Leitartikel
„Aufbau Nord“
Aufbau Nord
Aufbau Nord
So mancher sieht es vielleicht kritisch, dass viele Unternehmen sich derzeit Gehaltskosten vom Staat ausgleichen lassen. Doch der dänische Pragmatismus hat in Krisenzeiten keinen Bedarf an ideologischen Auseinandersetzungen, meint Cornelius von Tiedemann – der sich schon auf seinen Scheck vom Staat freut.
Es ist schon bemerkenswert, wie schnell diejenigen, die, wenn es gut läuft, nach Steuersenkungen und möglichst wenig staatlicher „Einmischung“ rufen, in Krisenzeiten lauthals nach staatlicher Hilfe schreien. Die übrigens durch Steuern überhaupt erst möglich wird.
Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Reserven milliardenschwere Unternehmen offenbar zurückgelegt haben, um sich ihren loyalen Mitarbeitern gegenüber in Krisenzeiten auch ohne staatliche Hilfe ihrerseits loyal zeigen zu können.
Und es ist erstaunlich, wie reich wir in Europa und vor allem Dänemark sind, dass wir angesichts der Krise solche Unmengen an Geld in die Wirtschaft pumpen können, wie wir es gerade tun.
Doch dieser Reichtum hat natürlich auch mit jenen zu tun, die stets nach Steuersenkungen riefen, mit jenen, die sich jetzt einen großen Teil der Gehälter ihrer Mitarbeiter vom Staat bezahlen lassen.
Der Wohlstand und die Wohlfahrt in Dänemark, sie haben immer auf dem Pakt des Gebens und Nehmens zwischen Industrie und Unternehmen, den Lohnempfängern und dem Staat beruht.
Derzeit sieht der Pakt so aus: Der Staat gibt Geld, die Unternehmen geben Arbeit – oder zumindest einen Arbeitsvertrag – und somit Stabilität. Und die betroffenen Arbeitnehmer bleiben gefälligst zu Hause, um sich und andere zu schützen und nach der Krise wieder einsteigen zu können.
Man kann dies als ungerecht empfinden. Warum sollen die Steuerzahler jetzt auch noch ihr eigenes Gehalt bezahlen? Warum das unternehmerische Risiko jener tragen, die ansonsten so heftig für einen möglichst „freien“ Markt kämpfen?
Man kann es aber auch dänisch-pragmatisch sehen. Jetzt ist Krise. Wir haben ein Polster. Damit verhindern wir jetzt Massenentlassungen, und nach der Krise sind alle wieder sofort bereit, im guten alten Gleichgewicht durchzustarten. Die dänischen Gewerkschaften jedenfalls sehen es so, sie stehen voll hinter den Hilfspaketen für die Arbeitgeberseite.
Natürlich hoffen sie, dass die Unternehmen sich nach der Krise vielleicht daran erinnern werden, dass sie vom Staat und dessen Handlungs- und Zahlkraft profitiert haben – und dass die Gewerkschaften mit ihnen an einem Strang gezogen haben.
Natürlich hoffen die Arbeitgeber, dass nach der Krise auf Teufel komm raus Steuern gesenkt und Investitionspakete geschnürt werden.
Und ja, natürlich wird es Konflikte geben. Es wird zu Reibereien kommen, wenn gegen Ende der Krise Kuchen verteilt wird. Doch die Erfahrung zeigt, dass beide Seiten auf lange Sicht Grund zur Zufriedenheit haben werden. Zu eingefahren ist das dänische Modell. Zu pragmatisch sind alle Seiten, um ein für alle vorteilhaftes Wiederhochfahren nach der Krise grundlegend zu verbocken. In welchem Land kann man das schon, bei aller angebrachten Skepsis, bei aller gebotenen Aufmerksamkeit bei den Einzelentscheidungen, so freimütig sagen, ohne als naiv oder hoffnungslos gutgläubig abgestempelt zu werden?
Wichtig ist es vor allem, sagen Ökonomen jetzt, für die Zeit danach nicht nur auf große Symbole zu setzen. Nicht nur die großen, aber zeitintensiven Infrastrukturprojekte plötzlich doch in Gang zu bringen – sondern Hebel umzulegen, die sofort helfen, Geld in Umlauf zu bringen und so Nachfrage, Produktion und Arbeit zu schaffen.
Einige Wirtschaftswissenschaftler gehen gar so weit, vorzuschlagen, besonders kauffreudigen Bevölkerungsgruppen große Schecks auszustellen.
Ich melde mich hiermit freiwillig.