Kolumne

„Gnade für Leonard Peltier “

Gnade für Leonard Peltier

Gnade für Leonard Peltier

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Weihnachten ist das Fest der Hoffnung: Wird Präsident Joe Biden endlich Gnade walten lassen und Leonard Peltier nach über 40 Jahren begnadigen?

Der amerikanische Präsident Joe Biden ist ein gläubiger Katholik. Es erreichen das White House, wie in jedem Jahr zur Weihnachtszeit, Zuschriften von Tausenden Menschen aus der ganzen Welt, die um Gnade für Leonard Peltier bitten.

Es gibt Geschichten, die glaubt man im ersten Moment nicht – sucht misstrauisch nach dem Haken, findet keinen und bleibt geschockt, traurig und vor allem mit dem Gefühl der Hilflosigkeit zurück. So erging es mir, als ich mich erstmals mit dem Fall des politischen Gefangenen Leonard Peltier beschäftigt habe. Seit 1976 sitzt der vom Stamm der Lakota in der Turtle-Mountain-Chippewa-Reservation in North Dakota aufgewachsene Leonard Peltier in den Vereinigten Staaten hinter Gittern, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.

Leonard Peltier und dessen tragisches Schicksal hat mir Claus Biegert, Journalist, Menschenrechtsaktivist und VOICES-Mitgründer, nähergebracht. Er hat Leonard – wie er ihn nennt – zweimal im Gefängnis besucht. Mehrere Filme, Artikel, Radiosendungen und Benefizveranstaltungen sind daraus entstanden. Zuletzt eine Podcast-Serie, die detailliert den Fall rekonstruiert und ein Schlaglicht auf die Situation der Indianer, der indigenen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten, wirft.

Leonard Peltier leidet heute an einer Vielzahl von Krankheiten, darunter Nierenerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, ein Herzleiden, eine degenerative Gelenkerkrankung sowie ständige Kurzatmigkeit und Schwindelgefühl. Nach einem Schlaganfall im Jahr 1986 war er auf einem Auge praktisch blind. Im Januar 2016 diagnostizierten die Ärzte bei ihm ein lebensbedrohliches Leiden: ein potenziell tödliches Bauchaortenaneurysma.

Leonard Peltier sitzt seit über 40 Jahren in den USA im Gefängnis. Foto: Claus Biegert

Die Geschichte: In den Jahren nach dem Aufstand von Wounded Knee 1973 herrschte Bürgerkrieg auf dem Oglala-Lakota-Reservat Pine Ridge im US-Bundesstaat South Dakota. Den Konflikt zwischen dem „American Indian Movement“ und dem von Washington finanzierten Stammesrat nutzte das FBI, um in dem gewalttätigen Umfeld über 2.000 Agenten auszubilden. Über 80 Bewohner des Reservats wurden tot aufgefunden, nur wenige Fälle wurden untersucht.

Am 26. Juni 1975 fanden bei einem Schusswechsel zwei FBI-Agenten den Tod. Mit gefälschten Beweisen wurde Leonard Peltier zu zweimal lebenslänglich verurteilt. Aufgrund der Aussage der angeblichen Augenzeugin Myrtle Poor Bear, eine Lakota-Indianerin, wurde er verurteilt. Myrtle Poor Bear zog später ihre Aussage zurück. Im Jahr 2000 gab sie eine öffentliche Erklärung ab, ihre Aussage sei das Ergebnis monatelanger Drohungen und Schikanen durch FBI-Agenten gewesen.

Die Sensation dann vor einigen Wochen: 46 Jahre nachdem er dazu beigetragen hat, Leonard Peltier für zweimal lebenslänglich hinter Gitter zu bringen, nennt der ehemalige US-Staatsanwalt James H. Reynolds dessen Verfolgung „ungerecht“, wirft dem FBI seine Rolle bei der Förderung von Gewalt im Reservat vor und bittet Präsident Joe Biden, Peltier jetzt freizulassen.

„Die Ereignisse, die sich an diesem Tag im Pine Ridge Reservat zugetragen haben, und die Menschen, die dabei ums Leben kamen, sind eine Tragödie. Während der gesamten Strafverfolgung und Berufung von Herrn Peltier wurde jedoch die Rolle des FBI wenig oder gar nicht berücksichtigt. Aufgrund der Art und Weise, wie der Fall untersucht und strafrechtlich verfolgt wurde, musste Herr Peltier allein den vollen Preis für die Tragödie zahlen. Er hat ihn mit über 46 Jahren seines Lebens bezahlt“, so der über 80 Jahre alte ehemalige Ankläger von Leonard Peltier.

Der Reigen der Namen und Institutionen, die sich für die Freilassung von Leonard Peltier eingesetzt haben, ist lang und prominent: Papst Johannes Paul bat Präsident Barack Obama, Peltier zu begnadigen. Ohne Erfolg. Nelson Mandela, Erzbischof Desmond Tutu, der Dalai Lama und Mutter Teresa haben sich an das White House gewandt. Vergeblich. Unterstützung gab es von den Vereinten Nationen, kürzlich wieder vom Europäischen Parlament, dem belgischen und dem italienischen Parlament. Erfolglos.

Viele Jahre hat sich Leonard Peltier geweigert, selbst um Gnade zu bitten – er wolle Gerechtigkeit, keine Gnade. Aber seit er gesundheitlich immer angeschlagener ist, hat er mehrere Gnadengesuche unterzeichnet. Bislang vergebens.

Weihnachten ist das Fest der Hoffnung: Joe Biden kann dafür sorgen, dass Leonard Peltier morgen freikommt, mit seiner Unterschrift. Er muss nur – Gnade und Gerechtigkeit walten lassend – Freiheit per Dekret anordnen; das steht ihm in diesem Fall als Präsident zu.

Währenddessen werden Claus Biegert und die vielen anderen Aktivistinnen weltweit für Leonards Freiheit weiter trommeln. Vermutlich auch noch zum nächsten Weihnachtsfest.

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