Umwelt

Repair Café: Weg von der Wegwerfgesellschaft

Repair Café: Weg von der Wegwerfgesellschaft

Repair Café: Weg von der Wegwerfgesellschaft

Apenrade/Aabenraa
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Das Repair Café Apenrade konnte kürzlich seinen dritten Geburtstag feiern. Das Foto zeigt Café-Koordinatorin Pernille Hede Moody Jensen (r.) mit einigen ihrer engagierten Teammitglieder. Foto: Karin Riggelsen

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THEMA NACHHALTIGKEIT: Seit drei Jahren stellen handwerklich und technisch begabte Menschen alle 14 Tage anderen im NygadeHuset ihre Dienste zur Verfügung, um defekten Dingen eine Chance zu geben.

Die Zeiten, in denen Dinge einfach im Müll landen, sind vorbei. Zumindest kann das Repair Café im Apenrader Kultur- und Aktivitätshaus NygadeHuset eine deutliche Trendwende verzeichnen. In der Regel stehen die Menschen bei den im 14-täglichen Rhythmus stattfindenden Café-Abenden Schlange, um ihre nicht funktionierenden Dinge reparieren zu lassen.

„Wir können nicht alles retten, aber wir schauen uns die Sachen gerne mal an“, sagt Werner Sternberg.

Selbst die Wartenummern sind im Apenrader Repair Café nachhaltig. Foto: Karin Riggelsen

Handwerkliche Begabungen

Er kann getrost als Handyman bezeichnet werden. Bevor er ein Gerät wegwirft, weil es nicht mehr funktioniert, schraubt er zumindest noch einmal auf, um zu schauen, ob er es nicht vielleicht doch noch wieder zum Laufen bekommt. „Ich bin auf dem Land groß geworden. Da war das normal. Wir haben nichts gleich weggeworfen. Wir haben immer probiert, es zu retten“, erzählt er. Das ist ihm ins Blut übergegangen. 

Der ehemalige Leiter der Apenrader Freischule ist sich auch heute nicht zu schade, einen Schraubendreher zur Hand zu nehmen, um das Innenleben von Haushaltsgeräten oder Elektrowerkzeugen zu inspizieren, die aus unerfindlichen Gründen ihren Geist aufgegeben haben. Im Gegenteil, es scheint einerseits seine Neugierde und andererseits seinen Ehrgeiz zu wecken. „Warum funktioniert es nicht und kann ich das reparieren?“, sind offensichtlich die beiden Fragen, die er sich dann stellt.

Die große Küchenmaschine hat beim Saftpressen ihren Geist aufgegeben. Im Team wird daran gearbeitet, den Motor wieder zum Laufen zu bekommen. Es erfordert Geduld, Know-how und Fingerfertigkeit. Nach einer Stunde etwa läuft das Teil wieder. Es darf gejubelt werden. Foto: Karin Riggelsen

Keine Garantie

Ähnlich wie Werner Sternberg geht es offensichtlich auch seinen Teamkolleginnen und -kollegen. Alle sind mit handwerklichen Begabungen gesegnet oder sind technisch versiert. Seit mittlerweile drei Jahren gibt es das Repair Café im NygadeHuset. Alle 14 Tage treffen sich Sternberg und Co., um anderen Menschen ihre Dienste zur Verfügung zu stellen. „Es kostet nichts, allerdings übernehmen wir auch keine Garantien“, unterstreicht der ehemalige Schulleiter.

Die ausgesandte Mitarbeiterin des „Nordschleswigers“ hat aus ihrem privaten Haushalt eine Kaffeemaschine mitgebracht, die wenige Tage zuvor urplötzlich ihren Geist aufgegeben hat. Sie zieht kein Wasser mehr.

Für die Statistik wird jedes eingelieferte Teil gewogen. Die Kaffeemaschine bringt exakt 1.780 Gramm auf die Waage. Foto: Karin Riggelsen

Rote Ohren

„Hast du versucht, sie zu entkalken?“, lautet die allererste Frage von Werner Sternberg und trifft damit gleich einen wunden Punkt. „Nein, bedaure“, lautet die kleinlaute, aber ehrliche Antwort der Journalistin, die einen leicht tadelnden Blick eines – wenn auch ehemaligen – Schulleiters durchaus erkennt.

Nichtsdestotrotz schraubt Sternberg den Boden der Kaffeemaschine ab. Aus der heimischen Werkzeugkiste sind Schlitz- und Kreuzschraubendreher durchaus bekannt. Um eine Melitta-Kaffeemaschine öffnen zu können, ist jedoch ein Schraubendreher mit einem völlig skurrilen Kopf nötig. „Wir haben für das Repair Café einen besonderen Schraubendrehersatz für elektronische Geräte angeschafft. Das hätte ich auch gerne zu Hause, aber das ist schon recht teuer“, sagt Werner Sternberg.

Werner Sternberg findet im Spezialsatz des Repair Cafés den richtigen Schraubendreher für die Melitta-Maschine und kann deshalb an das Innenleben des Automaten. Foto: Karin Riggelsen

EU-Recht auf Reparatur

Immerhin lässt sich die Kaffeemaschine mit dem richtigen Werkzeug öffnen. Billiggeräte sind oftmals zusammengeschweißt oder geklebt und lassen sich nur mit Gewalt öffnen und dann womöglich nicht mehr schließen. Das wird künftig anders. „Das Europäische Parlament hat im Frühjahr dieses Jahres ein Gesetz zum Recht auf Reparatur verabschiedet. Auch nach Ablauf der Garantiezeit ist das produzierende Unternehmen verpflichtet, das Reparieren von Geräten zu ermöglichen. So sollen Ressourcen gespart und Abfälle reduziert werden“, betont Pernille Hede Moody Jensen. Sie ist als Kulturvermittlerin im Bibliothekswesen der Kommune Apenrade für das Repair Café als Koordinatorin zuständig und begrüßt diese neue EU-Richtlinie

Als Elektroingenieur beschäftigt sich Poul Skjold (l.) beruflich mit elektronischen Problemstellungen; im Repair Café kann er sein Know-how auch einbringen. Werner Sternberg (r.) schaut dem Fachmann interessiert zu. Foto: Karin Riggelsen

Soziale Komponente

Mit dem richtigen Werkzeug legt Sternberg das Innenleben der mitgebrachten Kaffeemaschine frei. Tatsächlich hat sich in einem Röhrchen deutlich sichtbar Kalk abgesetzt. Zur Erleichterung der „Nordschleswiger“-Mitarbeiterin sollte die Kalkschicht allerdings nicht ausreichen, um zu verhindern, dass das Wasser durchläuft.

Paul Skjold, der ebenfalls zum Team der ehrenamtlichen Reparateurinnen und Reparateure des Apenrader Cafés gehört, nimmt einen elektrischen Spannungsmesser zur Hand. Während Werner Sternberg als Autodidakt mit verschiedenen Talenten bezeichnet werden kann, ist Skjold ausgebildeter Elektroingenieur und arbeitet bei Danfoss auch im Fach. „Anderen helfen zu können, macht einfach Spaß. Und dann ist der soziale Teil nicht unwichtig. Wir haben es einfach sehr nett miteinander – und mit Leuten“, sagt Skjold und stellt fest, dass der Stromkreis der Kaffeemaschine nicht defekt ist. Daran kann es also nicht liegen, dass das Wasser nicht durchläuft.

Mit dem Auftrag, die Kaffeemaschine zu Hause zu entkalken und dann zum nächstmöglichen Termin in Repair Café zu kommen, wird die Journalistin „entlassen“.

Jens Bruns (r.) aus Loit hatte seinen Flachbild-Fernseher mit tiefen Rissen im Bildschirm mitgebracht. Als ausgebildeter Militärtechniker kann Torsten Hose (l.) aus Starup fast jedes Problem lösen. Doch hier muss auch er kapitulieren. Obwohl das Samsung-Gerät nicht alt ist, landet er mit dem Defekt im Elektroschrott. Foto: Karin Riggelsen

Vielfältige Aufgaben

Es bleibt daher Zeit, sich die Dinge der anderen Leute aus der Warteschlange anzuschauen. An jenem Dienstag befasste sich das Team mit einem Designerstuhl aus Holz, einem Großbildfernseher, einer großen Küchenmaschine, einem Handmixer, einem kabellosen Mikrofon, einer Lampe, einer Lichterkette, einem Staubsaugerroboter, einem Reißverschluss und einer Jeans, die ein wenig ausgelegt werden musste. Nicht alles konnte dieses Mal repariert werden. „Aber durchschnittlich können wir 75 Prozent der eingelieferten Dinge richten“, unterstreicht Koordinatorin Pernille Hede Moody Jensen und dankt ihrem tüchtigen Team für die tolle Bilanz.

Das Repair Café öffnete im September 2021 erstmals seine Türen im NygadeHuset in Apenrade. Der dritte Geburtstag wurde mit einer selbst gebackenen Sahnetorte begangen. Foto: Karin Riggelsen

Sie führt die hauseigene Statistik und gibt die Zahlen an die Schirmorganisation Repair Café Danmark weiter. Da sich Birnen bekanntlich nur schwerlich mit Äpfeln vergleichen lassen, hat man sich entschieden, die mitgebrachten Dinge nach Gewicht zu erfassen. Während eine Jeans wenige Hundert Gramm wiegt, bringt eine Kaffeemaschine – inklusive Glaskolben und Filteraufsatz – knapp zwei Kilogramm auf die Waage. Gelingt es daher, eine schwere Küchenmaschine zu reparieren, ist es für die Statistik besser, als mühsam einen Reißverschluss in die dünne Satinbluse zu nähen. Aber jeder Erfolg wird im Repair Café gleich gefeiert.

Der Koordinatorin Pernille wurde der Anschnitt der Geburtstagstorte überlassen. Der feierliche Akt wurde selbstverständlich fotografisch festgehalten und über die Sozialen Medien geteilt. Foto: Karin Riggelsen

Kostenloser Service

Bezahlen muss man nicht, um die Dienste der hilfreichen Hände in Anspruch zu nehmen. „Sollte man jedoch einen kleinen Beitrag in die Kaffeekasse werfen, einen Kuchen oder Süßigkeiten vorbeibringen, sagen wir nicht nein“, betont Werner Sternberg. Zum dritten Geburtstag des Apenrader Reparatur-Cafés hatte er übrigens eine selbst gebackene Torte mitgebracht. Backen gehört offensichtlich auch zu den vielen Talenten des ehemaligen Schulleiters.

Das nächste Repair Café im NygadeHuset findet übrigens am 15. Oktober von 17 bis 19 Uhr statt. Eine Voranmeldung ist nicht nötig. Es werden bis 18.30 Uhr Wartenummern verteilt. Wer später kommt, muss eventuell auf den nächsten Termin vertröstet werden.

Repair Café

Das Repair-Café-Konzept ist 2013 aus den Niederlanden nach Dänemark gekommen und in Form eines Non-Profit-Vereins etabliert worden. 

Das Konzept sieht vor, Verbraucher, Vereine und Kommunen dazu zu motivieren, kaputte Dinge zu reparieren, statt sie wegzuwerfen und neue zu kaufen. Damit soll die Umwelt geschont werden. Es sollen weniger Schadstoffe durch Neuproduktionen in die Umwelt gelangen und weniger Müll entstehen.

Ziel ist es, eine allgemeine Veränderung des Verbraucherverhaltens zu erreichen. So soll in die Gesetzgebung verankert werden, dass

  • Unternehmen ihre Produkte so produzieren, dass sie repariert werden können. Reserveteile (Batterien usw.) sollen leicht zu wechseln sein.
  • Unternehmen ihre Produkte mit Hinblick auf Langlebigkeit herstellen.
  • das Reparieren von Fachleuten von der Steuer abgesetzt werden kann.
  • Produzenten mit nachhaltigen Produkten sichtbar zertifiziert werden.

Der Verein arbeitet mit Freiwilligen, die in den Repair Cafés kaputte Sachen jeglicher Art kostenlos wieder instand setzen.

Das Repair Café in Apenrade wurde im September 2021 ins Leben gerufen. Es findet jeweils am Dienstag der geraden Wochen von 17 bis 19 Uhr im Erdgeschoss des Apenrader Kulturhauses „NygadeHuset“ statt.

Inzwischen gibt es in vielen Städten im Land Repair Cafés.

https://repaircafedanmark.dk

 

Anmerkung in eigener Sache: Die Entkalkung der Kaffeemaschine hat nicht den erhofften Erfolg gebracht. Ich werde beim nächsten Repair Café deshalb wieder vor der Tür stehen. Vielleicht finden Werner, Poul und Co. dann doch den Fehler. Wegwerfen kann ich die Kaffeemaschine ja dann noch immer.

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