem schlauen Blick und dem schwäbischen Akzent hält geschickt die Mitte zwischen Unterhalter und Scharfrichter. Und er setzt dazu an, jenen Thronsessel einzunehmen, den Marcel Reich-Ranicki der deutschen Literaturkritik vor die Fernsehkamera gestellt hatte.
Nun legt Scheck einen handlichen Band vor, der Lust aufs Lesen macht. Eine knappe Einleitung, dann geht es auch schon hinaus auf die Ozeane der Lektüren. Scheck hebt nicht den Zeigefinger, er schaut in Bücher und schildert amüsant und lehrreich zugleich, was er dabei entdeckt hat.
Von „Krieg und Frieden“ bis „Tim und Struppi“: Der Untertitel macht bereits klar, warum diese Ansammlung von Autorennamen von Marcel Proust bis Astrid Lindgren, von Yasushi Inoue bis Charles M. Schulz durchaus als „wilder“ Kanon gelten darf.
Denis Scheck schert sich nicht um Genregrenzen und Sprachgebiete. Sein Kanon soll die Tür zum 21. Jahrhundert öffnen. Mehr Frauen, Mut zum Comic, Voten für weniger bekannte Namen und entferntere Literaturen: Scheck mixt den Lesecocktail richtig durch. Er schafft Platz, indem er einige Säulenheilige der Literatur vom Podest stößt. Siegfried Lenz, Günter Grass, Theodor Storm, Hermann Hesse? Alles Fehlanzeige.
Scheck baut der Literatur kein Pantheon der verdienten Größen, er setzt auf die Lust am Lesen. Seinen „Goldstandard in der Literatur“ beschreibt er so:
Zur Weltliteratur zählt für mich ein Werk dann, wenn es meinen Blick auf die Welt nachhaltig verändert hat.
Denis Scheck
Scheck holt die Jugendliteratur mit Astrid Lindgren oder Lagerlöf in seine Bücherarche, adelt Comics wie „Charly Brown“ und „Tim und Struppi“, befördert Rowlings Harry Potter zum Bewohner des Literaturolymps.
Dabei empfiehlt auch Denis Scheck, was von jeher zu den unerlässlichen Lektüreerfahrungen zählt, Homers „Odyssee“ etwa, Cervantes’ „Don Quichote“ oder Fontanes „Effi Briest“.