Prakti-Reise

Kopenhagen: So habe ich aus zwei Tagen alles herausgeholt

Kopenhagen: So habe ich aus zwei Tagen alles herausgeholt

Kopenhagen: Zwei Tage voller Erlebnisse

Florian Schaaf
Florian Schaaf
Apenrade/Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Florian Schaaf und Walter Turnowsky im Folketing Foto: Florian Schaaf

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Wie ist es, das Folketing zu besuchen? Was sind die Vorzüge des Allein-Reisens? Und warum sind dänische Sprachkenntnisse besonders nützlich? Praktikant Florian Schaaf berichtet von seiner Kopenhagen-Reise.

Aus Wildfremden werden Freunde für einen Tag, ich erkunde das Nachtleben Kopenhagens, begegne großer Kunst, und sogar die Staatsministerin läuft mir über den Weg – am Ende leider auch Corona.

Jede Praktikantin und jeder Praktikant beim „Nordschleswiger“ bekommt während der Zeit des Praktikums eine Reise an einen Ort in Dänemark ermöglicht. Die meisten zieht es wohl in die Hauptstadt, nach Kopenhagen (København), so auch mich.

Wie diese Reise gestaltet wird, ist wahrscheinlich sehr unterschiedlich. Wie ich, Florian Schaaf, meine Reise verbracht habe, erzähle ich in diesem Bericht.

Reisebeginn am Apenrader Busbahnhof Foto: Florian Schaaf

 

Reiseplanung abseits der Sehenswürdigkeiten

 

Meine Reise beginnt mit einem starken Regenschauer. Das geht ja gut los! Ich habe mich dafür entschieden, mit der Bahn zu fahren – das ist klimafreundlicher, bringt keine Parkplatzprobleme, und ich muss nicht lange konzentriert hinter dem Steuer sitzen.

Da Apenrade keinen Bahnhof hat, beginnt die Fahrt am Busbahnhof der Stadt – beziehungsweise auf dem Fahrrad dorthin. Glücklicherweise hört besagter Regenschauer auf, kurz bevor ich mir somit eine Dusche abgeholt hätte – und kehrt über das ganze Wochenende auch nicht zurück. Glück gehabt!

Meine Route führt über Rothenkrug (Rødekro) und von dort direkt nach Seeland. Die nur vier Minuten Umsteigezeit, die mich vorher in Nervosität versetzten, entfalten ihr negatives Potenzial nicht, und so verlasse ich nach etwa etwa dreieinhalb Stunden leicht angestrengt, aber mit Vorfreude, den Bahnhof in Kopenhagen und laufe Richtung Hotel.

Gerade angekommen: Florian Schaaf auf dem Weg zum Hotel Foto: Florian Schaaf

 

Nach dem Einchecken und einer kurzen Pause geht es dann also los. Da ich zuvor schon zweimal hier war, kann ich die klassischen Sehenswürdigkeiten getrost überspringen und mich vollkommen „frei“ auf andere Aspekte der Stadt konzentrieren.

 

 

Das Potenzial des Allein-Reisens

Eigentlich war die Reise gemeinsam mit der zweiten Praktikantin Luisa geplant, die diese aufgrund einer Corona-Infektion absagen musste. Ich bin also allein unterwegs. Auch wenn so ein Einsamkeitsrisiko besteht, wie ich auf vergangenen Reisen erfahren musste, bringt diese Form auch großes Potenzial mit sich.

Allein bin ich freier, lerne besser neue Leute kennen und erlebe eher ein Abenteuer. Ohne eine Reisepartnerin oder einen Reisepartner kann ich die Tour freier und flexibler gestalten – logisch. Ich bin so generell offener für Kontakte und gehe eher auf Menschen zu. Einfach weil ich es muss. Als einzelne Person werde ich zudem auch eher angesprochen.

Christiania abseits der Pusher-Street Foto: Florian Schaaf

 

Natürlich muss man sich in den meisten Fällen um Kontakte kümmern, was herausfordernd sein kann. Glücklicherweise gibt es, zumindest in großen Städten, Möglichkeiten, andere Reisende zu treffen. Dazu später mehr. Einheimische zu erreichen ist bedeutend schwerer, geht aber auch über Portale wie Couchsurfing.

 

Auch in diesem Fall wird das Allein-Reisen zu einem Abenteuer und vielen Erlebnissen führen.

 

Alternative Lebenskultur abseits der Pusher-Street

Zurück zu meiner Reise. Erst mal brauche ich etwas zu essen. Eine digital ansprechend aussehende Location liegt am Rande Christianias, des eine alternative Lebenskultur zelebrierenden „Freistaats“ im Herzen Kopenhagens; und da ich immer wieder gerne an diesen Ort komme, nehme ich dies zum Anlass.

Durch Medienberichte über Drogenverkauf auf der „Pusher-Street“ ist Christiania etwas in Verruf geraten – zu Unrecht meiner Meinung nach. Auch jetzt noch findet der Verkauf auf jenem Wegbereich mehr oder weniger offensichtlich statt, Christiania ist für mich allerdings mehr als dieser Teil.

Privates Häuschen abseits des Zentrums Christianias Foto: Florian Schaaf

 

Ich genieße es, durch die jetzt im Frühling sehr grüne und sowieso bunte sowie von Kunst und Kreativität geprägte Umgebung zu streifen und mir die zum Teil selbst gebauten Behausungen und anderen Orte verschiedenster Art anzuschauen. Sehr inspirierend!

 

Nur empfehlen kann ich, das partygeprägte „Zentrum“ Christianias mal zu verlassen und etwas tiefer in den Freistaat vorzudringen. Mein Ziel, einmal um den See zu spazieren und auch die abgelegensten Orte zu entdecken, schaffe ich wieder nicht. Erneut unterschätze ich, wie groß dieser See ist.

 

Neue Menschen kennenlernen und das Nachtleben erkunden

Um auf Reisen Menschen zu treffen und das Nachtleben zu erfahren, ist die Teilnahme an einem „Pub-Crawl“ eine gute Möglichkeit. Ein Pub-Crawl ist eine organisierte Tour durch eine Auswahl der Bars und Nachtclubs einer Stadt.

Auch wenn ich persönlich wahrscheinlich andere Arten von Clubs aufsuchen würde, bin ich froh über die Gelegenheit, in der Stadt herumzukommen und neue Menschen zu treffen. Relativ schnell kristallisiert sich mein „Squad“, also meine Gruppe, für den Abend heraus: André, aus Brasilien und in Irland arbeitend, und Joakim aus Norwegen.

Florian Schaaf mit André und Joakim Foto: Florian Schaaf

 

Im weiteren Verlauf des Abends erweitert sich unsere Gruppe um einen weiblichen Kopenhagener Jungfernabschied, bestehend aus Däninnen sowie anderen Nationalitäten, eine bunt gemischte Gruppe, mit der wir später noch eigenständig weiterziehen. Auch im Kopf bleibt mir die politische Diskussion mit einer Amerikanerin in einer Kneipe.

 

Auf einem Pub-Crawl ist alles möglich. Mit mehreren Personen des Abends stehe ich später noch immer in Kontakt.

Um zukünftigen Praktikantinnen und Praktikanten und interessierten Lesenden des „Nordschleswigers“ einen Anhaltspunkt zu bieten, finden sich hier die Namen der Clubs und Bars unserer Route: Stereo Bar Gothersgade, Aloha Beach Bar, Tørst Bar, The Australian Bar („A bar“), den Glade Pris und die Auswahl der Locals danach: Zefside.

 

Ein Spielplatz für die Wahrnehmung

Eigentlich wollte ich nicht „zu lange“ bleiben, um für den nächsten Tag frisch beim Hotel-Frühstück zu sein. Natürlich klappt es nicht, und so sitze ich am folgenden Morgen noch gut vernebelt und merkbar betrunken in der Lobby des Hotels und frühstücke.

Da der Kater noch nicht eingesetzt hat, kann ich das wirklich leckere Frühstück noch genießen und um der Müdigkeit Herr und Frau zu werden, muss die Volksdroge Koffein herhalten.

Nach einer nötigen Erholungspause im Hotelzimmer nach dem Frühstück leihe ich mir ein Fahrrad: Um die müden Füße zu schonen und die gute Rad-Infrastruktur der Stadt zu nutzen. Kopenhagen ist zwar nicht ganz Amsterdam, spielt aber definitiv in derselben Liga.

In Statens Museum for Kunst Foto: Florian Schaaf

 

Wie es bei mir auf Reisen üblich ist, besuche ich ein Kunstmuseum. In diesem Fall Statens Museum for Kunst (SMK).

 

Je nach Stimmung lasse ich mich sonst manchmal intensiv auf die einzelnen Werke ein und versuche, zusammen mit den Hintergrundinformationen, einen Sinn für meine Welt herauszuziehen. Heute fühle ich mich jedoch eher nach entspannterem Treibenlassen, zu viel zu lesen strengt mich gerade an.

An einem Besuch im Kunstmuseum schätze ich besonders, dass er die tägliche Alltagsstruktur aufbricht, mir neue Perspektiven auf die Welt oder mein Leben zeigt sowie grundsätzlich neue Inspiration schenkt.

Ausstellungsstück im Kunstmuseum Foto: Florian Schaaf

 

Spannend finde ich, die Wirkung verschiedener Räume, Farben sowie Kunststile und -formen auf die Gefühlswelt zu beobachten.  Ein Spielplatz für die Wahrnehmung.

 

Das SMK ist ein großes Museum mit wechselnden Ausstellungen sowie bleibenden Sammlungen zu älteren europäischen sowie gesondert französischen und dänisch/nordeuropäischen Werken und moderner dänischer Kunst. Es gibt viel zu entdecken, und ich kann einen Besuch empfehlen.

 

Pizza am Kanal und eine Fahrradtour der Nase nach

Der Besuch im Kunstmuseum nimmt doch recht viel Zeit in Anspruch und überdauert den Großteil des Nachmittags. Nach einer kleinen Pause im Hotel bin ich mit dem Norweger Joakim von gestern verabredet. Wir wollen uns eine Pizza To Go holen und ein nettes Plätzchen draußen in der Stadt suchen.

Gesagt, getan. Bei sonnigem, warmem Wetter und einer mittelguten Pizza am Kanal lassen wir den Abend entspannt ausklingen, bevor Joakim zum Flughafen muss.

Obwohl wir unterschiedliche Kerninteressen haben, verstehen wir uns auch nüchtern gut – keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich zuvor berauscht beim Feiern kennengelernt hat. Lustig sind auch unsere Versuche, auf Dänisch und Norwegisch zu kommunizieren.

Auf Fahrradtour bei der Universität Foto: Florian Schaaf

 

Nachdem Joakim sich auf den Weg zurück nach Norwegen gemacht hat, nutze ich das geliehene Rad für eine Tour durch die abendliche Stadt noch einmal aus – immer der Nase nach, wie es so schön heißt.

 

Aktiv versuche ich, die großen Straßen zu verlassen und durch die lokalen Nachbarschaften zu radeln. Das funktioniert mittelmäßig gut. Die schönsten Ecken erwische ich wohl nicht, aber zumindest etwas herumkommen tue ich – mitunter zufällig bei der Universität, was für mich auch immer spannend ist.

 

Die Vorteile von Sprachkenntnissen

Auf meiner Kopenhagen-Reise fiel erneut auf, wie nützlich es ist, etwas Dänisch zu sprechen. Zwar kommt man auch mit Englisch sehr gut durch, doch ist die Erfahrung in jedem Falle eine andere.

Zum einen gibt es emotionale Sicherheit: Ich verstehe einigermaßen, was um mich herum passiert und laufe nicht herum wie ein Fremder auf einem anderen Planeten. Ich weiß, was das Gericht im Restaurant beinhaltet oder was das Schild da drüben mir zu sagen versucht. Nur so ist es möglich, richtig in die Umgebung einzutauchen und sie zu erfahren.

Mit Joakim auf dem Rückweg in die EU (aus dem Freistaat Christiania) Foto: Florian Schaaf

 

Ein weiterer Punkt ist: Es kommt gut an. Menschen aus Skandinavien, ob hier nun zum Beispiel aus Kopenhagen oder Norwegen, sind immer wieder freudig überrascht. Meistens schafft es direkt eine gemeinsame Basis, eine Verbindung, auf die man dann aufbauen kann.

 

Dänisch zu lernen war definitiv eines meiner besten Investments für meine Aktionen hier oben im Norden.

 

Ein Besuch im Folketing

Am letzten Tag meiner Reise findet ein weiteres Highlight statt: Ich besuche unseren Kollegen vom „Nordschleswiger“, Walter Turnowsky, der sein Büro im dänischen Parlament, im Folketing auf Christiansborg, hat. Für mich als politikinteressierten Menschen eine Wahnsinnsgelegenheit. Umso verwunderlicher ist es zu hören, dass ich der erste Praktikant bin, der dies je gemacht hat.

Nachdem Walter mir die ehemalige zweite Kammer, die Bildergalerie der vorherigen Staatministerinnen und -minister und die alten Grundgesetze des Landes gezeigt hat, steigen wir hinauf in den Pressekorridor, wo Walter sein Büro gemeinsam mit dem grönländischen Radio hat, bevor es dann weiter auf die Pressempore im Plenarsaal geht.

Der Blick in den Plenarsaal von der Presseempore Foto: Florian Schaaf

 

Die Erfahrung ist zunächst etwas surreal. Nachdem ich die Politikerinnen und Politiker zuvor nur vom Bildschirm kannte, fühlt es sich nun an wie im Film, sie in Wirklichkeit vor mir zu sehen.

 

Es ist der Tag der Abschlussdebatte im Parlament – die letzte vor der Wahl zudem. Während wir oben sind, spricht Oppositionsführer Jakob Ellemann-Jensen (Venstre). Nach der kleinen Rede ist es den Sprecherinnen und Sprechern jeder Partei möglich, einen Kommentar zu geben, auf den Ellemann-Jensen dann reagiert.

Die Kommentare der Parteien beziehen sich schon sehr auf den kommenden Wahlkampf und die Pläne von Venstre zu verschiedenen Themen. Die Positionierung Ellemann-Jensens fällt typisch aus für Venstre. Betont wird vor allem die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, besonders bei der Wahl des Anbieters im Gesundheits- und Pflegebereich. Auch niedrigere Steuern sind ein Thema.

Vorsitzende des Präsidiums des Folketings, Herrin über die Redezeit der Debatte und Schwester von Jakob Ellemann-Jensen ist Karen Ellemann. Bei einer Überschreitung der Redezeit greift sie knallhart ein.

Im Folketing findet heute die Abschlussdebatte statt. Foto: Florian Schaaf

 

„Die Regeln sind streng, aber freundlich“, meint Kollege Walter Turnowsky. Lacher, die immer wieder vorkommen, werden zum Beispiel gewährt. Spannend im Vergleich zu Deutschland ist auch, dass keine Zustimmung oder Ablehnung signalisiert werden darf: Applaus ist verboten.

 

Auch Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) lässt sich blicken. Nachdem sie erst von der Seite in den Saal eintritt und ein kurzes Schwätzchen hält, schlendert sie betont langsam am Rednerpult vorbei zu ihrem Platz.

Nach unserem Besuch auf der Presseempore gehen Walter und ich noch in eine der Kantinen des Folketings, ins Brydesen. Typisch dänisch gibt es Smørrebrød. Bei guter Aussicht über Kopenhagen ist dies ein gelungener Abschluss der Aktion. Danke für die Gelegenheit!

 

Reflexion in der Bahn und ein großes Danke

Bis zur Abfahrt meines Zuges habe ich dann noch etwas über eine Stunde Zeit. Laufen muss ich am Ende trotzdem, da ich die Zeit in der Sonne vor Christiansborg verplempere. Nach zwei Tagen voller Action muss das auch mal sein.

Im Zug nach Apenrade habe ich genug Zeit zur Reflexion: Was für eine Reise! Ich habe viel erlebt und kann sagen, dass ich die Zeit gut genutzt und alles herausgeholt habe. Wirklich alles ...

Einige Tage später wache ich nämlich mit Halsschmerzen und Fieber auf: Der Corona-Test ist positiv. Im Nachhinein ist es natürlich immer schwer zu sagen, wo genau es herkommt. Ich vermute jedoch aus dem Nachtclub in Kopenhagen.

Glücklicherweise ist der Verlauf mild, ein fairer Preis für diese Fahrt. Leider platzen so allerdings andere gute Pläne. Man kann wohl nicht alles haben.

Zum Abschluss bleibt mir nur zu sagen: Danke! An den „Nordschleswiger“, ohne den die Erfahrung nicht möglich gewesen wäre, und auch an den Kollegen Walter Turnowsky, der mich im Folketing ertragen hat.

Es war eine Reise, die ich wohl niemals vergessen werde.

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