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Gab es den Präsidenten von Alsen? Martin Lätzel weiß mehr

Gab es den Präsidenten von Alsen? Martin Lätzel weiß mehr

Gab es den Präsidenten von Alsen? Martin Lätzel weiß mehr

Sonderburg/Sønderborg
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Ein Blick auf das Titelbild des Buches von Martin Lätzel, das unter anderem Bruno Topff und andere Mitglieder des Soldatenrates von Sonderburg zeigt Foto: Sara Eskildsen

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1918 hatte die Insel Alsen drei Tage lang einen Präsidenten – über diesen Mythos hat der Leiter der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek ein unterhaltsames Buch geschrieben. Doch was daran ist wahr?

Militärschneider Bruno Topff lag 1918 mit Tuberkulose im Sonderburger Lazarett, als der Aufstand der Matrosen und Arbeiter in Kiel bis nach Alsen (Als) schwappte. Aus dem einfachen Soldaten wird ein Revolutionär – und der Legende nach für drei Tage lang der Präsident von Alsen.

Über diesen Mythos hat Martin Lätzel ein Buch geschrieben. Der Leiter der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek hat historische Dokumente untersucht und daraus eine abenteuerliche Geschichte um den Präsidenten von Alsen erschaffen.

Doch was daran ist Tatsache, und was ist hinzugedichtet an diesem Buch, das Lätzel als „historische Fiktion“ bezeichnet? Im Interview verrät der Autor mehr.

Wie kamst du darauf, ein Buch über den Präsidenten von Alsen zu schreiben?

„Es gibt drei Gründe, die mich dazu bewogen haben. Erstens war ich als Leiter des Landesverbandes der Volkshochschulen früher viel in Nordschleswig unterwegs. Unter anderem über Peter Buhrmann an der Volkshochschule in Apenrade habe ich Land und Leute gut kennengelernt, und so entstand die Verbindung nach Nordschleswig. Zweitens: In der Landesbibliothek haben wir uns viel mit der Revolutionsgeschichte in Kiel 1918 beschäftigt, und ich war viel in diesem Themenbereich unterwegs. Und der dritte Grund für das Buch war: Ich habe ein Faible für skurrile, außergewöhnliche und nicht normale Persönlichkeiten.“

Was an der Geschichte um Bruno Topff ist echt?

„Bruno Topff war ein deutscher Soldat, der 1918 zum Leiter des Soldatenrats in Sonderburg erklärt wurde. Aus einem bestimmten Grund ist er im Gedächtnis geblieben, sonst hätte man nicht jahrzehntelang über ihn geredet. Er muss in den drei Tagen, in denen er in Sonderburg eine Rolle gespielt hat, Eindruck hinterlassen haben. Seine Person ist mythologisch aufgeladen und im Gedächtnis geblieben.“

„Ein Hoch auf Bruno Topff“

Martin Lätzel schreibt im Buch seine Version davon, wie aus dem einfachen Soldaten und Schneider aus Potsdam ein Revolutionär wird.

„Topff geht auf seine Kameraden zu und redet auf sie ein. Er bietet seine Kräfte auf. Gerade war er noch ein kranker Schneider, jetzt wird er zum Strategen: Genossinnen und Genossen, spricht er, so laut er kann. Jetzt haben wir die Macht in unseren Händen. Die Beamten nichts mehr zu sagen. Die Tyrannei ist vorbei …

… Wir wollen die freie Republik, die freie Republik Alsen. Kein Groschen auf Berlin, keiner auf Kiel. Hiermit proklamiere ich die Republik, ruft Topff und reckt die Faust in die Höhe. Jetzt folgen ihm alle, rufen ein Hurra, nehmen ihre Kappen ab und manch einer wirft sie bis unter die Decke. Ein Hoch der Republik, rufen sie und: Ein Hoch auf Bruno Topff.“

 

Wann hast du zum ersten Mal von ihm gehört?

„Das war vor etwa 15 Jahren in einem Arbeitskreis in Kiel zur Revolutionsgeschichte. Da wurde der Name erwähnt und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.“

Was gibt es über Bruno Topff in den Archiven?

„Es gibt nicht viele historische Dokumente über Bruno Topff, aber ein paar. Fotos, Handzettel und Plakate aus der Revolutionszeit in Sonderburg. Diese Dokumente bewahren das Museum im Schloss Sonderburg und das Lokalhistorische Archiv Sonderburg auf.“

Dein Buch erzählt detailliert, was in den drei Tagen auf Alsen vor sich gegangen ist, während Bruno Topff Präsident war. Was ist wahr, was ist Fiktion?

„Der Fachbegriff ist Dokufiktion. Es gibt einen historischen Kern, und da herum baue ich eine fiktionale Geschichte. Für mich ist es ein belletristisches Buch.“

Es ist ein Kabinettstückchen zur Frage: Was ist eigentlich Herrschaft? Wer bestimmt in einer Gesellschaft und was bedeutet Demokratie?

Martin Lätzel, Autor

Was können wir heute aus den Geschichten um Bruno Topff lernen?

„Das Buch hat durchaus eine politische Aktualität. Als ich es geschrieben habe, war in den USA Donald Trump Präsident. Es zeigt, dass man nur einigermaßen auftreten muss, um irgendwie als Autorität wahrgenommen zu werden. Auch wenn da gar nicht viel dahinter ist. Und es zeigt das Zusammenspiel zwischen Menschen, denen eine Autorität zugesagt wird und die genauso gut wieder gestürzt werden können. Also die Fragilität von politischer Autorität wird am Beispiel von Bruno Topff sehr schön deutlich. Auch die Frage nach Loyalität und Illoyalität. Eine Auseinandersetzung zwischen den ärmeren Mannschaftsgraden und den reicheren Offizieren. Es ist ein Kabinettstückchen zur Frage: Was ist eigentlich Herrschaft? Wer bestimmt in einer Gesellschaft und was bedeutet Demokratie?“

Gibt es weitere außergewöhnliche Charaktere aus Nordschleswig, über die du gerne ein Buch schreiben willst?

„In der Tat überlege ich seit Jahren, etwas über Julius Langbehn zu schreiben, einem Vordenker der völkischen Bewegung, der aus Hadersleben kam. Darüber würde ich gerne mal was machen.“

Das Buch „Bruno Topff – Der Präsident von Alsen“ umfasst 85 Seiten und ist unter anderem über den Verlag KJM zu beziehen. Weitere Informationen gibt es hier.

Autor Martin Lätzel ist seit 2019 Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek und beauftragt mit dem Aufbau eines Zentrums für Digitalisierung und Kultur. Foto: Pressefoto/KJM
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