Leitartikel

„Das (wieder)entdeckte „Wir““

Das (wieder)entdeckte „Wir“

Das (wieder)entdeckte „Wir“

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger"-Journalist Helge Möller denkt über die am Mittwoch vorgestellte Analyse der Region nach, in der es um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Menschen im Grenzland geht.

Es ist  ein tröstliches Ergebnis, das am Mittwoch der Regionsrat in Vejle präsentiert hat. Eine Analyse, durchgeführt im Februar und März dieses Jahres, zeigt, dass viele Menschen nördlich und südlich der Grenze Gemeinsamkeiten sehen in Kultur und Mentalität. Es gibt offenbar zumindest in Teilen ein „Wir-Gefühl“ – in Tondern und Niebüll, in Sonderburg und Flensburg.

Obwohl zum Zeitpunkt der Befragung die gute alte Zeit ohne Grenzkontrollen und Wildschweinzaun schon vorbei war. Allerdings erwartete die Menschen Ende des Winters noch die Reisebeschränkungen, die die Regierungen in Kopenhagen und in Kiel verhängten, mit dem Ziel, die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Ob das Ergebnis nach den vergangenen Monaten, die hinter uns liegen, ebenso ausfallen würde, das wäre eine interessante Frage.

Diesem „Wir-Gefühl“ wurde es nicht leicht gemacht. In Flensburg formierte sich ein breites politisches Bündnis gegen den Wildschweinzaun, Kopenhagen machte, als die erste Corona-Welle anrollte, die Grenze wenn nicht ganz dicht, dann doch sehr undurchlässig. Es dauerte lange, bis die Regierung in Kopenhagen den Grenzlandbewohnern die Fahrt zum Nachbarn erleichterte. Ob das „Wir-Gefühl“ gelitten hat? Möglich wäre es.

Aber: Laut Studie haben 33 Prozent der Bürger im dänischen Grenzgebiet Familie oder Freunde auf der deutschen Seite, umgekehrt sind es 32 Prozent. Dies ist vermutlich eine der Säulen, auf denen das Gemeinschaftsgefühl aufbaut – zusammen mit der Erkenntnis, dass das Gegenüber zwar eine andere Sprache spricht (in der sich nebenbei aber immer wieder wiedererkennbare Ausdrücke finden lassen), die sonstigen Unterschiede aber nicht sonderlich gravierend sind.

Wobei diese Unterschiede ja auch den Reiz ausmachen können, denn sie eröffnen den Blick auf eine andere Sichtweise. Wer als Grenzpendler in Deutschland wohnt und in Dänemark arbeitet, erkennt unter Umständen, dass der Wildschweinzaun sicherlich nicht schön, aber doch für Dänemark sinnvoll ist und man als Bürger mit deutschem Pass auch nicht sofort auf die Barrikaden springen muss. Der Zaun ist keine Grenzschutzanlage. Er ist eine Art Versicherung. Möglichst scharfe Worte Richtung Dänemark zum Zwecke der Profilbildung zerstören mehr als dass sie nützen.

In einem Kommentar zur Analyse freut sich der Vorsitzende des Ausschusses für regionale Entwicklung, Søren Rasmussen (Dänische Volkspartei) über das festgestellte Gemeinschaftsgefühl, es sei ein wichtiger Baustein für eine stärkere Zusammenarbeit und Entwicklung der Grenzregion.

Das hört sich nach einer Handreichung Richtung Süden an, nach einem Schritt, den die Region Süddänemark Richtung Nachbar geht oder nach „gut Wetter machen“ – je nach Blickwinkel. Ob Volksvertreter nördlich und südlich der Grenze daraus etwas machen, das den Menschen im Grenzland Vorteile bringt, wird wohl erst in weiterer Zukunft deutlich werden –  dem längerfristigen Prozess geschuldet.

Politische Bande sind keine Familien- oder Freundesbande, da gilt es, eigene Interessen zu verteidigen, aber auch Kompromisse zu finden.

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