Wirtschaft

Dänische Riesenlaster bald auf der A7 und der Puttgarden-Fähre

Dänische Gigaliner können bald die Grenze passieren

Dänische Gigaliner können bald die Grenze passieren

Henning Baethge/shz.de
Pattburg/Padborg
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Lang-Lkw in Dänemark: Mit 25,25 Metern sind die Riesentrucks sechseinhalb Meter länger als normale Lastwagen. Foto: Friedrich Hartung

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Deutschland und Dänemark erlauben grenzüberschreitenden Verkehr mit Gigalinern. Die Speditionen und Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen freuen sich. Auch der ADAC ist einverstanden – fürchtet aber zwei Probleme.

Sie sind mit gut 25 Metern deutlich länger als normale Lastwagen, seit elf Jahren auf ausgewählten Straßen in Deutschland unterwegs (seit 15 Jahren in Dänemark) – und nun dürfen die sogenannten „Lang-Lkw“ oder „Gigaliner“ auch bald die deutsch-dänische Grenze überqueren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat mit seinem dänischen Kollegen ein entsprechendes Abkommen vereinbart. „Die Unterzeichnung ist für August, September vorgesehen“, sagt eine Sprecherin des FDP-Ministers.

Mehr Lang-Lkw auf der A7, aber weniger normale Laster?

Bisher sind grenzüberschreitende Fahrten der Riesentrucks in Europa grundsätzlich verboten. Zwar will die EU das demnächst ändern – doch noch sind dafür Verträge zwischen den Staaten nötig. Das deutsch-dänische Abkommen begrüßt der Kieler CDU-Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen: „Die Erleichterung von grenzüberschreitendem Verkehr mit Lang-Lkw halte ich für richtig“, sagt der gebürtige Däne. Zwar werde auf der A7 der „Lang-Lkw-Verkehr zunehmen“. Doch im Gegenzug würden weniger reguläre Lastwagen fahren.

Auch in der Branche ist man sowohl südlich als auch nördlich der Grenze zufrieden. „Es nützt beiden Seiten – aber den Dänen mehr“, meint Thomas Rackow, Chef des Unternehmensverbands Logistik Schleswig-Holstein. Denn die deutschen Spediteurinnen und Spediteure seien vor allem im Inland unterwegs. Dagegen wollen die Däninnen und Dänen mit ihren langen Lastern nicht nur nach Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sondern auch weiter in die Niederlande, mit denen Deutschland bereits eine Vereinbarung zum grenzüberschreitenden Verkehr getroffen hat.

Großer Bedarf bei dänischen Speditionen

„Die dänischen Speditionen sind sehr erfreut über das geplante Abkommen“, sagt Henriette Kjaer vom internationalen dänischen Transportverband ITD. Zwar wisse sie nicht genau, wie viele Transportbetriebe künftig mit Lang-Lkw auf der A7 durch Schleswig-Holstein fahren wollen. Doch gebe es „einen großen Bedarf“ für Touren nach Deutschland. Auch die Fährverbindung zwischen Rødby und Puttgarden würden dänische Spediteurinnen und Spediteure künftig mit ihren Riesenlastern nutzen. Technisch möglich ist das laut Fährbetreiber Scandlines.

Lang-Lkw helfen gegen Mangel an Fernfahrerinnen und Fernfahrern

Die Lang-Lkw sind im Transportgewerbe deshalb beliebt, weil zwei von ihnen so viel befördern können wie drei normale Lastwagen. Dadurch spare man 15 Prozent Kraftstoff, rechnet die Dänin Kjaer vor. Zudem braucht man weniger Fahrerinnen und Fahrer, was angesichts des Fachkräftemangels ein großer Vorteil sei, ergänzt Kjaers deutscher Kollege Rackow: „Wenn man zu wenig Personal hat, muss man eben mehr Volumen oder mehr Gewicht mit einem Lkw transportieren.“

Foto: Sung-Ho Jo/shz.de

Allerdings dürfen die Däninnen und Dänen laut der geplanten Vereinbarung auch künftig nicht mit ihren 60-Tonnern über die Grenze und erst recht nicht mit 72-Tonnern, die sie bald testen wollen. Vielmehr dürfen die Lang-Lkw in Deutschland anders als im Nachbarland nicht mehr wiegen als herkömmliche Lastwagen – maximal 44 Tonnen. Das stört Kjaer jedoch nicht: Das neue Abkommen sei trotzdem „ein großer Schritt“ für den grenzüberschreitenden Güterverkehr, sagt sie.

ADAC fürchtet größere Parkplatznot auf Rastplätzen

Der Automobilclub ADAC in Schleswig-Holstein befürwortet die Lockerung für die Lang-Lkw zwar grundsätzlich ebenfalls: „Es hat sich gezeigt, dass es hinsichtlich der Verkehrssicherheit keine Bedenken gibt“, erklärt Verbandssprecher Rainer Pregla. Doch zwei Einwände hat er: Zum einen würden noch mehr Gigaliner „aufgrund ihrer Abmessungen die Parkplatznot auf Rastplätzen verschärfen“ – nicht zuletzt auf der A7. Zum anderen argwöhnt der ADAC, dass die EU bald in ganz Europa 60-Tonner freigeben will. „Das wäre auf den kaputtgesparten deutschen Straßen nicht sinnvoll“, warnt Pregla.

Lässt die EU künftig 60-Tonner überall zu?

In der Tat will die EU-Kommission in einer Woche Liberalisierungsvorschläge für die Riesentrucks vorlegen. Unter anderem möchte sie einen „reibungslosen grenzüberschreitenden Verkehr von Lang-Lkw zwischen den EU-Staaten erleichtern“, kündigt eine EU-Sprecherin an. Ob dann auch die in Deutschland bisher verbotenen 60-Tonner überall erlaubt werden sollen, ist noch offen. Minister Wissing lehnt 60-Tonner jedenfalls nicht von vornherein ab. Die Bundesregierung werde vielmehr den EU-Vorschlag abwarten und dann „ihre Position abstimmen“, lässt er eine Sprecherin ausrichten.

Minister Madsen zeigt Sympathie für dänische 72-Tonner

Und Wissings Kieler Kollege Madsen lässt sogar Sympathie für die Zulassung von 72-Tonnern erkennen, wie Dänemark sie plant: „Ich beobachte den dänischen Pilotversuch mit Spannung“, sagt der CDU-Minister. In Dänemark sollen bis zu 72 Tonnen schwere und 34 Meter lange Doppelauflieger zunächst probeweise zwischen Kopenhagen und Aarhus fahren dürfen und später auch bis Pattburg.

Umweltverbände lehnen die Gigaliner ab

Umweltverbände dagegen lehnen schon die jetzigen Lang-Lkw und erst recht eine weitere Liberalisierung ab. Sie warnen nicht nur vor Problemen beim Überholen, sondern fürchten vor allem, dass durch die Gigaliner noch mehr Gütertransporte von der klimafreundlichen Schiene auf die Straße verlagert werden. „Überlange und überschwere Lkw sind klimaschädlich, gefährlich und teuer“, heißt es in einem Schreiben von gleich sieben Verbänden und Gewerkschaften an die EU-Kommission.

Auch SSW übt Kritik

„Gigaliner sind und bleiben ein politischer Irrweg“, wettert die Landtagsabgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) und Verkehrsexpertin Sybilla Nitsch. Durch die Zulassung des Lang-Lkw-Verkehrs zwischen Dänemark und Deutschland werde es bald noch mehr „Elefantenrennen auf den Autobahnen“ wie der A7 geben und noch größere Parkplatznot, warnt Nitsch: „Es gibt kaum geeignete Rastplätze, um die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten zu gewährleisten.“

Kritik übt Nitsch daher zum einen an Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP: „Statt endlich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den Güterverkehr wie versprochen von der Straße auf die Schiene zu verlagern, rollt Wissing nun den roten Teppich für Lang-Lkw aus.“

Zum anderen attackiert sie auch Wissings schleswig-holsteinischen Amtskollegen Claus Ruhe Madsen von der CDU, der die Zulassung der dänischen Giagliner in Deutschland begrüßt hat. „Ich hätte von ihm mehr erwartet als das bloße Wiederkäuen der Argumente aus der Gigaliner-Lobby“, so Nitsch. Wenn Madsen wirklich etwas für das Klima tun wolle, dann solle er den SSW „lieber im Kampf für Tempolimits und zeit- und streckenbezogene Lkw-Überholverbote“ unterstützen. „Da lässt sich nämlich tatsächlich CO₂ einsparen.“

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