Bürgerprotest

„Und dann fällt man 50 alte Eichen für einen Radweg?“

„Und dann fällt man 50 alte Eichen für einen Radweg?“

„Und dann fällt man 50 alte Eichen für einen Radweg?“

Rinkenis/Rinkenæs
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Die Visualisierung zeigt im Norden das Waldstück, das von der Abholzung zur Straße hin betroffen wäre. Foto: Rune Søndergård

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Nein danke zu einem Radweg, für den zwei Hektar Wald und zwei Kilometer Heckenlandschaft gerodet werden sollen: In und um Rinkenis formiert sich Protest gegen eine Fahrradstrecke, die dem Wunsch der Bürger nach Natur und Biodiversität nicht gerecht wird.

Die Ansage des zuständigen Ausschusses für Technik und Umwelt an die Verwaltung war eigentlich unmissverständlich: Der Radweg im Nordwesten von Rinkenis zwischen Ravnsbjergvej und Årsbjerg soll bestmöglich im Einklang mit der Natur gebaut werden.

Das war im August 2020 – doch es liegt kein neuer Vorschlag vor, der den Wünschen von Ausschuss und Bürgern vor Ort gerecht wird. Im Gegenteil. Anwohner und Bürger gehen davon aus, dass für den Radweg ein Waldstück gerodet wird und zwei Kilometer Heckenlandschaft vernichtet werden.

Baumrodungen im Natura-2000-Gebiet befürchtet

Eine Bürgerinitiative hat nun zu einer Unterschriftensammlung aufgerufen – und 254 Stimmen gegen ein solches Vorgehen an die zuständigen Stadtratspolitiker weitergeleitet.

Die Botschaft der Bürger ist simpel: Ein Radweg ist dazu da, die Natur vor Ort zu schützen und Bürger und Touristen mit der Natur vor Ort in Kontakt zu bringen. Das Fällen von 50 alten Eichen im Buskemose Wald, das Ausreißen vieler Pflanzen und hunderter Bäume innerhalb eines Natura-2000-Gebietes kann diesem Ziel niemals gerecht werden, so die nun geäußerte öffentliche Meinung.

Die Anwohner und Bürger wünschen sich einen Radweg, der in die Landschaft eingebettet wird – wenn möglich hinter den bestehenden Hecken. Foto: Rune Søndergård

Die bisherige Landvermessung sieht vor, dass der Radweg entlang des Buskmosevejs direkt an der Straße verläuft. Dafür müssten südlich des Ravnsbjergvej zwei Hektar Wald gerodet werden, außerdem zwei Kilometer Heckenlandschaft.

Das fand auch der zuständige Ausschuss für Technik und Umwelt im August 2020 kritisch – und gab der Verwaltung den Auftrag, eine naturfreundlichere Streckenführung zu erarbeiten. Seitdem hoffen die Bürger vor Ort auf einen neuen Plan.

Die Verwaltung hält an der Streckenführung fest

Doch Rune Søndergård, Initiator hinter der Unterschriftensammlung, vermutet Schlimmes. Nämlich dass die Verwaltung an der alten Streckenführung festhält – und ein Gutachten des Ingenieurbüros Niras aus Holstebro als Grundlage dafür dient. Das hatte eine naturfreundliche Streckenführung als zu teuer und nicht machbar abgestempelt.

Und wenn die Strecke am Ende nicht zu 80 Prozent hinter den Hecken und durch den Wald verläuft, aber immerhin zu 30, 40 oder 50 Prozent, ist doch auch schon viel gewonnen.

Rune Søndergård, Anwohner
Diese Skizze zeigt den geplanten Streckenverlauf in Blau – und den gewünschten Verlauf gestrichelt in Gelb. Foto: Rune Søndergård

Bei einem Treffen mit Verwaltungsangestellten hatte Rune Søndergård seinerseits einen möglichen Streckenverlauf skizziert. In dieser Version verliefe der Radweg zu 80 Prozent hinter „lebendigen Hecken“, abseits der Straße durch die hügelige Moränenlandschaft und auf einem alten Waldpfad hin zum Ravnsbjergvej.

Diese Streckenführung würde neue Gespräche mit den Landbesitzern vor Ort mit sich führen, darüber ist sich Søndergård im Klaren.

Land müsste hinzugekauft werden

„Und wenn die Strecke am Ende nicht zu 80 Prozent hinter den Hecken und durch den Wald verläuft, aber immerhin zu 30, 40 oder 50 Prozent, ist doch auch schon viel gewonnen“, sagt Søndergård. Der Landaufkauf selbst sei nicht teuer, die rund 20 Kronen pro Quadratmeter würden die Kommune nicht in Unkosten stürzen.

Die Anwohner schlagen vor, dass ein bestehender Waldpfad zum Radweg wird, statt direkt an der Straße 50 Eichen zu fällen und einen Weg zu asphaltieren. Foto: Rune Søndergård

„Aber offenbar will die Verwaltung nicht, dass es eine naturfreundlichere Streckenführung gibt. Das Gutachten von Niras ist in meinen Augen missweisend und geradezu manipulativ verfasst, wir würden gerne wissen, wie der Auftrag aus der Verwaltung gelautet hat“, so der Anwohner.  

Antrag auf Akteneinsicht gestellt

Lautete der Auftrag, die naturfreundliche Streckenführung als unmöglich darzustellen? Rune Søndergård stellte einen Antrag auf Akteneinsicht. Doch die Antwort lautete, dass ein Auftrag telefonisch an das Unternehmen ergangen sei und keine schriftliche Beauftragung vorliegt.

Der Wunsch der Bürger ist ein Rad- und Spazierweg, der nicht direkt an der befahrenen Landstraße liegt. Foto: Rune Søndergård

Rune Søndergård gibt zu bedenken: „Der geplante Weg wäre für Radfahrer und Spaziergänger wenig attraktiv, wenn er direkt an der Landstraße verläuft. Kaum ein Bürger würde diese Strecke für einen Abendspaziergang oder eine schöne Radtour nutzen.“

Weniger Natur, dafür aber ein Radweg?

Pendlerverkehr von Schulkindern oder Berufstätigen gebe es auf der Strecke kaum. „Dieser Radweg hat das einzige Ziel, den Bürgern die Natur nahezubringen. Ihn direkt neben der Straße zu platzieren und den Bürgern ein Stück ihres Waldes wegzunehmen und die Heckenlandschaft zu asphaltieren, ergibt doch wirklich keinen Sinn!“

2.300 bis 3000 Tonnen CO2 würden weniger verarbeitet

Ein Rechenstück, das die Bürgergruppe den Politikern in ihrem 23-seitigen detaillierten Alternativvorschlag gemacht hat: Laut Zahlen der Naturbehörde verarbeitet ein Laubwald pro Hektar rund 580 bis 900 Tonnen CO2 im Jahr. Mit Blick auf das Stück Wald, das von der Landvermessung ausgewiesen ist, sowie den Heckenlandschaften, würden 2.300 bis 3.000 Tonnen CO2 weniger verarbeitet, falls die Pläne der Verwaltung umgesetzt werden. Die Eichen seien rund 100 Jahre alt, gibt Rune Søndergård zu bedenken.

Ein Skizzenvorschlag von Rune Søndergård Foto: Rune Søndergård

Die Kommune spreche in letzter Zeit viel über einen Mangel an Biodiversität, will unter anderem „Wildeste Kommune“ des Landes werden. „Und dann fällt man 50 alte Eichen und 200 Bäume für einen Radweg? Das kann hier niemand verstehen. Der Wald hier ist unser Regenwald, unser Beitrag, CO2 zu sparen.“

Hoffen auf ein Einlenken der Politik

Zusammen mit den Bürgern vor Ort hofft Søndergård auf ein Einlenken der Verwaltung. „Wir hoffen und warten, dass es einen Vorschlag gibt, der naturfreundlicher ist!“

 

Aase Nyegaard (Fæll.) ist als Vorsitzende des Technischen Ausschusses mitverantwortlich für den Bau des Fahrradweges. Sie sagt: Der von der Aktionsgruppe kritisierte Streckenverlauf wird nach dem Vorschlag der Verwaltung umgesetzt.

„Hinter dieser Entscheidung steht ein einiger Ausschuss. Die Verwaltung hat ein Gutachten erstellen lassen, und es wurden beispielsweise an der Stelle mit dem Fledermausreservat Änderungen vorgenommen. Aber wir können jetzt nicht noch mal von vorne anfangen, nur weil einige Bürger einen anderen Streckenverlauf wollen“, so die Stadtratspolitikerin.

Kein Anlass, die Sache erneut aufzurollen

Die aktuelle Unterschriftensammlung sei für den Ausschuss kein Anlass, die Sache erneut aufzurollen. „Nein, das können und werden wir nicht tun“, so die Vorsitzende des Ausschusses. „Die Verhandlungen mit den Landbesitzern müssten völlig neu aufgenommen werden, und dann müsste man wieder ganz von vorne anfangen.“

Jetzt sehen wir mal, wie viel vom Wald am Ende gefällt werden muss, es sind gerade richtig viele Zahlen im Umlauf. Ich glaube nicht mal, dass es so schlimm wird, wie befürchtet.

Aase Nyegaard, Ausschussvorsitzende

Zudem würden sich nicht alle Bürger einen direkten Weg durch den Wald wünschen. „Wir kriegen auch Rückmeldungen von Bürgern, die das nicht wollen. Und die Aufforderung, endlich in Gang zu kommen. Wir können jetzt nicht einfach noch mal von vorne anfangen.“

Die Kommune will die Biodiversität stärken, gleichzeitig sollen Hunderte Bäume und Hecken für einen Fahrradweg weichen. Wie passt das zusammen? „Für einen Fahrradweg müssen immer Bauarbeiten auf Grünflächen vorgenommen werden. Wenn man einen Fahrradweg will, muss man das in Kauf nehmen.“

Aber sind zwei Hektar Wald und zwei Kilometer Heckenlandschaft nicht ein sehr hoher Preis für eine Kommune, die „Wilde Kommune“ werden will? „Jetzt sehen wir mal, wie viel vom Wald am Ende gefällt werden muss, es sind gerade richtig viele Zahlen im Umlauf. Ich glaube nicht mal, dass es so schlimm wird, wie befürchtet.“

Ich finde diesen Einsatz sehr gut. Soweit ich es einschätzen kann, ist die Entscheidung aber gefallen. Die Einschätzung des Gutachtens war es, dass ein naturnaher Verlauf technisch nicht oder nur schwer umzusetzen wäre.

Dieter Jessen, Stadtratspolitiker

Auch Stadtratspolitiker und Ausschussmitglied Dieter Jessen (Schleswigsche Partei, SP) kennt den Wunsch nach einem naturfreundlicheren Streckenverlauf. „Ich habe im Ausschuss durchaus für einen anderen Streckenverlauf gekämpft, habe am Ende aber zugestimmt, weil ich nicht gegen den Fahrradweg als solchen stimmen wollte“, erläutert der Stadtratspolitiker. Immerhin sei es eines der politischen Ziele der SP, Fahrradwege in der Kommune zu schaffen.

„Im Prinzip war es das jetzt“

Dass sich die Bürger nun mit einer Unterschriftenaktion an die Öffentlichkeit wenden, begrüßt Jessen. „Ich finde diesen Einsatz sehr gut. Soweit ich es einschätzen kann, ist die Entscheidung aber gefallen. Die Einschätzung des Gutachtens war es, dass ein naturnaher Verlauf technisch nicht oder nur schwer umzusetzen wäre.“

Der Planungsverlauf sei für Änderungen an dem Projekt zu weit fortgeschritten. „Im Prinzip war es das jetzt“, so Dieter Jessen. Die Bauarbeiten für den Fahrradweg direkt neben der Landstraße sollen noch in diesem Jahr beginnen.

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