Deutsch-dänische Geschichte

„Unsere Mutter hat deutschen Boden nie mehr betreten“

„Unsere Mutter hat deutschen Boden nie mehr betreten“

„Unsere Mutter hat deutschen Boden nie mehr betreten“

Fröslee/Frøslev
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Karl Jørgen Hansen an der Gedenkmauer im Fröslevlager Foto: kjt

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Zum 78. Mal jährte sich im Fröslevlager das Gedenken an die dänischen Grenzbeamten, die das Naziregime 1944 in Konzentrations- und Arbeitslager in Deutschland deportierte und wo viele ihr Leben ließen. Angehörige beschäftigt das Schicksal bis heute. Ein Sohn erzählt.

Die Zoll- und Steuerbehörde, der Verband „Dansk Told & Skatteforbund“, Bürgermeister Jan Riber Jakobsen (Konservative) von der Kommune Apenrade (Aabenraa), der Verein „Grænsegendarmerne“ sowie Angehörige haben am Mittwoch bei der alljährlichen Gedenkfeier im heutigen Museum Fröslevlager Kränze an der Gendarmmauer niedergelegt, um an das Schicksal der Grenzgendarmen zu erinnern, die von der Besatzungsmacht Deutschland 1944 in Konzentrationslager deportiert wurden.

Von den 141 Grenzgendarmen kamen aufgrund der lebensfeindlichen Bedingungen 38 ums Leben.

Organisationen, Verbände und Angehörige erinnerten im Fröslevlager an dänische Grenzgendarmen, die 1944 deportiert wurden und im deutschen Konzentrationslager Neuengamme starben. Foto: kjt

Auf einem der Kränze bei der Zusammenkunft am Mittwoch stand der Name „H. C. Hansen“. Dem Obergendarmen von der Halbinsel Kekenis (Kegnæs) bei Sonderburg (Sønderborg) gedenkt die Familie schon seit Jahren.

Es war erneut Sohn Karl Jørgen Hansen, der an der Zeremonie teilnahm und den Kranz niederlegte.

Kranz zu Ehren des Grenzgendarmen H. C. Hansen Foto: kjt
Karl Jørgen Hansen bei der Kranzniederlegung für seinen Vater Foto: kjt

Er sei vier Jahre alt gewesen, als der Vater erst im Fröslevlager inhaftiert wurde und nach der Deportation Ende 1944 starb, so der 82-Jährige nach der Kranzniederlegung im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“.

Späte Recherche

Er könne sich kaum an den Vater erinnern. Ohne Vater aufzuwachsen, sei für ihn „normal“ gewesen, und er habe sich erst als Rentner mit dem Schicksal und der Tragik intensiver befasst.

„Meine Mutter hat nie darüber gesprochen, was dem Vater passiert ist. Wir wussten nur, dass er in Deutschland umgekommen ist“, so Karl Jørgen Hansen.

Karl Jørgen Hansen an der Gedenkmauer mit dem eingravierten Namen seines Vaters H. C. Hansen Foto: kjt

Den Hass auf Deutschland, den die Mutter wegen des sinnlosen Verlustes ihres Mannes hegte, habe sie nie auf die Kinder übertragen, sagt der 82-Jährige, der als letzter von sechs Geschwistern noch lebt.

„Ich habe nie Probleme mit Deutschland und den Deutschen gehabt. Nicht als Kind und auch nicht als Erwachsener. Als Segler bin ich viel in Deutschland gewesen und bin gut mit Deutschen ausgekommen“, erzählt Karl Jørgen Hansen, der, wie einst sein Vater, auf Kekenis beheimatet ist.

Bei der Mutter war das anderes. Auch wenn sie über das Schicksal des Mannes kaum etwas erzählte und es zu verdrängen schien, war eine Verbitterung nach dem Krieg unverkennbar.

„Unsere Mutter hat deutschen Boden nie wieder betreten“, erzählt der Sohn, während sein Blick auf die steinerne Gedenkstätte mit den eingravierten Namen der umgekommenen Grenzgendarmen gerichtet ist.

Einschneidendes Erlebnis

„Der Tod ihres Mannes und die Umstände haben sie nie losgelassen, und die Geschehnisse haben auch das Leben von uns Kindern beeinflusst, auch wenn die Mutter nicht darüber sprechen mochte“, ergänzt Karl Jørgen Hansen, der sich erst viel später intensiver mit dem Schicksal des Vaters befasste.

„Er hatte Geburtstag, als er zusammen mit den anderen Grenzgendarmen am 5. Oktober 1944 deportiert wurde. Er starb am 19. Dezember 1944, also nur wenige Monate später“, berichtet der Sohn.

Karl Jørgen Hansen Foto: kjt

„So viel wir herausbekommen haben, hatte er eine Infektion am Bein und war durch die harte Arbeit und die Bedingungen im Lager sehr geschwächt“, so Karl Jørgen Hansen.

Es liege ihm viel daran, an das Schicksal seines Vaters und das der anderen Gendarmen zu erinnern.

In Erinnerung behalten

„In Kekenis, wo mein Vater einst als Grenzgendarm arbeitete und patrouillierte, ist ihm zu Ehren ein Gedenkstein errichtet worden. Er war der einzige von etwa 10 Grenzbeamten aus dem Raum Kekenis, der ums Leben kam. Auch dieser Gedenkstein bedeutet uns viel“, so der 82-Jährige.

Auch Apenrades Bürgermeister Jan Riber Jakobsen legte einen Kranz nieder. Foto: kjt

Nach der Zeremonie ließen die Gäste und Angehörige, von denen einige aus den USA und aus Schweden angereist waren, die Gedenkveranstaltung ausklingen.

Zu Beginn des Beisammenseins hatte Finn Lautrup, ehemaliger Regionschef der staatlichen Zoll- und Steuerbehörde und treibende Kraft der Gedenkfeier, in Erinnerung gerufen, was die Deportation mit dem Tod der 38 Grenzgendarme „an Schmerz und Trauer hinterlassen hat“.

Angehöriger Ib Jessen (l.) vom Grenzgendarmenverein im Gespräch mit Finn Lautrup, ehemaliger Regionschef der staatlichen Zoll- und Steuerbehörde Foto: kjt

Das Geschehene dürfe nicht vergessen werden. „Umso erfreulicher ist es, dass verstärkt auch jüngere Generationen auf das Schicksal der Grenzgendarme aufmerksam werden“, sagte Lautrup.

Jan Riber Jakobsen und Poul-Erik Thomsen (v. l.) im Gespräch mit einem pensionierten Zollbeamten, der vor der Reform 1968 noch als Grenzgendarm im Einsatz war. Poul-Erik Thomsen hatte vergangenes Jahr ein Buch über das Schicksal der Grenzbeamten zur Besatzungszeit verfasst. Foto: kjt
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