Leitartikel

„Armes reiches Land“

Armes reiches Land

Armes reiches Land

Nordschleswig/Kopenhagen
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In der Dänischen Volkspartei buhlen die ersten Kandidaten bereits mit markanten Forderungen um den Parteivorsitz. Der Kurs ist gesteckt und wird in Zukunft noch national-konservativer als bisher, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

Und das Amt geht an … den Höchstbietenden. Die Dänische Volkspartei (DF) wählt am 23. Januar ihren neuen Vorsitzenden, doch schon jetzt läuft der interne Wahlkampf auf Hochtouren. Es scheint ein Gebots-Wettbewerb begonnen zu haben, in dem sich die Kandidaten zu überbieten versuchen.

Zunächst meldete sich Martin Henriksen zu Wort. Im Sommer 2019 missglückte ihm die Wiederwahl ins Folketing, und im Zuge der internen Machtkämpfe wurde er in diesem Jahr aus seinem Job in der Parteizentrale entlassen. Noch sitzt er allerdings im machtvollen Hauptvorstand seiner Partei, und nun bewirbt sich Henriksen als Nachfolger von Kristian Thulesen Dahl, der weder Partei noch Politik in den Griff bekommen hat.

Martin Henriksen will wieder zurück zu DF-Classic-Werten, wie er sagt, und dazu noch etwas mehr obendrauf. Heißt so viel wie: klare Kante, markante Positionen beziehen und sich als klassische Partei des rechten Flügels positionieren, statt sich als bürgerliche Partei zu definieren. Sein erster Vorschlag: Schluss mit der Sozialhilfe für Ausländer – und zwar für alle Ausländer, auch für EU-Bürger, zum Beispiel Deutsche, die im Grenzland arbeiten und leben.

Die dänische Sozialhilfe ist nur für Dänen, so Henriksen. Dafür ist er auch bereit, das dänische Grundgesetz zu ändern.

Dies schien sein Kontrahent für den Posten, Morten Messerschmidt, diese Woche toppen zu wollen: Bandenmitglieder, die drei Straftaten begehen, sollen nach amerikanischem Vorbild lebenslänglich ins Gefängnis gesteckt werden. Dies funktioniere auch im Verkehr, wenn Autofahrer Punkte sammeln und kurz davor sind, den Führerschein zu verlieren. Dann würden sie auch vorsichtiger fahren, so Messerschmidt, der glaubt, dass eine lebenslängliche Gefängnisstrafe denselben Effekt haben wird. Bereits heute gilt, dass Bandenkriminelle zu doppeltem Strafmaß verurteilt werden können.

Beide Vorschläge passen gut in die DNA der Dänischen Volkspartei – sie sind aber vor allem menschenverachtend. Dennoch haben die beiden Herren gute Chancen auf den Vorsitz. Es werden sich zwar weitere Kandidaten melden – vielleicht auch die Ex-Venstre-Ministerin Inger Støjberg –, doch eines scheint bereits festzustehen: Die Dänische Volkspartei wird mit einer neuen Spitze noch konsequenter den national-konservativen Kurs einschlagen.

Das ist unheimlich. Was aber noch schlimmer ist: Fast alle anderen Parteien im dänischen Folketing fahren eine ähnlich abschottende Politik, um dem rechten Flügel die Wähler abzuwerben.

Wo bleiben nur der Mut und das Selbstvertrauen, um einen anderen Kurs einzuschlagen? Armes reiches Land.    

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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